Unter einer weißen Rose

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Calivs Gefolge an Soldaten hatte seinen Auftrag ausgeführt und zwei von ihnen waren gerade in den Festsaal getreten und gesellten sich zu Indara, Caliv und Sindan.
Sindan hatte alle Kronleuchter, die prächtig von der Decke hingen entzündet, ebenso wie alle Kerzen, die im Raum aufzufinden waren. Es war ein Zeichen seiner Dankbarkeit, dafür dass Indara noch lebte, dass sie noch rechtzeitig gefunden wurde.
Einer der beiden Soldaten war klein und hatte schütteres Schwarzes Haar, der andere wirkte noch jung, Indara hatte ihn noch nie gesehen. Wahrscheinlich war er neu.
Stolz aber mit missmutigen Gesichtern stellten sie sich nebeneinander vor den Dreien auf. Der Anblick und der Körperkontakt zum toten Körpers Aras, hatte ihnen zugesetzt. Es war immerhin alles andere als angenehm einen ermordeten Menschen durch den Wald um zum nächsten Fluss zu schleppen, wo sie ihn ins kalte Wasser schmeißen mussten, wie Ihnen geheißen war.
„Wir haben ihn in den Thunos geworfen." sagte der Ältere Soldat.
Der Thunos war ein breiter reißender Fluss, der nicht weit außerhalb der lileanischen Stadtmauern durch die unbesiedelte Landschaft floss. Dort würde so schnell niemand vorbeikommen, und Aras entdecken. Indara hatte den Fluss auf einer Karte des Maritanischen Reichs entdeckt, die sie studiert hatte, als sie den Palast nicht verlassen durfte. Der Fluss mündete am linken oberen Ende der Landkarte ins offene Meer. Vielleicht würde es die Leiche bis dorthin schaffen, wo sich hoffentlich die Haie über das Fleisch hermachten. Dann brachte der Mord an Aras wenigstens einen Vorteil mit sich: die Haie mussten sich an diesem Tag keine Mühe machen Beute zu fangen. Wenn das Fleisch bis dahin nicht sowieso schon verrottet war und von Krebsen und Fischen von den Knochen geknabbert wurde.
Vor gut zwei Wochen hatte Indara es gehasst, sich zwangsweise im Palast aufhalten zu müssen, jetzt war sie froh, wieder in den schützenden Mauern des imposanten Bauwerks zu sein. Sie fühlte sich hier zuhause und wenn sie Sindan und Caliv anblickte, breitete sich ein angenehmes Gefühl in ihrem Bauch aus. Hier war sie sicher. Sicher vor heimtückischen Entführungen. Sicher vor wahnsinnigen Herrschsüchtigen.
„Und habt ihr ihm auch das Gesicht zerschnitten?" fragte Sindan, der am Kopf der langen Tafel saß, den Teller voll beladen mit Rebhuhn. Mit der Rückkehr Indaras hatte er auch seinen Appetit, sowie die Röte von Bart und Haaren wiedererlangt. Die Furchen in seinem Gesicht schienen flacher und seine Züge waren freundlich und freudig. Auch Indara schaufelte sich hungrig das Rebhuhn und andere Beilagen in den Mund, die die Köche und Köchinnen heute schon früher als sonst herauf gezaubert hatten. Es war Mittag, noch lange nicht acht Uhr, doch sie alle waren hungrig gewesen, als Indara und Caliv den Palast betreten hatten. Also beschloss Sindan nach einer minutenlangen Umarmung schluchztend, dass das Essen heute vorgezogen werden sollte. Er berichtete der Küche von der Änderung der Mahlzeit und Anschließend führte Sindan sie in den Festsaal, damit Indara von den schrecklichen Ereignissen erzählten konnte. Vorher zog sie sich allerdings in ihr Zimmer zurück. Sie wollte ihre Wunden versorgen und aus dem dreckigen Kleid heraus, das nicht mehr als ein Lumpen war.

Wie Indara schon Caliv alles erzählt hatte, was sie erlebt und von Aras erfahren hatte, so berichtete sie auch Sindan alles, was ihr einfiel. Die ganze Zeit saß Caliv ihr gegenüber und schwieg.
„Sie sind Unwissend darüber, was Egon angetan wurde." wand Caliv ein, bevor einer der Soldaten antworten konnte. Indara hatte nur ihm erzählt, was mit ihrem Vater geschehen war, dass Aras ihm bis zur Unkenntlichkeit das Gesicht verstümmelt hatte bevor er ihn im Fluss ertränkte. Die anderen Soldaten wussten nicht, wieso sie die Leiche gerade in einen Fluss werfen sollten anstatt sie einfach zu verbrennen oder zu vergraben. Allerdings hatte auch keiner von ihnen danach gefragt, alle waren gehorsam Calivs Anweisung gefolgt.
Sindan nickte wissend und dankte den Soldaten. Die brachten ihm ebenfalls ein höfliches Danke entgegen und zogen ab.

Sindan wandte sich Indara zu.
„Ich bin so froh, dass du wieder bei uns bist, mein Kind." sagte er. Indara befürchtete, er würde jeden Moment wieder weinerlich werden. Sie wollte ihn nicht weinen sehen.
„Ich auch. Und Aras wird keinen Schaden mehr anrichten."
„Es tut mir so leid, was er deinem Vater angetan hat." Tatsächlich, jetzt rann Sindan eine perlengroße Träne die Wange hinab.
Indara griff seine Hand und drückte sie. In den letzten Wochen war Sindan neben Caliv zu dem wichtigsten Menschen in ihrem Leben geworden. Ein Dutzend mal hatte sie sich für das entschuldigt, was sie ihm zugemutet hatte, als sie fortgegangen war.
Doch Sindan war nicht sauer gewesen, er nahm sie jedes Mal in den Arm, wenn sie versuchte sich zu entschuldigen und beteuerte, wie froh er doch war, dass es ihr gut ging.
Das alles ist allein meine Schuld, Indara. Hatte er gesagt, als sie ihn das erste mal um Verzeihung gebeten hatte, direkt als sie ihn in seinem Zimmer vorfanden und er sie weinend in die Arme geschlossen hatte.

Die Prinzessin von LilineaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt