Eine neue Gefährtin - Kapitel 7

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"Und deshalb wollten wir diesen Dieb fangen. Ihr habt also für eine bessere Zukunft dieser Stadt gesorgt, sofern unser Vorhaben im Banditenversteck gelingt!", beendete Mikalis seine Kurzfassung von Illyas Umständen. Mit vielen Gesten und übertriebener Betonung hatte er sie geschmückt, damit der hohl wirkende Mann ihm auch folgen konnte. Sowohl er als auch Illya waren richtig begeistert von seiner Aufführung und klatschten am Ende euphorisch in die Hände. Ricardus hatte sich indessen mit dem gefesselten Dieb beschäftigt und vom Rest der Gruppe abgeschottet. Ihr Streit hatte das Gruppenklima beträchtlich verändert, doch wenigstens schien es die Elfe und den Neuzugang nicht zu stören. Zwar hampelte Mikalis weiter wie ein Kasper herum, doch innerlich bereute er, dass es so ausgeartet war.

Hätte er sich nur entschuldigt, wäre es nicht so weit gekommen. Doch er empfand es auch nicht als richtig, seine Meinung herunterzuschlucken, nur um Ricardus glücklich zu machen. Seine vermeintliche Freiheit hatte er ihm zu verdanken, aber das bedeutete nicht, dass er seinen Verstand beherrschte. Mit dieser Erwartungshaltung wäre der Ritter nicht besser als er. Ob man nun einen Zauber oder ein Druckmittel nutzte, um eine Person zu manipulieren, machte keinen großen Unterschied. In beiden Fällen wurde der Wille desjenigen missachtet. Warum war es also bei dem Mann verwerflich und bei ihm nicht? Mikalis kannte die Antwort. Ein Verbrecher durfte in dieser Welt keinen eigenen Willen besitzen. Dieser Tatsache war er sich schon lange bewusst. Dennoch würde er sich niemals von irgendjemandem brechen lassen. Kein Schmerz und keine Drohung würden jemals stark genug sein, gegen seinen Geist zu gewinnen.

"Ihr seid ja echte Helden! Zu dritt gegen 200 Mann? Ihr müsst ja super stark sein, um das zu schaffen! Wie heißt Ihr denn? Gibt es schon Überlieferungen Eurer anderen Heldentaten?", fragte der große Mann aufgeregt. Sein Auftreten hatte sich komplett gewandelt. Die Ruhe und Besonnenheit, die er zuvor ausgestrahlt hatte, waren einer fröhlichen Neugier gewichen. Wie sich herausstellte, war der in Lumpen gekleidete Mann insgeheim ein großer Fanatiker von Heldensagen. "Ich heiße übrigens Frank! Weil ich so groß bin, nennt man mich auch gerne Frank den Schrank. Sollte ich es einmal zum Held schaffen, hab ich also auch schon einen Titel! Das habt Ihr doch auch, oder? Alle großen Helden haben so etwas!"

Ob 'Mikalis - Magiegenie in Haft' ein guter Titel für einen Helden war? Ziemlich sicher nicht. Und an diesem Punkt hörte seine Kreativität auch schon auf. Er war kein Held. In seinem Leben hatte er noch nie irgendeine Heldentat vollbracht, noch je darüber nachgedacht, zum Wohl der Allgemeinheit zu handeln. Dafür waren ihm die meisten Lebewesen nicht wichtig genug, als dass er sich für sie einsetzen würde. Außerdem hatte er auch keine Gelegenheit gehabt, seine Hilfsbereitschaft jemandem anzubieten. Lediglich während Gruts Beziehungskrisen hatte er sich ein paarmal als Kummerkasten versucht, was oftmals nach hinten losgegangen war. Danach war seine Frau noch wütender, also behielt er seine Ratschläge für sich.

"Da muss ich Euch enttäuschen. Wir sind keine Hel-", lautete seine Antwort dementsprechend. Allerdings hatte eine andere Person vorher etwas zu ergänzen.

Ricardus hatte sich wieder zu ihnen gestellt, zusammen mit dem Dieb, den er am Seil hinter sich herzog. "Mein Name ist Ricardus Ostrathes. Der unreife Mann neben mir heißt Mikalis Draelto und die Dame, der wir unsere Hilfe angeboten haben..."

"Illya Urania", stellte sich die Elfe selbstständig vor und verbeugte sich vor Frank. Verlegen blickte sie zur Seite und fing an mit ihren Zöpfen zu spielen. Weshalb sie auf einmal schüchtern wurde, war Mikalis ein Rätsel. Mittlerweile hatte er aufgegeben, ihre Gedanken verstehen zu wollen, und nahm das meiste so hin, wie es kam. Sie war lieb und auf ihre eigene Art lustig. Das genügte, damit sie ihm sympathisch war.

Nun kannte Frank die Namen von allen. Wie Mikalis ihm vorher zu verstehen geben wollte, waren sie keine Helden. Keiner von ihnen besaß einen dieser ausgefallenen Titel, von denen er geschwärmt hatte. Er wartete darauf, dass Frank sich enttäuscht von ihnen entfernte, da er nun die Wahrheit kannte, aber stattdessen ertönte neben ihnen ein lauter und schockierter Ruf: "Ostrathes?! DER Ostrathes? Der Ritter der Sonnengott-Kirche? D-das ist ja unglaublich!"

Nur der Ritter und der Magier können die Prinzessin rettenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt