Banditenversteck - Kapitel 6

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Wenn es darauf ankam, konnte Illya so viel Kraft aus ihrem Körper schöpfen, dass Ricardus und Mikalis nicht ansatzweise mit ihr mithalten konnten. Elfen sollten angeblich ein sehr talentiertes Volk sein, sowohl magisch wie auch physisch äußerst begabt. Nun wurde Mikalis Zeuge, dass diese Elfe zumindest mit ihrer physischen Kondition diesem Ruf gerecht wurde.

"Ich... weiß nicht... ob ich das schaffe...", keuchte Mikalis aus Luftnot. In seiner Sprechpause nahm er einen tiefen Atemzug, aber diese Aktion brachte nur für wenige Sekunden eine Verbesserung. "Wenn wir ankommen, bin ich tot..."

Die Nörgelei des Magiers nahm Ricardus als Anlass, Mikalis' Arm fester zu umfassen und ihr Tempo noch zu erhöhen. "Vielleicht solltet Ihr lieber die Energie Eures Sprechapparates in Eure Beine und Lunge lenken."

Ausnahmsweise war das ein guter Vorschlag, denn Ricardus würde ihn sicher nicht loslassen. Seine Beschwerden an den Ritter zu richten, war nur eine vergebliche Mühe. Beim Rennen zu reden, stahl ihm zusätzlichen Sauerstoff, den er anderweitig wesentlich besser gebrauchen konnte. Die einzige Erleichterung verschafften ihm die schmalen Passagen, in denen Ricardus notgedrungen die Geschwindigkeit vermindern musste, damit sie nicht mit den Wänden kollidierten. Jedoch verdichtete sich der Rauch, je tiefer sie vordrangen. Einerseits hasste Mikalis diesen ungesunden Nebel, der seine Lunge noch mehr strapazierte und ihn zum Husten zwang. Andererseits deutete er es als Zeichen, dass sie ihrem Ziel schon sehr nah waren. Der Ursprung des Feuers war nicht mehr weit entfernt.

Abrupt endete Illyas Verfolgung, als sie in einen offenen Bereich kamen, der bestialisch nach Rauch stank und entsprechend aussah. Die dichten grauen Wolken schränkten Mikalis' Sichtfeld zu sehr ein, um irgendetwas in der Nähe identifizieren zu können. Eventuell lag es aber auch an seinem allgemeinen Sauerstoffmangel, der ihn letztendlich dazu zwang, auf allen Vieren den Boden zu berühren. Mikalis hielt sich mit einer Hand den Mund zu, um den Rauch nicht zu sehr einzuatmen, allerdings verlangte sein Körper nach mehr Luft. Ein widersprüchliches Empfinden seiner Lunge. Wenn er die Luft nur säubern könnte, würde es sich bestimmt bald besser fühlen. Aber Tasaide hatte davon erzählt, dass er wieder zaubern könnte. Demnach wäre es einen Versuch wert, einen kleinen Zaubertrick zur Luftsäuberung vorzunehmen.


* * *


Während sich Mikalis mit der Luft beschäftigte, untersuchte der Ritter mit der größeren Lungenkapazität die Gegend. Mitten im Qualm entdeckte er die knieende Elfe, die den Puls eines ohnmächtigen Diebes am Hals ertastete.

"Er lebt noch. Durch den Rauch muss er bewusstlos geworden sein. In der Nähe liegen noch weitere von ihnen. Bisher scheinen alle überlebt zu haben, aber der Rauch könnte ihre Lungen schon stark geschädigt haben", berichtete Illya.

Nachdem sie den Dieb auf weitere Verletzungen untersucht hatte, stand sie auf und betrachtete den Ritter mit flehendem Blick. "Bitte helft mir, sie zu retten. Ich weiß, dass wir nicht allen helfen können, aber..."

"Ich werde tun, was ich kann", vergewisserte Ricardus ihr mit einem Lächeln. Auch er hatte nicht vor, Menschen sterben zu lassen, wenn es sich abwenden ließ.

Sofort erhellten sich Illyas Gesichtszüge, hingegen verschwand das Lächeln auf Ricardus' Lippen wieder. Die Umgebung war nur schwer zu erkennen, doch er fand keine Ursache für den plötzlichen Ausbruch eines Feuers. Sie selbst konnten es nicht gelegt haben. Andernfalls wären niemals so viele von ihnen dem eigenen Feuer zum Opfer gefallen.

"Ich hatte schon Angst, Euch wäre etwas zugestoßen. Ich bin froh, dass dem nicht so ist", wandte er sich Illya nochmals zu.

Verlegen kratzte sich die Elfe an der Wange. "Oh... Verzeihung. Ich wollte nur unbedingt wissen, was geschehen ist. Und dann sah ich all diese Körper am Boden."

Nur der Ritter und der Magier können die Prinzessin rettenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt