Akzeptanz

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Wie immer wenn ich im Auto sitze, lehne ich meinen Kopf gegen Marikos Schulter. Diese schaut nur kurz zu mir und dann aus dem Fenster. Anthony mustert mich immer mal zwischendurch im Bild des Rückspiegels. Wahrscheinlich denkt auch er nach. Ich kann ihn verstehen. Seit ich klein bin, waren wir immer zusammen. Er war für mich ein Bruder. Mein Held. Immer habe ich zu ihm aufgesehen, und jetzt... Auf einmal bleibt mir keine Zeit um noch an seiner Seite zu bleiben. Wieso musste es auch unbedingt mich treffen? Aber was bringt es, das wieder und wieder in Frage zu stellen. Es ist wie es ist. Ändern kann ich es auch nicht. Doch ich habe meine Entscheidung getroffen. Jetzt werde ich nichtmehr warten, dass mich mein Schicksal einholt.

Während die Landschaft außerhalb des Autos an uns vorbei zieht, falle ich in einen unruhigen Schlaf.

>>Mama, Mama, werden wir wirklich alle irgendwann sterben?<< Die Stimme eines Kindes zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. >>Ja, das ist korrekt Yuno. Ich werde sterben, und du wirst sterben. Das ist das Schicksal der Menschen. Jeder Mensch und jedes Tier zieht irgendwann das Los der Sterblichkeit. Das müssen wir akzeptieren. Und vergiss nicht, was ich dir und Yara erklärt habe. Der Tod ist nichts, wovor du dich fürchten musst. << Langsam gehe ich näher und beobachte meine jüngere Ausgabe. Diese scheint nachzudenken, es jedoch nicht zu verstehen. Lächelnd nicke ich mehr für mich selbst. >>Du hast recht Mama, endlich verstehe ich. Ich weiß nun, was du mir damals sagen wolltest. Warte nur noch ein kleines Bisschen länger, dann bin ich wieder bei dir und Papa. <<

Meine Augen nur einen Spalt weit öffnend stelle ich fest, dass ich mich nicht mehr im Auto, sondern in meinem Zimmer befinde. Langsam setze ich mich auf, und laufe dann Stück für Stück zu den versteckten Weihnachtsgeschenken und lege diese auf meinen Schreibtisch. Dort nehme ich mir außerdem eine Schere, Geschenkpapier und glänzendes Geschenkband. Als ich alles zusammengetragen habe, beginne ich damit die Geschenke einzupacken. Als erstes die Autoplakette für Dad. Fein säuberlich wickle ich diese in ein dunkelblaues Papier ein. Darauf folgen dann die Partnerketten für Mike und mich, die Freundschaftsarmbänder für Kyla und mich, Josephines Ring, den Weiberheld Anhänger für Jonah, Marikos Armband und die Handschellen für Tony. Ein schmutziges Grinsen bildet sich auf meinen Lippen. Heheh, das wird ein Spaß. Als Geschenk für Frau Jane packe ich mehrere Kochbücher ein, und Herr Davis bekommt eine Erstausgabe meines Lieblingsautors. Für Tante Cornelia wickle ich einen Gutschein und eine Kopie meines Buches in das Geschenkpapier. Also damit meine ich das, welches ich geschrieben habe, während ich in der Klinik war. Sie als eine der letzten richtigen Verwandten sollte wissen, was mir in meinen letzten zwei Jahren durch den Kopf ging. Nun ja, ich habe für jeden meiner Freunde und Familienmitglieder eine dieser Kopien zusammengestellt, doch nur drei Leute bekommen die drei Handgeschriebenen Originale. Ja ok, ich hätte es nicht noch zwei Mal abschreiben müssen, doch ich wollte sowohl Yara, als auch Mike und Dad die echten geben, denn in jedem meiner Lebensabschnitte war einer dieser drei an meiner Seite. Natürlich hätten es Kyla und Jonah auch verdient, aber ich hatte nicht mehr genügend Zeit, um mehr zu schreiben. Deshalb muss das genügen.

Als ich mit dem einpacken der Geschenke fertig bin, setze ich mich an den Schreibtisch und beginne damit, Briefe zu schreiben. Sie alle sollen einen zum Abschied bekommen. Auf grund des Zeitdruckes schreibe ich nun etwas schneller als sonst. Der erste soll an Mike gehen.

>>Lieber Mike,

Wenn du diesen Brief hier liest, dann werde ich bereits nicht mehr bei dir sein. Es tut mir leid, dass ich dir nichts gesagt habe, beziehungsweise es so schnell enden lassen habe, doch dieses Leben wollte ich so nicht mehr führen. Die Medikamente hätten mich so oder so nur für ein halbes Jahr begleiten können, also war es mir dann klar. Ich wollte nicht, dass ihr mir zusehen müsst, wie ich langsam dahin sieche. Das wäre für mich unerträglich gewesen.

Schrecken der ErinnerunngWo Geschichten leben. Entdecke jetzt