Indara betrachtete sich im Spiegel. Es war ein großer, ovaler Spiegel mit goldenem Rand. Was war auch anderes zu erwarten? Beinahe alles war in diesem Palast, nein, in dieser Stadt, mit Gold geziert. Der Spiegel war groß genug, dass Indara sich von Kopf bis Fuß darin betrachten konnte. Und was sie sah, war ungewohnt, aber gefiel ihr.
Caliv hatte ihr, nachdem er ihr am Brunnen seine Geschichte erzählt hatte, den gesamten Palast gezeigt. Indara hatte recht behalten, dieser Palast hatte unzählige Räume. „Das hier ist eines der fünf königlichen Badezimmer." verkündete Caliv als er die Tür zu einem strahlenden Zimmer öffnete. Eine Badewanne, so groß, dass 3 Mann darin Platz hatten, stand mitten im Raum. Das Zimmer war gefliest. In die Fliesen waren gelbe und blaue, geschwungene Linien eingelassen. An der Wand, gegenüber der Tür, prangte ein rechteckiger Spiegel. Er nahm die komplette Wand ein. „Wow." stammelte Indara. „Sieht jedes der fünf Badezimmer so aus?"
„Nein. Das ist das ist das kleinste der fünf. Die anderen sind noch königlicher." Caliv lächelte und legte den Kopf schräg. „Weiter geht's, wir haben noch einiges vor uns." Indara folgte Caliv weiter, den langen Flur hinunter. Caliv führte sie in einen Festsaal, der seinem Namen alle Ehre machte. Es war ein wirklich festlicher Raum. Indara stellte sich vor wie hier ein Tanzball stattfand. Mädchen in wunderschönen Kleidern. Junge Männer in Uniformen, junge Männer wie Caliv, die den Tanz mit den Mädchen anführten. Bis Indara den gesamten Palast gesehen hatte verging einige Zeit. Dieser Palast hatte eine große Küche, einen Speisesaal, eine eigene Schneiderei, Zimmer in denen Betten und Schränke standen. Indara nahm an es waren Zimmer, die nur bewohnt wurden, wenn der König Besuch empfing. In Sindans Zimmer gingen sie nicht. Caliv kommentierte es im Vorbeigehen lediglich mit einem „Dieses Zimmer gehört Sindan. Ich selbst war noch nie darin gewesen, auch wenn er sicherlich nichts dagegen hätte. Aber wenn du es gerne sehen möchtest, halte ich es für besser wenn du ihn selbst danach fragst." Indara nahm seine Worte lautlos zur Kenntnis. Als die beiden alle Zimmer in Augenschein genommen hatten, brachte Caliv Indara zurück auf ihr Zimmer. Unterwegs lief Sindan ihnen über den Weg. „Hallo ihr beiden. Caliv, hast du ihr alles gezeigt?" begrüßte er sie. „Jawohl, Sindan. Das habe ich. Begonnen haben wir im Garten." „Ach ja, der Garten. Das Herzstück des Palastes und der ehemalige Lieblingsort des Königs." Sindan sah traurig aus als er das sagte. „Vielen Dank, Caliv." „Danke" sagte auch Indara zu Caliv gewandt. „Nun, da die Prinzessin erst einmal nicht alleine den Palast verlassen sollte, schlage ich vor, dass du vorerst eines der Gästezimmer hier im Palast beziehst." Indara nahm an es handele sich hierbei um die Zimmer, die mit nicht mehr als einem Bett und einem Schrank, hier und da ein paar Gemälden von Lilinea ausgestattet waren. „Nimm am besten das erste Zimmer der rechten Seite, im oberen Stock." Caliv blickte Sindan überrascht an. Sindan schien das zu bemerken und fügte hinzu
„Es ist einfacher dich aus dem Zimmer im oberen Stock zu uns zu rufen, wenn die Prinzessin den Palast verlassen möchte, als aus deinem Haus am Rande der Stadt. Ich bestehe darauf, Caliv." Sindan klang zu keiner Zeit erbost, er klang bestimmt und dennoch freundlich. Er sprach mit Caliv nicht wie mit einem Bediensteten.
„Ich werde das nötigste aus meinem Haus hierher holen." Er drehte sich um und entfernte sich in Richtung der großen Flügeltür am Eingang.
„Ach, und Caliv?" rief Sindan ihm hinterher. Caliv blieb stehen.
„Natürlich bist du heute Abend zum Essen bei uns im Speisesaal eingeladen." Caliv lächelte und nickte zustimmend, bevor er sich erneut umdrehte und davon ging.
„Das Abendessen gibt es in einer guten Stunde im Speisesaal. Wenn du möchtest hole ich dich von deinem Zimmer ab. Ich weiß nicht, wie vertraut Dir der Weg von deinem Zimmer bis zum Speisesaal schon ist." Tatsächlich wusste Indara den Weg nicht mehr. Sie war froh dass sie sich an den Weg von dem langen Flur, in dem sie standen, bis zu ihrem Zimmer erinnern konnte. Caliv, der sie eigentlich bis zu ihrem Zimmer begleiten wollte, war nun schließlich auf dem Weg zu seinem Haus. Sie musste einfach bis zum Ende des Flures gehen, dort nach rechts abbiegen. Ihr Zimmer lag auf der linken Seite. Es war das einzige Zimmer, dessen Tür aus weißem Mamor bestand. Alle anderen Türen waren aus gewöhnlichem, weißen Holz gefertigt. Naja, vielleicht nicht ganz so gewöhnlich, denn in Talitan gab es keine Bäume, die einen weißen Stamm besaßen.
„Sehr gerne." antwortete Indara und Sindan nickte zufrieden.
„Während ihr den Palast besichtigt habt, lief ich zur Schneiderin des Palastes. Sie hatte einige Kleider übrig, die bestellt, aber nie abgeholt wurden. Die kleine Schneiderei im inneren Mandalays gibt von Zeit zu Zeit einige Aufträge an die Palastschneiderei weiter, wenn sie den Bestellungen nicht mehr nachkommen. Zwar haben sie einige Hilfsmittel, um schneller arbeiten zu können, jedoch muss die gesamte Stadt mit Kleidung versorgt werden. Ich habe sie dir auf das Bett gelegt." Indara bemerkte, dass sie immer noch den blauen Strickpullover und die Hose trug, die eine Wäsche nötig hatten. Soeben wurde ihr das Vorhaben, hier neue Kleidung zu kaufen wohl aus der Hand genommen. Viel Geld hatte Indara ohnehin nicht dabei. In Talitan half sie in einer kleinen Bäckerei aus und der Lohn war spärlich. Sindan lächelte sie an und schritt an ihr vorbei. Bestimmt ging er in sein Zimmer, das Caliv und sie nicht betreten hatten. Es lag in der Richtung, in die Sindan nun lief. Seine schwarzen Schuhe mit niedrigem Absatz gaben laute Geräusche von sich, wenn sie auf dem Mamorboden aufkamen. Sie verstummten erst, als Indara ihn schon nichtmehr sehen konnte.
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Die Prinzessin von Lilinea
FantasyWas ist zu tun, wenn man als armes Mädchen in die wohl schönste und reichste Stadt der Welt bestellt wird? Indara wird aufgrund eines Briefs, von ihrem verstorbenen Vater in die goldene Stadt geschickt. Als sie im Palast Sindan, dem besten Freund i...