11. Kapitel

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Langsam hatte ich mich an den Alltag hier im Schloss gewöhnt. Bei Tagesanbruch aufstehen, sobald die Sonne aufgeht. Danach hatte man zehn Minuten Zeit, um sich fertig zu machen. Betten machen und anziehen. Sobald der Kommandant den Raum betritt, in einer Reihe aufstellen und durchzählen.

Schließlich führt er uns hinaus über den gesamten Schlosshof, bis wir bei dem großen Saal für das Frühstück der Soldaten ankommen. Jede Einheit hatte genau eine halbe Stunde Zeit zum Essen, bevor es zu den Trainingsplätzen geht.

Bevor die Morgenröte noch zur Gänze verschwunden ist, fangen wir schon an zu trainieren. Und wir hörten erst wieder auf, sobald die Dämmerung hereinbricht.

Während die anderen ihre Trainingspartner suchen und mit den Übungen beginnen, lehnte ich mich immer erstmal an den Zaun, der den Übungsplatz eingrenzt, um auf den Kommandanten zu warten.

Als ich schon einige Trainingseinheiten gehabt hatte, ist der Kommandant einmal zu mir gekommen. Ich saß auf einer Bank am Rande des Platzes und beobachtete die anderen, wie sie sich bei ihren Übungen abmühten.

Ich hatte jeden meiner Gegner mit Leichtigkeit besiegt. Doch ich nahm es ihnen nicht übel. Viele von ihnen waren erst Anfänger oder hatten noch nie ein Schwert in der Hand gehalten, somit war das verständlich. Es machte mir nichts aus besser zu sein. Das einzige Problem, das ich hatte, war, dass ich somit keinen würdigen Trainingspartner hatte.

„Was tut Ihr hier, Kadett? Gefaulenzt wird hier nicht!"

Ich sah zu dem Kommandanten hoch. Gelangweilt. Und seufzte.
„Ich habe das hier nicht nötig. Ich habe jeden meiner Gegner schnell besiegt. Sobald sie besser trainiert sind, werde ich mich nochmal mit ihnen messen. Vielleicht sind sie dann halbwegs so stark wie ich."

Ich legte meine Beine ausgestreckt neben mich auf die Bank, und verstränkte meine Arme hinter dem Kopf.

Der Kommandant beäugte mich weiterhin missmutig.
„Ihr denkt also, Ihr seid der Beste hier. Der Einzige, der alle Techniken beherrscht und immer den Durchblick behält. Derjenige, der alle mit Leichtigkeit übertrumpfen kann."

Er kam langsam auf mich zu und beugte sich zu mir hinunter, sodass sein Gesicht ganz nah bei meinem war.

„Ich verrate Euch ein Geheimnis."

Er lächelte leicht. „Auch ich bin ein begnadeter Schwertkämpfer und bin deshalb noch lange nicht so eingebildet wie Ihr. Ich bin ein Offizier höheren Ranges und habe mich trotzdem dazu herabgelassen, unerfahrene Anfänger wie Euch zu unterrichten, obwohl ich zu diesem Zeitpunkt an der Front stehen und meinen Freunden im Kampf zur Seite stehen könnte."

Er lehnte sich wieder zurück und ich blickte ihn erstaunt an. Wollte er mir jetzt etwa eine Moralpredigt halten?

„Ihr habt noch viel zu lernen."
Mit diesen Worten drehte er sich um und ging.

Ich konnte es nicht fassen. Hatte er mich etwa dennoch zu den unerfahrenen Anfängern gezählt?

„Ich dachte ich hätte meine Fähigkeiten ausreichend unter Beweis gestellt? Seid Ihr noch nicht überzeugt?"
Ich stand schwungvoll auf und ging ihm hinterher.

„Vielleicht sollte ich...", fing ich an, doch der Kommandant wirbelte plötzlich herum und hielt mir sein Schwert an die Kehle. Mir stockte der Atem. Das hatte ich nicht kommen sehen.

„Ihr habt genau gar nichts unter Beweis gestellt. Höchstens Eure Dummheit und Leichtsinnigkeit. Ihr seid kein Schwertmeister und auch kein Soldat."

Seine Augen blitzten vor Zorn. "Nicht solange Ihr mich nicht besiegt habt."
Ich fing an zu grinsen. "Das lässt sich einrichten."

Und so ungerne ich es auch zugeben mag, ich habe seitdem jeden Tag mit ihm trainiert und konnte ihn dennoch nicht besiegen. Er bewegte sich schnell und unvorhersehbar, sodass ich nicht wusste, wo ich verteidigen musste und wie mein nächster Angriffsversuch aussehen sollte. Es war zum verrückt werden.

Der Kommandant war bloß ein wenig älter als ich, vielleicht fünf Jahre, also hatte ich Hoffnung, ihn noch einholen zu können.

Er sagte mir immer wieder, dass ich noch viel zu lernen hätte und mittlerweile verdrehte ich bloß noch die Augen bei diesem Satz. Auch wenn ich ihn noch nicht besiegen konnte, war ich noch immer der beste unter den Kadetten, und das musste wohl etwas heißen.

Zwar hatte sich nach den einenhalb Wochen, die ich jetzt schon hier lebte, Kiras Warnung in keinster Weise bewahrheitet und ich hatte auch weder etwas Ungewöhnliches noch etwas Gefährliches wahrgenommen.

Doch als ich in diesem Moment um die Ecke zu den Quartieren der Soldaten bog, entdeckte ich etwas, das sogar ziemlich ungewöhnlich war. Wenn nicht sogar gefährlich.

Eine Blutlache auf dem Boden. Das Blut war noch nicht getrocknet. Das bedeutet, hier gab es jemand frisch Verletzten. Jemand, der vermutlich angegriffen wurde.
Ich legte die Hand auf mein Schwert.

So viel Blut... Die Person musste tötlich verwundet sein, möglicherweise war sie sogar schon tot. So einen großen Blutverlust überlebt man schwer.

Ich ging einige Schritte weiter, immer darauf bedacht, nicht zu laut zu sein, um potentielle Angreifer nicht auf mich aufmerksam zu machen.

Ich entdeckte eine Blutspur die von der Lache wegführte, vorbei an den Schlafsälen der Soldaten, hinein in den Hof. Ich packte mein Schwert fester.
Doch als ich um die Ecke bog, bot sich mir ein fürchterlicher Anblick.

Da lag eine Leiche. Doch es war nicht einfach nur ein toter Mensch. Ihm wurden beide Hände abgehackt, die nun neben ihm verstreut lagen, in einer davon hielt er noch einen kleinen Dolch. Sein Körper war seltsam verdreht und unnatürlich verrenkt, sodass sein Oberkörper zwar am Bauch lag, doch sein Kopf nach oben sah.

Als ich näher kam, sah ich sein Gesicht. Er starrte mich aus Augenhöhlen an, dessen Augäpfel fehlten.

Ich untedrückte den Drang, mich zu übergeben.

Destiny - The Three KingdomsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt