• Verlust •
Tiefe Traurigkeit erschütterte mich, als ich den Brief in meiner Hand hielt. Ihn immer wieder von vorne las, drehte und wendete, nur um sicher zu gehen, dass ich nichts falsch verstanden hatte. Tränen zierten mein Gesicht, die ich alle paar Sekunden von meinen erhitzten Wangen wegwischte.
Dennoch lächelte ich. Mein Vater war verstorben, allerdings freute mich der Umstand, dass die dahinsiechende Krankheit ihn von ihren Fesseln befreit hatte.
Schuldgefühle kamen kurz darauf in mir hoch, da ich ihn schon lange nicht mehr gesehen oder mit ihm gesprochen hatte. Behutsam faltete ich den Brief wieder zusammen, verstaute ihn in meinem Schreibtisch und sehnte mich nach einer wohltuenden Taubheit, durch die ich mich heute Nacht, wenn auch nur kurz, besser fühlen würde.
'Rum und zwar eine Menge davon!', ging es mir durch den Kopf und wanderte durch das dunkle Schiff, auf der Suche nach der berauschenden und schmerzlindernden Flüssigkeit, die jeder gute Pirat in seiner Vorratskammer aufbewahrte. Als ich in der Küche angekommen war, schnappte ich mir eine Flasche und nahm ein paar kräftige Schlucke.
Ich rieb mir die Augen vor Müdigkeit. Dennoch war nicht an Schlaf zu denken.
Schwer atmend schlenderte ich durch die kaum beleuchteten Gänge der Death, trank und ließ meine Finger über die Wände neben mir tanzen.
Es war still im Inneren des U-Boots und ich war froh, dass mich keiner in diesem Zustand sah, mich unnötig befragte und mir sein Mitleid kundtat. Schließlich hielt ich inne, als ich ein kleines Licht in der Bibliothek entdeckte, kaum vorhanden. Doch feuerrot in der dunkelblauen Schwärze des Ganges. Neugierig sah ich in den Raum und entdeckte meinen Captain auf der Couch. Sein Blick war nach unten gerichtet, er hielt sich die Stirn und drehte in der anderen Hand ein Glas mit derselben Flüssigkeit darin. Durch das Kerzenlicht leuchtete der Rum wie brauner Zucker. "Du hast also das gute Zeug, Captain!", sagte ich leise und lehnte mich am Türrahmen an. Er schnaufte amüsiert und ließ die Hand sinken, kratzte sich den Nacken und sah mich mit seinen sturmgrauen Augen müde an.
Mein Kopf legte sich schief, als ich ihn so sah. Er wirkte ausgelaugt. Traurig, genau wie ich.Wortlos nahm er ein zweites Glas zur Hand und schenkte mir etwas von seinem Rum ein, stellte es vor sich auf den niedrigen braunen Tisch, um sich wieder in die Couch sinken zu lassen. Ich ging zu ihm, setzte mich und ließ mir den weitaus besseren Alkohol schmecken.
Wir saßen einige Momente so da und es tat gut. Ich spürte seine Wärme, seine Anwesenheit und es ging mir allein durch das Geräusch seiner regelmäßigen Atmung stetig besser. Wenn ich in Laws Nähe war, ging es mir meistens schnell wieder besser, egal wie schlecht gelaunt ich war. Seine grauen Augen wirkten auf viele eiskalt und beängstigend, doch mich beruhigten sie auf angenehme Weise - so wie das weite Meer, das ich immer bewunderte.
"Was ist es bei dir?", fragte der Captain leise und starrte an sich runter, während er eine Hand über die Lehne der bequemen Couch baumeln ließ. Ich kippte mir das halbe Glas in den Rachen und ließ ein Zischen durch meine Zähne entweichen.
"Mein Vater ist gestorben."
"Tut mir leid."
"Danke. Und was ist es bei dir?"
"Das Übliche."
Ich nickte. Vermutlich hatte es mit seiner Familie zu tun. Es gab eine bestimmte Zeit im Jahr, in der Law sich zurückzog. Alle auf dem Schiff wussten über seine Vergangenheit Bescheid, dennoch ließen wir ihn meistens in Ruhe, wenn er so drauf war. Denn es gab nichts, was wir hätten tun können.
Mein Blick wanderte zu ihm, sein Duft stieg mir in die Nase und ich fühlte mich wie berauscht.
Am liebsten würde ich ihn umarmen, aber das wäre mehr als nur unangebracht, deswegen lehnte ich mich nur vorsichtig zurück und sah immer wieder verstohlen in seine Richtung.
Er nippte an seinem Rum und ich sah wie sein Kehlkopf leicht auf und ab ging, bei jedem weiteren Schluck, den er nahm. Aus dem Augenwinkel sah er mich skeptisch an und ich versuchte sofort auszuweichen. Seufzend lehnte er sich nach vorn und fuhr sich gestresst durch sein pechschwarzes Haar.Es schmerzte, ihn so zu sehen. Mein Herz fühlte sich an, als würde es nach diesem verflucht beschissenen Tag explodieren. Räuspernd stellte ich das Glas ab und biss mir auf die Unterlippe.
Ich brauchte Nähe.
Zaghaft schlang ich meine Arme um seine Brust und konnte sein hämmerndes Herz hören, seinen Atem der kurz aussetzte. Ich kämpfte gegen meine Tränen, die sich langsam an die Oberfläche schlichen, weil ich mich in diesem Moment so behütet fühlte, dass es mir fast zu viel erschien. Ein Kampf, den ich schnell verlor und mich beschämt an seine Schulter drückte, um laute Schluchzer zu vermeiden. Mein Körper wurde unruhig und meine Wangen erhitzten sich von der Trauer und Wut, die ich empfand, seit ich diesen Brief empfangen hatte.
Law seufzte und ich dachte er wollte sich aus meiner Umklammerung befreien, ich ließ ihn schnell wieder los. Doch zu meiner Verwunderung umarmte er mich fest, küsste meine Stirn und strich mir sanft über mein Haar.
"Law...", stotterte ich und weinte hemmungslos in seinen Pullover, krallte mich in dem Stoff.
"Schon gut. Ich bin hier, (Name)-ya!" Seine Worte waren mit Abstand das Schönste, das ich seit langem hören durfte. Ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit überkam mich und ich sah ihm direkt in seine grauen Augen, die durch den Kerzenschein funkelten. Unsere Blicke hafteten aneinander, waren intensiv und ich musste schlucken, weil ich keine Sekunde meine verheulten Augen abwenden konnte. Die Irden des Schwarzhaarigen tobten und zogen mich an, als würden sie mich verzehren. Der Captain sah auf meine zitternden Lippen und strich mir sanft über meine Wangen, wischte mit seinem Daumen meine Tränen weg.Er legte seufzend seine Stirn auf meiner ab und schloss die Augen.
Meine Finger vergruben sich in dem dicken Stoff seines gelben Pullovers. Ich wusste nicht, was plötzlich mit uns los war, aber ich fühlte Wogen tiefer Zuneigung zu ihm wie noch nie zuvor. Seine Nase strich sanft über meine und die verbotenen Lippen von Law waren plötzlich zum Greifen nah. Mein Oberköper bewegte sich in seine Richtung, schrie nach ihm und seiner Nähe.
"Wir sollten das nicht tun... (Name)-ya", sagte er zittrig, mit abgehackter Stimme und musste schwer schlucken, um sie wieder in gewohnter Tonart verlauten zu lassen.
"Wieso?", hauchte ich gegen seine Lippen und sah ihn durch den Schleier meiner Tränen eindringlich an. "Weil es auf diese Weise nicht passieren sollte."
Das, was er sagte und das, was er tat, war inkonsequent und konnte nicht unterschiedlicher sein. Noch immer lag seine Hand auf meinem Steißbein, drückte mich näher an sich, während die andere meine Wange liebkoste. Sein Gesicht war meinem so nah, dass ich jeden seiner Atemzüge auf meiner Haut spürte. Ich griff ebenfalls nach ihm, denn ich wollte die letzten Millimeter zwischen uns überbrücken und ihn zwingen seine Lippen auf meine zu legen. Er wandte seinen Kopf etwas ab und kniff seine Augen zusammen, als wollte er jegliche Kraft aufwenden sich gegen mich zu wehren. Ich sah ein, dass ich aufgeben musste und ließ meine Hände sinken, schämte mich, dass ich ihn so bedrängte. "Tut mir leid", murmelte ich und versuchte wieder den professionellen Abstand zwischen uns zu bringen, der zwischen Captain und Crewmitglied herrschen sollte. "Nein.. nicht!", hauchte er mir ins Ohr und zog mich auf seinen Schoß, küsste meine Wange, um anschließend sein Gesicht an meiner Schulter zu vergraben.
"Geh nicht."
Leise Tränen bahnten sich ihren Weg über meine Wangen und hinterließen heiße Striemen, die ich gekonnt ignorierte und nicht mehr wegwischte. Mit einem traurigen Lächeln nahm ich sein Gesicht vorsichtig in die Hände als wäre es aus Porzellan und küsste seine Stirn, klammerte mich an ihn und ließ mich fallen. "Ich gehe nirgendwohin, Law!", flüsterte ich und streichelte sein Haar, während mir der Alkohol, die Trauer und die geborgene Wärme von Law langsam etwas Ruhe schenkten.
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Take some LAW [OS-Sammlung • Trafalgar Law • Reader]
FanficKleine Hirngespinste, wirre Momentaufnahmen und ein klein wenig Würze, die einen Einblick in die Crew der Heartpiraten ermöglicht ❤️. · Ansammlung an fragwürdigen One-Shots · laufend · kann eindeutig sexuelle Inhalte aufweisen · wird stetig überarbe...