Es hatte nicht lange gedauert, bis der Dieb ihnen den Ort ihres Verstecks verraten hatte. Wenige Würgegriffe von Frank hatten ausgereicht, um ihn zu überzeugen. Anfangs hatte Illya es noch mit einer vermeintlich gemeinen Grimasse versucht, doch außer Mikalis, Frank und Meppet zum Lachen zu bringen, hatte sie nichts bewirkt. Nachdem sie den Dieb bei der örtlichen Stadtwache abgegeben hatten, vereinbarten sie ihren Treffpunkt am Eingang des Waldes. Meppet und Frank müssten noch ihre Kampfausrüstung holen, erklärten sie.
Eine halbe Stunde später waren sie schon tief in den Wald eingedrungen. Mikalis war noch nie in einem Wald dieser Größe unterwegs gewesen und fürchtete, sich zu verlaufen, sobald er die anderen aus den Augen verlor. Illya versicherten ihnen zwar, dass sie sich hier bestens auskannte, und führte die Gruppe an, aber Mikalis achtete lieber auf Ricardus' Bewegungen, da auf seinen Orientierungssinn bisher Verlass gewesen war. Nichtsdestotrotz konnte er sich nicht davon abbringen lassen, Meppet und Frank, die das Schlusslicht bildeten, verstohlene Blicke zuzuwerfen. Die beiden waren die Ruhe selbst und folgten ihnen brav. Doch sie bemerkten nicht, dass er und Ricardus sie mit großer Skepsis betrachteten seit ihrer Begegnung vor dem Wald. Mikalis hatte von Anfang an eine Vorahnung gehabt, dass die Abenteurer unkonventionelle Methoden anwandten. Allein die Tatsache, dass sich ein Gnom mit einem Halbriesen zusammenschloss, war ein Witz für sich. Von solchen Partnerschaften hatte er noch nicht gehört, doch er würde keine zwischenrassischen Beziehungen verurteilen. Vielmehr bewunderte er ihr freundschaftliches Band sogar, das sich nicht von Vorurteilen durchtrennen ließ. Niemals hätte er aber geglaubt, dass sie jegliche Nähe zur Realität verloren hatten. Was sie begleitete, waren keine Abenteuer, sondern zwei Komödien-Darsteller.
Während Frank in eine Magierrobe gehüllt war, die ebenfalls an einigen Stellen Löcher und Brandflecken besaß und statt Kleidungsstück die Bezeichnung Kartoffelsack verdiente, erkannte man Meppet unter seiner schweren Rüstung kaum noch. Nur seine Augen blitzten ab und zu durch das zugeklappte Visier hindurch. Ihre Rollen im Kampf waren ausgerechnet vertauscht. Frank mit seinem Zauberstab als Waffe, falls dieser dünne, schon zur Hälfte durchbrochene Stab überhaupt diesen Titel verdiente, war der Magier und Meppet mit seinem putzigen Hammer und einem Schild, das genauso groß war wie er selbst, war der Abwehrkämpfer. Auf den ersten Blick hatte Mikalis es als Scherz gewertet und sie darum gebeten, ihre richtige Kampfkleidung anzuziehen. Aber als sie ihn nur stumm angestarrt hatten und ihre Gesichter ernst geblieben waren, war ihm das Lachen vergangen. Seine reuevolle Miene war Ricardus nicht verborgen geblieben und er hatte ihm auf die Schulter geklopft mit der Aufforderung: "Passt gut auf die beiden auf."
Seitdem wollte der Schweiß auf Mikalis' Stirn nicht mehr nachlassen. Hatte er einen Fehler begangen? Das hatte er. Würde er ihn ausbaden können? Darüber war er sich nicht mehr sicher. Ein großer, kräftiger Kerl wie Frank konnte sich selbst beschützen, hatte er gehofft. Mit seinen physischen Fähigkeiten wäre er ihnen bestimmt eine Hilfe. Und Meppet würde bei Gefahr weglaufen können. Bei seiner Größe würde er dem Feind gar nicht auffallen, wenn er flüchtete. Während dieser Annahmen hatte er leider nicht in Betracht gezogen, dass die Zwei dümmer als Grut waren. Franks physische Stärke war nicht von Belang, wenn er zauberte, und Meppet könnte mit dieser schweren Rüstung nicht schnell rennen und sie schepperte obendrein laut. Jeder Feind würde sofort auf ihn aufmerksam werden.
Mikalis blieb keine andere Wahl, als die beiden so weit wie möglich von den Kämpfen fernzuhalten. Sobald ein Gegner auftauchte, musste er ihn innerhalb kurzer Zeit erledigen. Keiner durfte ihnen zu nah kommen. Seine Hoffnung bestand noch in Ricardus, der ein talentierter Ritter war, und in Illya, die zumindest ein wenig Kampferfahrung hatte. Allein würde er diese Aufgabe nicht meistern können, aber mit ihnen zusammen war es nicht mehr ganz so aussichtslos. Allerdings bereitete ihm Ricardus' kalter Blick Sorgen, der ihm deutlich zu verstehen gab, wie enttäuscht er von ihm war. Doch Mikalis war davon überzeugt, dass er Frank und Meppet niemals ihrem Schicksal überlassen würde, sollten sie in Schwierigkeiten geraten. Das wäre nicht seinem Charakter entsprechend. Trotzdem hieß das nicht, dass Mikalis sich zurücklehnen würde und alles Ricardus überließ. Der Halbriese und der Gnom unterlagen seiner Verantwortung, da er sie überredet hatte, mitzukommen.
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Nur der Ritter und der Magier können die Prinzessin retten
FantasyIm friedlichen Land Nuaria ist etwas Schreckliches vorgefallen: Die Prinzessin wurde von der mächtigsten magischen Kreatur entführt - einem Drachen. Die stärksten Ritter Nuarias wurden auserkoren, um sie zu retten, darunter Paladin Ricardus Ostrathe...