angst und achtsamkeit.

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"Nimm' mir das nicht böse, aber ..du gehst nicht zur Schule.. Wie willst du dann studieren?"
"Es gibt Einstiegstests. Die schaffen die meisten Leute, die nicht in der Schule waren nicht, aber ich will's zumindest versuchen." Ich nickte, griff nach seiner Hand und lächelte. "Du kannst alle meine Schulhefte haben, wenn du willst~" Ich muss leise lachen, er tat es mir gleich, lehnte sich an meine Schulter. Ein paar Wochen waren vergangen, Wochen, in denen ich nachts wach war und in der Schule weniger aufpasste, Wochen, in den ich Nachmittags heimlich in meinem Zimmer schlief, wenn ich Hausaufgaben machen sollte und diese dann nachts erledigen musste. Doch es war mir recht, denn Juli hatte erstaunlich viel Ahnung von meinem Schulstoff. Bis heute konnte ich mir nicht erklären, woher sein ganzen Wissen kam, woher sein Talent zum Erklären kam, seine Faszination für Philosophie und Physik, für das Weltall und alle möglichen Sterne, ich wusste nur, dass ich es liebte, wenn er mir Dinge über Sterne erzählte, von denen er Ahnung hatte, er steckte mich an, mit seiner Faszination, doch ich glaube, mir fehlte einfach das Wissen und die Leidenschaft, die er dabei hatte. Eine andere Sache, die ich mir nicht erklären konnte: Juli wusste alles - und mit "alles", meine ich wirklich "alles" - über Isaac Newton und Galileo Galilei. Er war so fasziniert von ihnen, von ihren Entdeckungen und ihren Persönlichkeiten. Ich liebte das an ihm. Er war zwar wirklich strebhaft in dem Punkt, wirklich extrem, doch wenn er begeistert von etwas war, oder wenn er solche schwierigen Bücher las, dann war er so glücklich, so fasziniert und es war so schön, das zu sehen.

"Juju?" Er musste über den Spitznamen lächeln, sah zu mir und ich lächelte ebenfalls. "Ja, Lulu?" Ich musste leise lachen, bevor ich wieder ernst wurde und ihn sanft anlächelte. "Weißt du eigentlich, wie hübsch du bist?" Ich legte meine Hand an sein Kinn, sah ihn an, er lächelte schüchtern, dann seufzte er zufrieden. Ich gab ihm einen sanften Kuss auf die Lippen. Seine Stimme war leise, hauchdünn.
"Du weißt, dass das zwischen uns kein gutes Ende haben kann, oder..?" Seine Stimme klang traurig, er sah mir weiter in die Augen, ich musste schwer schlucken. "Sag sowas nicht.." Juli umarmte mich, drückte sich feste an mich, vorsichtig zog ich ihn auf meinen Schoß. "Sie werden uns aussetzen, irgendwann. Es ist verboten. Wir dürfen das nicht." "Warum fühlt es sich dann so richtig an?", fragte ich leise, streichelte über seine dünne Taille. "Weil es das Richtige ist, Luri. Trotzdem ist es verboten. Sie können uns hierfür sogar töten." Ich drückte seinen dünnen Körper näher an mich. "Wir leben einfach zur falschen Zeit." Ich nickte stumm. "Sie können mir nicht verbieten, dich zu lieben. Wirklich nicht. Dafür bedeutest du mir zu viel.", hauchte ich leise und bemerkte, wie er eine Gänsehaut bekam. Ich musste leicht lächeln. "Sie können dir aber verbieten, glücklich zu sein. Mit mir. Weißt du, ich will einfach nur, dass wir vorsichtig sind." Ich nickte leicht. "Sind wir doch, oder..?" Er zuckte mit den Schultern. "Hey, schau mal. Ich hab in zwei Wochen Ferien. Danach muss ich nur noch ein Jahr zur Schule gehen, dann bin ich durch. Wenn du bis dahin jemanden gefunden hast, der den Stall weiter macht, können wir weg hier, meinetwegen für immer. Dann können wir zusammenziehen und studieren, wenn du willst.." Er seufzte. "Und irgendwann wird der Druck von Außen zu hoch, dass wir noch keine Frau haben und dann werden wir heiraten müssen, Kinder bekommen, die wir nicht wollen und dann? Was wird dann aus uns? Was wird aus uns, wenn sie uns erwischen? Dann können wir nichts mehr davon, nicht mal studieren. Dann verrotten wir irgendwo, stecken uns mit tödlichen Krankheiten an und sterben." Ich seufzte. "Wir finden schon eine Lö-" "Nein, Luri. Es gibt keine Lösung dafür. Wir stecken im falschen System." Er ließ mich los, sah mich an, seine Augen waren glasig. "Was ist denn los.. Ist irgendwas passiert..?" Er brach in Tränen aus, drückte sich näher an mich, presste sich eng gegen meine Brust. Mein Herz schmerzte vor Sorge, ich drückte ihn feste an mich.

Er weinte so bitterlich in meinen Armen, versuchte, anständige Sätze herauszubringen. "Ich-" Er schluchzte auf. "Ich hab Angst. Was- Was wenn man uns erwischt? Mein Vater hat mir heute gedroht, mich in ein Umlernungscamp zu schicken, wenn ich weiter Schwule in den Schutz nehme. Er hat gesagt, da würden sie gefoltert, geschlagen und gedemütigt werden, bis sie entweder sterben oder gestehen, dass es falsch war, dass sie das alles verdient haben. Ich kann das nicht, Luri, ich habe so Angst." Ich sah ihn an, wischte ihm seine Tränen von der Wange, legte meine Lippen auf seine. Lange, er erwiderte den Kuss, wir küssten uns lange, sanft, voller Liebe und ab und zu konnte ich spüren, wie stumme Tränen in unseren Kuss rinnten, die salzige Flüssigkeit auf meinen Lippen. Seine Lippen waren weich, so perfekt, so zart und sanft und unschuldig, ich wollte nicht aufhören, ihn zu küssen, niemals. Leicht öffnete ich meinen Mund, spürte seine Zunge an meiner, spürte, wie er sehnsüchtig küsste, als wäre es unser letzter Kuss, meine Augen waren geschlossen, ich spürte nur ihn, ihn auf meinem Schoß, seine Lippen auf meinen, spürte, wie sich seine schmalen Hände an meine Wangen legten, ich ihn an seiner Taille näher auf meinen Schoß zog. Ich liebte ihn so sehr, unsere Lippen, unsere Zungen schienen verschmolzen zu sein, ich dachte, ohne sie würde ich sterben und alles in mir kribbelte, ich war so süchtig nach ihnen, so süchtig nach ihm. Ich spürte seine dünnen, kurzen Finger, wie sie den Weg zu meinem Nacken fanden und als wir uns langsam von einander lösten, ließ ich meine Augen geschlossen, spürte seinen schnellen Atem auf meinen Lippen.
"Ich liebe dich. Mehr als alles andere, das weißt du, oder..?", hauchte ich ganz leise gegen seine Lippen, öffnete langsam meine Augen und sah in seine. Er nickte stumm, flüsterte ein leises: "Ich liebe dich auch.."
"Ich werde nicht zulassen, dass er dich in so ein Camp steckt.", flüsterte ich, sein Blick wurde wieder traurig. "Du kannst das nicht verhindern, Luri. Nicht, ohne dich selbst in Gefahr zu bringen. Du wirst scheitern. Versprich mir, dass du nichts unternimmst, wenn es dazu kommen sollte, okay..?" Ich schüttelte sofort den Kopf. "Ich versprech dir gar nichts, Juli. Ich werde alles tun, um dich darauszuholen. Aber lass uns nicht daran denken. Soweit muss es doch gar nicht kommen." Er nickte leicht. "Du hast recht.. Aber lass uns trotzdem vorsichtig sein, okay..? Ich will uns nicht in Gefahr bringen.." Ich nickte leicht. "Wir passen schon auf.. Und lass uns über das, was in ein paar Jahren ist, einfach keine Gedanken machen, okay..?" Er nickte stumm und wieder fielen unsere Lippen aufeinander, verschmolzen zu Einem, zu einem Einzigen, zu dem, was uns verbindete, verschmolzen zu dem, was mich daran hinterte, mich zu lösen, verschmolzen zu einem einzigen Ausdruck der Liebe, der alles kribbeln ließ, der mich so unendlich glücklich werden ließ.

forbidden love. [boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt