Kapitel 8

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Nachdem ich mir den Magen voll geschlagen habe nutze ich die freie Zeit und die entspannte Stimmung um mit einigen neuen und alten Gesichtern aus dem Rudel zu sprechen. Schließlich wird es mir jedoch zu viel. Unauffällig schleiche ich mich weg, um im Wald ein wenig Ruhe zu finden. Ich suche mir den höchsten Baum aus, den ich im Umkreis finden kann, und klettere hinauf, möglichst ohne das geliehene Kleid kaputt zu machen.

Oben im Wipfel angekommen lege ich mich auf einen Ast, der mein Gewicht auch halten kann, und sehe in den Sternenhimmel. "Bist du da?", flüstere ich meinem Tier leise zu, denn ich will wissen was los ist. „Ja, bin ich. Ich habe mich nur ausgeruht und nachgedacht." Erleichterung durchströmt mich. Ich kann es nämlich gar nicht leiden in einer unbekannten Situation alleine dazustehen. "Worüber hast du denn nachgedacht?" „Ob wir wirklich bleiben sollten." "Und zu welchem Ergebnis bist du gekommen?"

Es wird Zeit das wir eine endgültige Entscheidung treffen, denn wenn wir jetzt bleiben haben wir wahrscheinlich später nicht mehr die Kraft zu gehen. „Wenn man die Bedrohung durch die Wölfe außen vor lässt wäre es hier perfekt für uns." Das stimmt. Leoparden und Panther leben hier friedlich nebeneinander und wollen sich nicht gegenseitig ausnutzen. Das Alphatier ist sogar selbst ein Panther. "Diese blöden Wölfe versauen aber auch immer alles. Wie lösen wir das Problem, wenn der ursprüngliche Plan verworfen wird?" Der ursprüngliche Plan zu gehen und die Wölfe so aufzustacheln, dass sie uns mehrere Tage lang folgen. Waghalsig, aber machbar.

„Wir könnten ihnen auflauern und sie nach und nach töten." Ein Lächeln macht sich auf meinem Gesicht breit. So kenne ich meinen Panther. "Du bist aber blutrünstig." Unser Gespräch wird schlagartig unterbrochen, als der Baum auf einmal beginnt zu wackeln. „Als wäre ein Wildschwein gegen den Baum gelaufen.", bemerkt mein Panther belustigt, als wir Luciens breite Gestalt ausmachen können und wie er versucht hier hoch zu kommen. "Sieht eher so aus als wöllte ein dreibeiniger Wolf hier hoch klettern." Das Alphatier scheint wirklich Probleme damit zu haben.

Aber dieser Baum hat unten auch keine Äste und mit den Fingern wird er nicht wie ich in der dicken Rinde halt finden. Den bösen Blick von Lucien ignoriere ich vollkommen und klettere den Baum hinunter, damit er mich nicht wie eine reife Frucht runter schüttelt. Ich traue es ihm zu. "Was gibt es denn?", will ich wissen, nachdem ich die letzten Meter gesprungen bin und strecke mich ausgiebig. Ich bin es nicht mehr gewohnt auf Bäumen zu schlafen. Bereits jetzt beschweren sich meine Muskeln. Oder es liegt an meinen erst kurzzeitig zurück liegenden Verletzungen. Sollte er außerdem nicht bei seinem Rudel sein statt bei mir?

"Ich sehe nach ob du auch keinen Unsinn anstellst.", kommt die brummige Antwort zurück. Offenbar hat ihn mein Kommentar schon sehr gekränkt. Aber wer wird schon gerne mit Wölfen verglichen? "Ich wollte nur die Sterne sehen und die Ruhe genießen.", gebe ich mit einem schulterzucken zurück und wende mich wieder dem Dorf des Rudels zu. "Du musst lernen wieder mit anderen umzugehen. Bastien hat dich vermisst, da bin ich dich suchen gegangen. Sag zumindest irgendjemandem Bescheid wohin du gehst." Mitten in der Bewegung bleibe ich stehen. Ich sollte mich also abmelden wie ein kleines Kind? Sicher nicht!

"Ich bin alt genug um selbst auf mich acht geben zu können. Und das habe ich in den letzten Jahren auch gut hinbekommen! Wenn ihr ein Problem damit habt gehe ich einfach!" Vielleicht ist das ein bisschen hart ausgedrückt, immerhin haben wir beschlossen hier zu bleiben, aber ich muss meinen Standpunkt klar machen. "Du willst dich also nicht unseren Regeln unterordnen?" Die drohende Stimmung ist nicht zu überhören. "Jetzt sag mir eins. Musste sich Titus bei dir abmelden, wenn er was essen gegangen ist?" "Nein." "Oder zu seiner Frau?" "Nein." "Oder wenn er sich mit einem Freund trifft?" "Nein." Bei jedem meiner und seiner Worte wird Luciens Gesichtsausdruck finsterer, aber darauf kann ich jetzt keine Rücksicht nehmen. "Dann sag mir warum ich behandelt werde wie ein Kind.", fauche ich und wende mich zu dem Gestaltwandler um, der vor Wut beinahe am kochen ist.

"Weil du dich nicht in das Rudel integrierst!", knurrt er mich an und kommt soweit auf mich zu, dass wir nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt sind. "Natürlich integriere ich mich! Ich spreche mit allen und verhalte mich so, wie es von mir erwartet wird.", gifte ich ihn an und kann mich nun nicht mehr zurück halten. "Aber du unterwirfst dich nicht!", donnert er zurück und drängt mich soweit zurück, bis ich an einen Baum in meinem Rücken stoße. "Und wie genau sollte das aussehen?", knurre ich zurück und bin nicht bereit klein bei zu geben. „Und genau da liegt sein Problem.", gibt mein Panther trocken zurück. Mein kleines Lippenzucken, welches darauf folgt, scheint das Fass zum überlaufen zu bringen.

Mit einem Knurren beugt er sich vor, ein wütendes Funkeln in den grauen Augen, und beißt mir mit seinem Panthergebiss in die zarte Haut zwischen Hals und Schulter. Die Gefühle, die mich daraufhin durchströmen kann ich im ersten Moment weder einordnen noch beschreiben. Doch als Lucien sich wieder von mir löst überwiegen Wut, Trotz und Empörung.

Wenn er Unterwerfung haben will, dann soll er mal seine eigene Medizin kosten! Instinktgesteuert greife ich seine Hand so, dass er vor Schmerz und Schreck vor mir in die Knie geht. Ich spüre wie sich mein Gebiss verschiebt und die Zähne sich verlängern, kurz bevor sich meine Zähne genau in die Stelle graben, die Lucien zuvor bei mir getroffen hat.

Das Alphatier versucht sich zu befreien, doch bei meinem bedrohlichen Knurren, welches daraufhin meiner Kehle entströmt, hält er still bis ich mich beruhigt habe. Langsam lasse ich von Lucien ab und kann nicht glauben was ich getan habe. Ich habe mich gegen den Alpha gestellt. Genau das, was er mir eben noch vorgeworfen hat.

„Lauf.", flüstert der Panther in meinem Kopf und da ich momentan sowieso nicht denken kann laufe ich einfach los. Und das so schnell ich kann. Ich weiß nicht wohin oder wie lange, doch irgendwann brennen meine Muskeln so sehr und meine Lunge bekommt nicht mehr genügend Luft, sodass ich anhalten muss.

Zitternd hocke ich mich auf den Waldboden, um nach Atem zu ringen und mich zu beruhigen. Nach ein paar Minuten schaffe ich es schließlich mich etwas zu beruhigen und mich umzusehen. Ich weiß zwar nicht wie weit oder lange ich gelaufen bin, doch ich bin wieder an meinem Baumhaus angekommen. Der Anblick meiner schief zusammen genagelten Bretter, die man vom Boden aus kaum sieht, macht mich glücklicher als ich es jemals gedacht hätte. Mühsam richte ich mich wieder auf und zwinge mich dazu den Baum zu erklimmen.

Die etwas dickere Staubschicht ignoriere ich einfach und kuschel mich auf meiner Matratze zusammen. Heute will ich nicht mehr denken. Ich will nur meine Ruhe haben und niemanden mehr sehen. Auch mein Panther ist emotional ausgelaugt. Kommentarlos legen wir uns hin und schlafen augenblicklich ein.

Gefährtin des AlphasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt