Kapitel 5

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Da es in Smith Center keine weiteren Auffälligkeiten gab, machten sie sich schon wieder auf den Rückweg, nachdem sie noch an einer Tankstelle halt gemacht hatten. Während der Fahrt zogen immer mehr große, dunkle Wolken auf. Dean hoffte, dass sie schon zu Hause sein würden, bevor es anfing zu regnen. Gerade lief das Lied Simple Man von Lynyrd Skynyrd.

Als sie an einem kleinen Waldstück vorbei fuhren, hielt Dean abrupt an. Mit geweiteten Augen starrte er aus dem Fenster. Sam wusste nicht was los war und so folgte er einfach dem Blick seines Bruders. Er musste schwer schlucken.

"Ist... das...?", war das einzige, das Sam in dem Moment Zustande brachte. Dean wendete den Blick ab und sah stattdessen mit zusammen gepressten Lippen auf das Lenkrad.

"Okay, also... ich werde nachsehen...", meinte Sam vorsichtig und stieg aus. Dean beobachtete nur von der Seite, wie sein Bruder die Straße überquerte und zwischen ein paar Bäumen in die Hocke ging.

Dean konnte nicht klar denken. Er hoffte es so sehr, aber gleichzeitig wünschte er, dass er sich irrte.

Bald wurde er von Sam zu sich gerufen. Nur zögernd stieg er aus dem Auto aus. Je näher er seinem Bruder kam, umso größer wurde seine Angst. Als er zu ihm runter schaute, zog sich sein Magen zusammen, sodass ihm fast schlecht wurde.

Vor ihm lag keine grausam zugerichtete Leiche oder eine andere
Kreatur. Es war der Mann, den er nicht mehr zu sehen erwartet hatte, bei dem schon ein einzelner Gedanke an ihn Schmerzen in seiner Seele verursachte - es war Castiel.

"Das ist er nicht", sprach der Ältere emotionslos.

Sam sah zu ihm auf. "Was? Wer sollte es sonst sein?", entgegnete er.

Dean musste sich zusammen reißen, um überhaupt deutlich sprechen zu können. "Da- das ist irgendein beschissener Engel, der seine Hülle übernommen hat!"

"Dean..."

Der Jäger kaute auf seiner Unterlippe, als er die Klinge aus seiner Jacke zog, sich auf den Knien niederließ und dem Kerl im Trenchcoat damit einen kleinen Schnitt auf seinem Nacken zugefügte, der kurz aufleuchtete.

"Was sollte das?", fragte Sam und klang allmählich aufgebracht. "Es muss ein Engel in ihm stecken. Der Körper ist doch schon lange tot."

"Cas ist auch tot!", rief Dean verzweifelt.

Sam packte den Älteren an den Schultern und schüttelte ihn kurz. "Jetzt reiß dich zusammen! Es könnte doch möglich sein. Wir waren alle schon mal länger tot gewesen und aus irgendeinem Grund sind wir immer noch hier. Ich schlage vor wir nehmen ihn mit zum Bunker und warten, bis er aufwacht."

Dean antwortete nicht, sondern nickte nur leicht. Seine Augen waren glasig.

Zurück beim Wagen, legte Sam den Dunkelhaarigen auf den Rücksitz und wandte sich anschließend seinem Bruder zu, dessen Hände ziemlich stark zitterten.

"Lass mich fahren", begann er. "Wenn ich dich in deinem Zustand ans Steuer lasse, baust du den ersten Unfall, bevor wir überhaupt hundert Meter geschafft haben."

"Und ich hatte schon gedacht, es wird ein Tag ohne böse Überraschungen", murmelte der Ältere vor sich hin.

Sam sah zu ihm rüber. Nicht ganz sicher wie 'böse' in diesem Sinne gemeint war. Natürlich war es ein Schock - für sie beide. Es war Monate her. Aber wenn es tatsächlich Cas war, dann konnte Dean sich doch eigentlich darüber freuen, oder nicht?

Zurück in Lebanon parkte Sam den Impala an seinem gewohnten Platz. Der Größere trug Castiel, oder wer auch immer es war, in sein Zimmer und legte ihn auf dem Bett ab.

Währenddessen hatte sich Dean gleich in die Bibliothek verkrochen, mit einer Flasche Bier. Er wollte nicht in dieses Zimmer gehen - noch nicht. Warum war er gerade jetzt aufgetaucht. An diesem Ort. So sehr wünschte er, er könnte seinen besten Freund wieder umarmen, in seine meist verwirrten aber wunderschönen Augen schauen und einfach mit ihm reden. Doch jetzt zögerte er. Höchstwahrscheinlich war es Cas, das wusste er, dennoch hatte er Angst vor der Begegnung. Genauso wenig wusste er, ob Castiel noch der selbe war.

Ein weiteres Mal würde er diesen Verlust nicht verkraften können. Das Bild des toten Castiel, der noch blutend auf dem Boden lag, ging ihm nicht aus dem Kopf. 

Die Bierflasche war schon fast wieder leer, als Sam dazu kam und sich neben Dean setzte. Der jüngere atmete tief durch. 

"Ich denke, dass er bald aufwacht", begann er und wartete auf eine Reaktion seines Bruders, die allerdings nicht kam. "Äußerlich konnte ich keine Wunden erkennen, abgesehen von der die du ihm zugefügt hast."

"Ich frage mich dennoch, warum er mitten im Nirgendwo aufgetaucht ist", sprach Dean seine Gedanken aus. 

"Dean, was ist eigentlich los? Warum zweifelst du daran, dass es Cas ist?", wollte Sam wissen und musterte den Blonden eindringlich. 

In seinem Kopf versuchte Dean sich eine einigermaßen gute Antwort darauf einfallen zu lassen, doch es ging nicht. Es hatte alles nur einen Grund. Er spürte einen Kloß in seinem Hals und dass ihm Tränen in die Augen stiegen.

Empty Heaven [Destiel]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt