Kapitel 6

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"Izzy." Als Titus meinen Namen ausspricht, nachdem er aus einem mehrtägigen Koma erwacht ist, hätte ich beinahe damit gerechnet das seine Frau mich zur Schnecke machen will. Doch diese klammert sich nur an ihrem Mann fest und weint sich die Seele aus dem Leib. Neugierig komme ich näher und bleibe neben dem Arzt stehen. Ein bisschen Sicherheitsabstand ist bestimmt nicht schlecht. "Du kannst nicht gehen.", flüstert der Gestaltwandler mir zu, weshalb ich fragend eine Augenbraue hoch ziehe. "Wieso denn nicht?" Ihm ist anzusehen wie schwer ihm das sprechen fällt, doch er zwingt sich dazu. Wir ignorieren beide den bösen Blick des Arztes.

"Sie brauchen dich." Das ist der Moment wo ich in hysterisches Gelächter ausbreche, wo alles Leid der letzten Jahre mit einem Mal aus mir heraus bricht. Es ist weder angebracht noch lustig, doch es spiegelt meine Gefühlswelt momentan am Besten wider.

"Niemand braucht mich! Seit meiner ersten Wandlung bin ich eine Belastung. Du hast gesehen wer oder besser was ich bin. Ihr alle habt das! Ich bringe jeden in meiner Nähe in Gefahr. Die Wölfe werden meinetwegen wieder kommen! Es ist besser wenn ich verschwinde und die Wölfe gleich mitnehme.", bricht es aus mir heraus bevor ich die Worte zurückhalten kann.

Wütend auf die Wölfe, mich selbst und die ganze Welt drehe ich mich um und verlasse das Krankenlager. Ich bin so wütend, dass ich die Schritte hinter mir beinahe nicht wahrgenommen hätte. Doch ich ignoriere meinen Verfolger und stampfe einfach in den Wald. Selbst als ein wütendes Grollen hinter mir ertönt halte ich nicht an. Als wir eine unsichtbare Grenze übertreten, die mir offenbar entgangen ist, platzt ihm der Kragen. Da ich bereits damit gerechnet habe, dass er nach mir greifen wird bin ich in der Lage auszuweichen. Als wenn nichts gewesen wäre gehe ich einfach weiter.

Ein weiteres lautes Grollen ertönt, von dem sich mir die Haare aufstellen. Alphatiere mögen es nicht besonders wenn man sie ignoriert oder sich ihnen widersetzt. „Dir würde das auch nicht gefallen." Immer dieser Besserwisser in meinem Kopf. Unbeeindruckt setze ich meinen Weg fort, während ich meinen Arm aus der Schlinge nehme und ihn trotz der Schmerzen versuche vorsichtig zu bewegen. Vielleicht werde ich ihn gleich brauchen. Als Lucien nach einigen hundert Metern immer noch nicht aufgegeben hat bleibe ich schließlich stehen und lehne mich an einen Baum.

"Was willst du denn noch?", knurre ich ihn mehr an als das ich ihn frage. Dafür bin ich momentan einfach viel zu aufgewühlt. "Ich kann dich nicht gehen lassen in dem Wissen, dass du dich für uns in Gefahr begibst." Auch seine Stimme ist rauer als sonst, doch wieder nehmen mich seine grauen Augen gefangen. "Es ist meine Schuld das sie angegriffen haben.", gebe ich seufzend zurück und schüttel den Kopf. "Du willst es nicht begreifen oder? Als du Bastien fandest, waren sie hinter ihm her. Das zweite Mal wollten sie Resie haben. Und wahrscheinlich noch einige Kinder mehr."

Seine Worte hallen in meinem Kopf wieder und setzen sich dort fest. Es stimmt. Sie haben nie gewusst, dass ich da bin. Wahrscheinlich dachten sie sogar, dass ich im Fluss ertrunken bin. Was mich zu einer anderen Frage bringt. "Was wollen Sie von euch?" Mehrere Minuten lang hängt diese Frage zwischen uns in der Luft. Ich kann sehen wie er überlegt ob er mir die Wahrheit sagen oder mich einfach gehen lassen soll. Schließlich entscheidet er sich dafür sein T-Shirt auszuziehen. Ich muss mich sehr zusammen reißen um nicht zu starren.

Lucien ist sogar noch durchtrainierter als es sein Oberteil vermuten ließ. Als er beginnt nun auch noch seine Hose zu öffnen wende ich schließlich den Blick ab. Nacktheit ist unter Gestaltwandlern zwar kein Problem, aber jemanden dabei anzustarren um sich alles einzuprägen macht man einfach nicht.

Als ich eine Minute später meine Augen wieder öffne steht kein Mann vor mir, sondern eine große Raubkatze. Ein schwarzer Panther um genau zu sein. "Oh mein Gott.", entfährt es mir flüsternd und ich rutsche am Baum herunter in eine sitzende Position. Selbst mein Tier ist sprachlos als es einen Angehörigen seiner eigenen Art sieht. Lucien ist ein großer Panther mit genauso schwarzem Fell wie ich es habe. "Ich bin noch nie einem anderen Panther begegnet." Ich bin so fassungslos, dass ich alles vergesse was ich an Manieren gelernt habe.

Gefährtin des AlphasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt