Eine neue Gefährtin - Kapitel 2

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Der Markt war förmlich überfüllt. Etwa 30 Stände waren wie ein Sardinenschwarm im Eimer aneinander gedrängt und wurden von dem Menschentrubel beinahe ertränkt. Mikalis hatte große Mühe zu erkennen, wo ein Stand begann und welches Angebot er führte. Mehrfach stellte er sich auf seine Fußspitzen, um sich größer zu schummeln, doch selbst damit kam er nicht sonderlich weit. Zudem fehlte ihm die Fußkraft, um diese Pose lange aufrechtzuerhalten. Somit gab er diese Taktik auf und überlegte sich eine andere Herangehensweise.

Indessen untersuchte Ricardus den Markt mit seinen Augen. Da er ein ganzes Stück größer war als der schmächtige Magier, war er in der Lage, sich einen groben Überblick zu verschaffen. Dort, wo sich viele Menschen tummelten, hatte auch er leichte Probleme, alles zu sehen, aber die wesentlichen Dinge nahm er wahr.

"Herr Ostrathes. Würdet Ihr mir Euren Rücken leihen? Ich kann von hier aus nichts sehen. Das ist äußerst unpraktisch bei der Suche nach den Zutaten."

Es war nur ein kleiner Scherz, den er sich erlaubte, damit der Frust über seine mangelnde Körpergröße in Vergessenheit geriet. Jedoch ahnte er nicht, welche Folgen seine leichtsinnigen Worte mit sich zogen. Der stolze Paladin schaute ihm eindringlich in die Augen. Ungewiss, welche Gedanken ihm innewohnten, setzte Mikalis einen Schritt zurück. Das war nicht der Ausdruck einer Person, die über einen Witz lachte oder ihn verurteilte. Nein, Ricardus dachte wahrhaftig über diese Bitte nach. Plötzlich drehte er Mikalis seine Rückseite zu und begab sich in eine Kniebeuge, sodass der Magier problemlos auf seinen Rücken steigen konnte.

Mikalis' Gesicht wurde bleich wie Schnee. Dieser Mann war in Naivität kaum zu übertreffen. Er tat, was von ihm verlangt wurde, ohne Widerworte zu geben. Auf eine Art war diese Tatsache unglaublich komisch und bewirkte ein bizarres Lächeln auf Mikalis' Lippen. Es geschah nicht alle Tage, dass sich ein Ritter vor einer Person niederer Klasse fast auf die Knie begab. Diese Geste löste ein gewisses Machtgefühl in Mikalis aus, das er gar nicht herbeigesehnt hatte. Diese Bitte hatte er nicht an Ricardus gerichtet, um ihn zu erniedrigen. Er wollte ihn nur etwas aufziehen, hatte allerdings nicht erwartet, dass es so entarten würde.

"Nein, so war das nicht gemeint! Also doch, schon, aber nicht wirklich... Bitte erhebt Euch einfach wieder!" Bislang hatte Mikalis in seinem Leben selten Probleme gehabt, seine Gedanken zu artikulieren, aber gerade war er überfordert mit diesem leichtgläubigen Mann, der einer törichten Jungfrau Konkurrenz machte, die geschworen hatte, bis zum Ende ihres letzten Atemzuges keusch zu bleiben.

Zu spät hatte er seine Worte geäußert, denn schon jetzt waren die Augen der nahestehenden Marktbesucher auf sie gerichtet. Um nicht für weiteres Tuscheln zu sorgen, griff er nach Ricardus' Oberarm und zog ihn daran wieder nach oben. Dieser Akt kostete ihn mehr Kraft, als er zugeben würde, aber immerhin hatte er den Paladin wieder hingestellt.

Entgegen seiner ursprünglichen Erwartungen sah Ricardus nicht wütend aus, sondern lediglich verwirrt. Mit geneigtem Kopf und verschränkten Armen stellte er ihn zur Rede: "Wieso habt Ihr Eure Meinung geändert? Habt Ihr nun eine bessere Sicht als zuvor? Meiner Meinung nach sieht es immer noch genauso voll aus." Er schaute sich in ihrer Umgebung mit flinken Blicken um und bestätigte seine Vermutung: Die Menschenmenge war so dicht und hoch wie vor wenigen Minuten.

"Es ist tatsächlich noch genauso voll. Aber das ist auch gar nicht das Problem. Herr Ostrathes, Ihr solltet lieber über Euren voreiligen Handlungsdrang nachdenken... Nur weil ich eine Bitte an Euch richte, müsst Ihr sie nicht sofort befolgen. Als edler Ritter solltet Ihr die Worte Eures Gefangenen lieber zweimal überdenken", ermahnte Mikalis ihn. Seufzend strich er sich die vorderen Haare nach hinten und schüttelte langsam den Kopf. Wieso musste er ihm das überhaupt erklären? Ricardus war ein erwachsener Mann in einer angesehenen Position, der wenigstens so viel Verstand besitzen sollte.

Nur der Ritter und der Magier können die Prinzessin rettenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt