6. Kapitel

27 7 0
                                    

„Taavi... Woher kennt sie dich?", fragte Yuta mich irritiert. Tut mir leid, aber mit der Wahrheit kann ich nicht rausrücken. „Glaubst du der etwa? Keine Ahnung, wie die darauf kommt. Ich hab sie noch nie gesehen." Eigentlich tut's mir ja nicht leid. „Wenn du meinst..."

Ich wandte mich wieder zur Tür und wollte diese öffnen. „Wie gesagt, ich gehe jetzt. Danke für eure Hilfe und dass ich hierbleiben konnte." Auch wenn ihr ein Klotz am Bein wart. „Aber es ist mitten in der Nacht, wo wollt Ihr hin?", fragte Tamara, während sie sich die Tränen immernoch zitternd wegwischte.
„Neue Gegenden erkunden. So, wie Reisende das nunmal machen. Außerdem kommen immer mehr Probleme auf einen zu, wenn man zu lange an einem Ort bleibt." Und ich will nicht riskieren, aufzufliegen.

Je länger ich blieb, desto verdächtiger würde ich werden, und diese Göre hatte es geschafft, den Verdacht nochmal zu verstärken.
Ich habe also auf keine Antwort gewartet und die Tür hinter mir geschlossen.

Es war tatsächlich sehr dunkel und die Straßen waren komplett leer. Würde man sich denken, was tagsüber hier los war, könnte man sich garnicht vorstellen, einmal keine Menschenseele draußen zu sehen.
Das einzige Licht, das die Umgebung teilweise beleuchtete, kam vom Mond. Es würde aber bald wieder Tag werden, also konnte ich mich dann auf die Suche nach einem neuen Gasthaus begeben.
Die Mission erfolgreich zu beenden war und blieb meine erste Priorität. "Freunde" wären dabei nur überflüssig gewesen.

„Na, Jungchen? Hast du dich verlaufen?" Ich konnte nicht erkennen, wer oder was das war, aber ich konnte Umrisse einer eher kleineren Person erkennen. Der Stimme nach handelte es sich um eine ältere Frau. „Eigentlich nicht", vorsichtig griff ich nach meinem Schwert. Selbst wenn meine Vermutung zutreffen sollte, konnte ich nicht wissen, ob sie gefährlich war oder nicht.

„Nicht doch. Du willst eine arme alte Dame doch nicht verletzen, oder?" Sie konnte trotz der Dunkelheit meine Bewegungen erkennen. Ich musste vorsichtig sein. „Was wollen Sie?" Sobald ich das fragte, kam Licht von einer Laterne, welche die Frau, die ich nun erkennen konnte, hielt. Meine Augen haben mich nicht getäuscht. Sie war tatsächlich klein mit grauen Haaren und einem dunklen Mantel, welcher sie vor der Kälte schützte. In der einen Hand hielt sie die Laterne und in der anderen einen Gehstock, ohne den sie vermutlich nicht gehen konnte.

„Meine Neugierde hat mich hergebracht. Ich wollte bloß wissen, was ein junger Kerl wie du so spät draußen macht." Sie hatte ein beängstigendes Lächeln im Gesicht, doch sie stand nur da und rührte sich nicht. „Das könnte ich Sie doch auch fragen, oder nicht? Sie können mich ja nicht zufällig bei einem Spaziergang gesehen haben. Nur sehr lebensmüde Menschen würden so spät nachts, wenn man nicht mal seine eigene Hand vor Augen erkennt, rausgehen und sogar eine fremde Person ansprechen. Ich gehe also davon aus, dass Sie mich voller Absicht aufgesucht und nun auch gefunden haben. Oder irre ich mich?"

Ihr Verhalten war mir mehr als suspekt. Vor allem, als sie angefangen hat, lauthals loszulachen, sodass sie sich ohne ihren Gehstock kaum noch aufrecht hätte halten können. „Du bist ein kluger Bursche, weißt du das?" Ich traute meinen Augen nicht, obwohl ich normalerweise nicht wegen solcher Sachen überrascht bin. Der Gehstock verwandelte sich in einen Dolch. Es hatte also nur der Tarnung gedient.
Die Frau kam auf mich zugestürmt und wollte mir ihre Waffe in die Brust rammen, doch ich war schneller und konnte ihren Angriff mithilfe meines Schwertes abblocken.

„Du denkst, du kannst mich täuschen, aber ich weiß sehr wohl, dass du einer von ihnen bist, du Verräter! Wie kannst du es wagen, auch nur einen Schritt in unser Königreich zu machen?" Ich ignorierte ihre Worte und sie flog auch sehr bald auf den Boden. "Denk bloß nicht, dass du gewonnen hast! Es gibt viele mehr, die sich nicht einfach in die Irre führen lassen. Du wirst schon se-" Mehr konnte sie durch den Stich meines Schwertes nicht sagen, doch ich wusste, dass sie recht hatte. Bereits zwei Personen haben meine Wahre Identität herausfinden können. Ich musste achtgeben.

Ihr Verwandlungszauber ließ durch ihren Tod nach und sie verwandelte sich zurück in ihre ehemalige Gestalt. Ich musste schnell weg, bevor mich jemand neben ihrem leblosen Körper sah.

Kurze Zeit später sah ich, wie der Himmel sich langsam orange und violett färbte. Ich war mehrere Stunden lang gegangen. Bei dem ganzen Training, welches wir damals in Andeon absolvieren mussten, war dies ein Kinderspiel.
Ich erinnerte mich noch daran, wie ich damals mein Schwert vom König bekommen hatte. Ich war einer seiner besten Schüler, weshalb ich die beste Waffe auch verdient hatte. Er hat mir anvertraut, dass ich in brenzligen Situationen immer einen Joker hätte. Ich hatte diesen noch nie zuvor verwendet, aber ich wusste, was passieren würde, würde ich ihn einsetzen.

Die Straßen füllten sich langsam mit Menschen und einpaar gaben schon früh am Morgen damit begonnen, Lebensmittel und Textilien zu verkaufen. Diese Stadt unterscheidet sich nicht wirklich von Andeon. Auch dort gibt es große und kleine Märkte und Kneipen an jeder Ecke.

Ich wusste noch, wie mein Vater immer mit meinem Bruder, welcher älter war, und mir trainiert hatte. Doch als er bemerkt hat, wie gut ich war, hat er sich hauptsächlich darauf konzentriert, mich stärker zu machen und mir mehr Sachen beizubringen. Meinen Bruder hatte er dabei oft nicht beachtet, was ihm natürlich zu schaffen gemacht hat. Er ging so gut wie jeden Tag in die Kneipe und kam meist betrunken nachhause. Mein Vater war kurz davor ihn rauszuwerfen, doch meine Mutter hat ihn verteidigt, bis er schließlich selbst gegangen ist. Das war vor mehreren Jahren, und ich habe seitdem nichts von ihm gehört.

"Aah!", ein Mädchen fiel vor mir mit einem Korb voller Äpfel, welche nun alle auf dem Boden herumrollen, hin. Kinder sind so tollpatschig, aber ich kann das jetzt schlecht ignorieren. Also kniete ich mich hin und sammelte ein paar Äpfel auf, welche ich dann wieder zurück in den Korb legte. „Ähm, danke." Ich wusste, dass sie verwirrt war. Immerhin war ich ein Fremder, der versuchte, hilfsbereit zu sein. Sowas tat ja niemand. Sehr suspekt.

„Mein Gott, Tjede! Was tust du immer?", eine Frau kam zu uns gelaufen. Als sie mich erblickte, blieb sie jedoch stehen. „Er hat mir geholfen", sagte das Mädchen und stand mit dem Korb auf. „Oh, na dann. Vielen Dank jedenfalls, meine Schwester kann ab und zu etwas ungeschickt sein." „Das stimmt doch garnicht!" „Doch, das stimmt, und nun lass uns gehen." Sie nahm die Hand von ‚Tjede' und beide winkten mir noch zu, bevor sie weg waren.

Nun konnte ich mich wieder darauf konzentrieren, ein anderes Gasthaus zu finden. Ich hatte bisher kein weiteres gesehen. Komisch. Gab es hier nur so wenige? Sollte ich jemanden fragen? Draußen waren noch nicht besonders viele, weshalb ich weiterging. Je näher ich dem Stadtzentrum kam, desto näher war ich dem Schloss. Ich konnte es von weitem sogar sehen. Nicht ganz, aber einpaar Türme. Schon bis hierhin merkte man, wie sehr es glänzt. Der Himmel widerspiegelte sich im Schloss, was diesem einen hellblauen Ton verlieh.

Ich ging in Richtung Palast und bald kamen immer mehr Menschen aus ihren Häusern und Wohnungen. Die Märkte waren viel größer als am Rand der Stadt, was nicht wirklich verwunderlich war, und es wurden viel mehr Waren angeboten. Es gab auch ein paar Blumenläden und kleine Apotheken mit verschiedensten Heilkräutern. Doch hier gab es auch immer mehr Wachen. Als ich ankam, habe ich kaum welche gesehen, doch nun waren sie an jeder Ecke. Ich fragte mich, ob das einen bestimmten Grund hatte. An einem schwarzen Brett in der Nähe hingen mehrere Zettel und Plakate.

Ich ging hin und versuchte etwas zu erkennen, doch es war umringt von aufgebrachten und neugierigen Leuten. „Was soll das?" „Das kann doch nicht wahr sein!" „Wann ist er ausgebrochen?" „Sie hätten besser aufpassen müssen!" „Diese Wachen können garnichts."
Wer war ‚er'? Ich drängte einpaar Leute beiseite und sah mir das Brett genauer an. Das konnte nicht wahr sein. Seit wann war er hier?

Destiny - The Three KingdomsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt