Poetry Slam

Wurzeln schlagen

Von: @kranich06

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Ich ging grad so die Straße entlang, zwischen vielen Geschäften die ich doch alle kenne, um mich in der Stadt mit einer Freundin zu treffen, und da kommen mir zwei Mädchen entgegen. Ich gehe vorbei und höre sie reden:"Ey, warum alle immer ein Jahr ins Ausland wollen, man das kapier ich voll nicht." Und ich will vor ihr stehen bleiben, die Arme verschränken und provokativ zu ihr aufschauen, denn sie ist knapp zwei Köpfe größer als ich. Und dann möchte ich ihr sagen: "Wir sitzen immer in der selben Stadt. Auf diesem kleinen Flechchen Erde. Vielleicht habe ich Angst, dass meine Füße Wurzeln schlagen, so wie der Baum dahinten, dass mich meine Arme nie in die Lüfte tragen, so wie die Taube daoben."

Mit zarten sechs Jahren kommen wir in die Schule, beginnen Dinge auswendig zu lernen, die wichtig für's Leben sind. 12 Jahre. Oder 13. Je nachdem wie es die Regierung eben sagt. Und dann sitzen wir diese Jahre immer in der selben Schule. Schauen aus dem selben Klassenraum durch das selbe Fenster auf den selben Asphaltboden, mit immer den selben Versprechen über Verbesserungen. Aber wir sollen uns verändern, sollen erwachsen werden, wie große Philosophen über Politik reden. Und dabei stehe ich morgens auf, mit dem Licht der Energiesparlampe auf den Globus gerichtet, und wenn ich ihn dann drehe, zeigt er mir jeden Tag einen anderen Fleck auf der Welt. Ich kenne doch nur diesen einen.

Vielleicht habe ich Angst, dass meine Füße wurzeln schlagen so wie der Baum dahinten, dass meine Arme mich nie in die Lüfte tragen so wie die Taube daoben. Und doch muss man sagen, sind Wurzeln etwas Wunderbares. Irgendwann möchte ich, dass sie sich tief in den Boden graben, ganz viele Haken schlagen und mich halten. Irgendwann möchte ich eine Fahne hissen und meine Flügel an den Nagel hängen. Aber vorher möchte ich die Welt besuchen, den Globus voller Stecknadeln mit Erinnerungen setzen. Vorher möchte ich Menschen und Dinge kennenlernen, die durch keine Formel berechnet werden können. Die man mit keiner Alliteration oder noch so guten Metapher beschreiben könnte, weil sie jedem physikalischem Gesetz widersprechen. Etwas, was einem keine Schule der Welt beibringen kann.

Vielleicht habe ich Angst , dass meine Füße wurzeln schlagen, so wie der Baum dahinten, dass meine Arme mich nie in die Lüfte tragen so wie die Taube daoben. Ich denke, dass ist es, was man Lebenslust nennt, auch wenn das Heimweh einen hält.

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Richtig gut nicht wahr? Vielen lieben dank an kranich06 !

Setzt euch auch mal dran, schreibt einen Text und schickt es mir dann zum Veröffentlichen zu!:*