Mikalis hatte sich gefragt, ob er jemals solche Schmerzen in seinen unteren Regionen gespürt hatte. Die Person, die Pferde als Transportmittel auserkoren hatte, gehörte hinter Schloss und Riegel. Über unebene Felder ohne Polsterung zu reisen, war schlimmer als seine Gefängnisliege. Der springende Punkt war aber, dass er kein Talent im Umgang mit diesen sturen Wesen hatte. Apollon war ein liebes Tier, aber er war nicht in der Lage, seine Befehle zu interpretieren. Möglicherweise war es nur seine subjektive Sichtweise, aber Apollon tat stets das Gegenteil von dem, was Mikalis eigentlich verlangte. Wenig verwunderlich war dementsprechend, dass Mikalis selbst mit Ricardus' helfenden Händen den Boden noch mehrmals küsste. Einmal hatte er Apollon sogar soweit getrieben, dass er sie beide abwarf. Danach hatte Ricardus erst mal kein Wort mit ihm gewechselt. Ob er verzweifelt oder wütend gewesen war, wusste wohl nur er selbst.
Danach hatten sie es wieder mit Ares versucht. Aber der ließ ihn nicht mal auf ihn aufsteigen und trat mit den Hinterbeinen aus. Erbost hatte Mikalis einen Fluch gegen ihn gewirkt, aber da seine Magie versiegelt war, löste er nicht mehr als heiße Luft aus, wenn überhaupt.
Doch selbst ein talentloser Mann konnte nicht gegen den Intellekt eines Genies gewinnen. Nach drei Tagen hatte er den Dreh langsam raus und konnte schon ohne Ricardus auf Apollon sitzen und reiten. Auf ein schnelles Tempo verzichtete er jedoch vorerst, bis er sicherer wurde. Sofort wollte er seine neuen Tricks auch an Ares ausprobieren und sich für den freundlichen Tritt revanchieren, allerdings spuckte der Gaul ihm entweder ins Gesicht, kaute an seinen Haaren oder trat wieder nach ihm. Kurzum war er ausgesprochen nachtragend und wollte Mikalis auf Abstand halten. Sein Problem war, dass der Magier solche Herausforderungen erst recht als Ansporn sah. Je mehr Ares ihn misshandelte, desto stärker wurde sein Verlangen, ihn zu bändigen. Nichtsdestotrotz schimpfte er unentwegt über ihn auf der Reise. Ares war das sturste Tier, das ihm bislang untergekommen war, und schädigte den guten Ruf der edlen Reittiere. An ihm war nichts anmutig. Er war nur ein verzogener Bengel.
Eine Woche war vergangen, als sie in einer Kleinstadt im östlichen Grenzgebiet Nuarias Halt machten, um neues Proviant zu besorgen. Das Ziel ihrer Reise war eindeutig: Prinzessin Ophelia und der Drache, der sie gefangen hielt. Doch was das örtlich bedeutete, war Mikalis nicht bekannt. Den Aufenthaltsort des Drachen behielt Ricardus bislang für sich. Einzig und allein darin hatte Mikalis keine Zweifel mehr: Sie waren auf dem Weg in das Reich der Elfen. Wenn er ihre Position auf der Karte richtig gedeutet hatte, waren sie nicht einmal mehr einen halben Tag Reiten davon entfernt.
Ricardus und Mikalis liefen die belebten Straßen entlang, die zum Markt führten. Fröhliches Lachen und heitere Gesten verliehen dem Ort eine positive Ausstrahlung. Mikalis fühlte sich an diesem Ort gleich heimisch und beobachtete die Menschen mit großem Interesse. Rechts von ihnen unterhielten sich ein Mann und eine Frau über die bevorstehende Hochzeit ihrer Freunde und planten ausführlich die Junggesellenabschiede. Auf der anderen Seite spielte eine Gruppe von Kindern, die mit Steinen Muster auf dem Boden bildeten. Eines ähnelte einer Blume. Wie die Regeln funktionierten, war ihm nicht ersichtlich, aber aufgrund ihrer spannenden Diskussion war er der Überzeugung, selbst Gefallen daran zu finden.
"Sagt, kennt Ihr dieses Spiel?", erkundigte sich Mikalis bei Ricardus.
Der Paladin hatte den Einwohnern um sich herum nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Durch Mikalis' plötzliche Frage warf er zum ersten Mal einen flüchtigen Blick auf die spielenden Kinder. Nicht einmal zwei Sekunden betrachtete er sie. Es war fraglich, ob er danach überhaupt erkannt hatte, dass sie Steine als Spielfiguren benutzten. Folglich fiel seine Antwort aus: "Nein. Ich bin nicht sehr geschult in Spielen."
Mikalis musste sich ein Prusten verkneifen. Geschult in Spielen, sagte er. Kein anderer Mensch würde diese Formulierung wählen. Spiele wurden nicht gelehrt, sondern erlebt. Ricardus war wahrhaftig eine einzigartige Persönlichkeit, diesen Unterschied nicht zu kennen.
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Nur der Ritter und der Magier können die Prinzessin retten
FantasyIm friedlichen Land Nuaria ist etwas Schreckliches vorgefallen: Die Prinzessin wurde von der mächtigsten magischen Kreatur entführt - einem Drachen. Die stärksten Ritter Nuarias wurden auserkoren, um sie zu retten, darunter Paladin Ricardus Ostrathe...