nächte.

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Frustriert und trotzdem voller Vorfreude ging ich zu unserem See.
Dort saß er schon auf dem Boden, war mit irgendwas beschäftigt.

"Hey.", sagte ich lächelnd, setzte mich neben ihn. Auch er begann sofort mit dem Lächeln, sah zu mir und begrüßte mich. In seiner Hand hielt er ein kleines Buch, in der anderen ein Bleistift, er hatte gezeichnet.
Es waren zwei Menschen, die über eine Art Müllhalde liefen, denn überall lagen Müll und Abfall und andere ekelhafte Dinge, sie lachten und waren glücklich.
Juli bemerkte, dass ich seine Zeichnung betrachtete.
"Das sind wir.", erklärte er lächelnd. "Um in meinet Metapher zu bleiben: Wir laufen durch einen Haufen Müll und Scheiße, doch.." Seine Stimme wurde etwas leiser, verlegener.
"Doch wenn du bei mir bist, geht es mir gut. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber irgendwie kann ich in diesen Nächten immer aus der Realität entfliehen.." Ich musste auch lächeln, diese Bestägigung machte mich so glücklich gerade. Ich sah ihn zufrieden an. "Mir geht es genauso.", sagte ich leise und sah, wie seine Augen kurz aufblitzten und auch seine Lippen sich zu einem wunderschönen Lächeln verformten.
Er machte sein kleines Buch wieder zu, stopfte es mit dem Bleistift in seine Tasche und sah wieder zu mir.
"Es ist voll schön warm heute.", murmelte er und ich nickte und sah auf das Wasser, die Sonne war schon längst untergegangen.
"Wir müssen mal zusammen den Sonnenuntergang anschauen.", sagte ich leise und er nickte.
"Ich liebe den Sonnenuntergang."
"Ich auch."

Ich legte mich nach hinten, auf den feuchten Erdboden und sah in den Himmel, Juli tat es mir gleich.
Frustriert rieb ich mir durch das Gesicht.

"Warum ist alles so ungerecht?"
"Weil sie dumm sind, alle. Weil ihnen vergegaukelt wird, wir würden in einem gerechten Land leben."
Ich seufzte, sah zu ihm, er sah ebenfalls zu mir.
"Warum hast du auf alles immer die perfekte Antwort.", hauchte ich leise und konnte mein Lächeln nicht verbergen, dass sich langsam auf meine Lippen geschlichen hatte. Juli begann ebenfalls, verlegen zu lächeln und ich könnte wetten, seine Wangen bekamen wieder eine leicht rosane Verzierung, die leider von der uns umgebenden Dunkelheit verschluckt wurde. "Du übertreibst.", murmelte er schmunzelnd und ich schüttelte den Kopf. "Tu ich nicht, wirklich nicht." Ich wusste, er wollte mir widersprechen, doch er sah mich nur an, musste leicht lachen und seufzte zufrieden, sah wieder in den Himmel und schloss die Augen.
Ich tat es ihm gleich, wir schwiegen.
In Gedanken an ihn versunken musste ich lächeln.

"Willst du eigentlich noch über heute Mittag sprechen..?", flüsterte ich irgendwann leise und er seufzte.
"Ich kann über sowas nicht sprechen.." Ich nickte verständnisvoll.
"Aber ich.. ich habs dir aufgeschrieben, wenn du willst, kannst du es lesen.." Er kramte in seiner Tasche, fischte ein zusammengefaltetes Blatt Papier heraus und drückte es mir in die Hand. Ich steckte es ein, ich würde es morgen lesen.

~

Mein Vater ist aggressiv, er lässt sich leicht provozieren, weißt du? Und immer, wenn er aus der Stadt kommt, ist et gereizt und duldet keinen Widerspruch. Und dann hat er sich beschwert, dass er die Aussätzigen, die Schwulen getroffen hatte (Milo und Daniel offensichtlich) und dass sie ihn "mit ihrer Anwesenheit angeekelt" hatten. Ich habe leise gefragt, was so schlimm daran wäre, er dürfe doch auch meine Mutter lieben und letztendlich ist es doch sowieso egal..
Er hat mich als "schwul" und "ungläubig" bezeichnet, was im Nachhinein sogar beides stimmt, doch er hat geschrien, geschrien, meine Mutter beleidigt, sie habe mich nicht christlich genug erzogen, sie für meine Denkweise verantwortlich gemacht. Ich hatte gesagt, er solle aufhören und meine Mutter könne nichts dafür. Dann schrie er, ich solle nicht so respektlos sein und er müsste mir wohl zeigen, wer hier das sagen hat und ich hatte Angst, dass etwas passiert, dass er mich schlägt, mir etwas antut, also blieb ich still. Dann hatte er wieder meine Mutter angeschrien, all seine Wut aus der Stadt an ihr ausgelassen und ich hatte angefangen zu zittern und dann bin ich einfach rausgegangen und hab angefangen zu weinen, irgendwann habe ich dich gesehen, du hast mich getröstet und warst für mich da.
Mein Vater tut ihr schlimme Dinge an, doch sie wehrt sich nicht. Er schlägt sie, missbraucht sie und sie weint immer. Es macht mich fertig, sie ist eigentlich so herzensgut.
Weißt du, ich frage mich, ob ich derjenige bin, der allen hier Jahre vorraus ist, oder ob ich irgendetwas offensichtliches übersehe und einfach wirklich nur dumm bin.
Ich weiß es einfach nicht.

forbidden love. [boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt