Hideaway

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Ich wusste nicht genau, warum ich gerade zu ihm ging. Was ich wusste, war, dass das Bild mich in Panik versetzte. Was wenn Rodolphus recht hatte? Was wäre dann mit mir? Was hätte das zu bedeuten? Falls es überhaupt etwas zu bedeuten hatte. Der Gedanke, dass etwas an mir nicht stimmen könnte und ich es mein ganzes Leben lang nicht bemerkt hatte, machte mir Angst. Ich wollte nicht mit Sirius darüber sprechen, weil ich Angst hatte, er würde mich nicht ernst nehmen. Wer würde mich denn überhaupt ernst nehmen, wenn ich mit einem Märchenbuch vor ihm stand? Der einzige mit dem ich reden konnte, war Rodolphus und ich hatte keine Ahnung, wie ich mit ihm in Kontakt treten sollte. Er hatte gesagt wir würden uns für eine lange Zeit nicht sehen und ich hatte das Gefühl, dass er verschwinden wollte. Wie sollte ich ihn da finden? Außerdem misstraute ich meinem Cousin. Die Sache in der Bibliothek war äußerst merkwürdig gewesen und ich hatte keine Ahnung wer dahinter steckte. Wollte Rodolphus mich in eine Falle locken? Ich wollte zumindest auf keinen Fall hinein tappen. Am Ende wäre ich die, die blöd genug war, um auf ein altes Märchen reinzufallen!
Nein, ich brauchte Zeit, um nachzudenken, um das alles zu verarbeiten und das konnte ich nicht, wenn ich in London die ganze Zeit von meinen Freunden umgeben war. Ich brauchte jemand, der verstand, dass ich nicht reden wollte. Und da fiel mir eine Person ein die das besser verstehen würde, als jeder andere. Also fuhr ich schnell zurück in unsere Wohnung, warf die wenigen Sachen, die ich bereits ausgepackt hatte zurück in meinen Koffer und ging wieder. Kurz überlegte ich, ob ich Sirius einen Zettel oder so etwas schreiben sollte, aber ich war viel zu sehr durch den Wind, um mir etwas überlegen zu können, das ich schreiben könnte.

Als ich an der Tür klingelte war ich trotzdem unsicher. Würde er mich wegschicken? War das hier eine schlechte Idee? Aber ich hatte keine Zeit um lange darüber nachzudenken. Die Tür öffnete sich und ich war erleichtert, dass er es war, der sie öffnete, auch wenn er ziemlich überrascht aussah mich zu sehen. Einen Moment lang musterte er mich, dann seufzte er tief.
,,Was ist mit dir passiert?"
,,Ich brauch mal ein paar Tage, um über ein paar Sachen nachzudenken, in Ruhe. Kann ich eventuell bei dir bleiben?" fragte ich vorsichtig.
,,Remus, wer ist es?" rief eine weibliche Stimme von drinnen. Ich ging davon aus, dass es seine Mutter war.
,,Eine Freundin aus der Schule Mum" rief er zurück und sah mich dann unschlüssig an. ,,Weiß Sirius, dass du hier bist?"
,,Nein."
,,Silvi, er ist mein bester Freund, ich-"
,,Vergiss es, ich geh wieder" unterbrach ich ihn schnell. Es war eine dumme Idee. Ich würde ihn nur in Schwierigkeiten bringen. Ich wollte mich gerade umdrehen und gehen, als er die Tür ganz aufmachte und mich abwartend ansah.
,,Komm schon rein. Aber wenn das hier schief geht, dann bist du schuld."
,,Danke Remus" ich lächelte kurz. ,,Du bist zu gut für diese Welt."
,,Ich weiß."
Ich folgte ihm ins Innere des Hauses. Ich war noch nie bei Remus zuhause gewesen. Wir hatten ihn ein paar Mal abgeholt, wenn James, Sirius, Cora und ich ihn in den Ferien besucht hatten. Deshalb wusste ich auch wo er wohnte. Aber ich hatte immer draußen gewartet und war noch nie im Haus gewesen. Es war nicht besonders groß, aber dafür sehr gemütlich eingerichtet. Es war ein richtiges zuhause, genau so wie man sich das vorstellte, mit Familienfotos an der Wand und so. Schnell streifte ich meine Schuhe ab und folgte Remus den Flur entlang.
,,Wenn du an Weihnachten hier her kommst, dann musst du auch meine Eltern kennenlernen" meinte er und deutete auf eine Tür. Ich hatte ganz vergessen, dass ja Weihnachten war. Aufeinmal fühlte ich mich schrecklich unhöflich hier einfach so aufzutauchen, aber ich nickte nervös und folgte ihm dann in, was offenbar das Wohnzimmer war. Eine andere Wahl hatte ich wohl nicht.
Das Wohnzimmer war ebenfalls ziemlich klein. Es gab einen Kamin, in dem ein helles, warmes Feuer brannte und einen Weihnachtsbaum, der bis an die Decke ragte und über und über mit Lametta bedeckt war. Neben dem Kamin saßen ein Mann und eine Frau auf einem alten Ledersofa. Nervös lächelte ich die beiden an. Ich war nicht besonders gut mit Eltern. Noch nie gewesen.
,,Mum, Dad, das ist Silvi. Sie ist eine Freundin aus Hogwarts. Sie möchte ein paar Tage bei uns bleiben, wenn das geht?"
Verlegen starrte ich auf den Boden. Es war mir irgendwie unangenehm, hier einfach so aufzutauchen und ihnen all diese Umstände zu machen. Aber ich wusste wirklich nicht, wo ich sonst hin sollte.
,,Silvi, aber natürlich, wir haben schon so viel von dir gehört" Remus Mutter strahlte mich sofort an. ,,Setz dich, setz dich. Ich bin Hope und das ist Lyall."
Ich lächelte ein wenig unbeholfen und ließ mich von ihr in einen Sessel, neben dem Kamin drücken. Sie war eine kleine, dürre Frau, mit dunkelblondem Haar und sanften blauen Augen, die ich so gut von Remus kannte.
,,Möchtest du etwas trinken? Hast du Hunger? Wir haben noch Reste vom Abendessen von gestern und-"
,,Mum, du überforderst sie" Remus ließ sich grinsend neben seinen Dad aufs Sofa fallen.
,,Ist ja gut. Schatz, geh doch schon mal in die Küche und Silvi und ich unterhalten uns ein bisschen. Du kennst nicht zufällig Mary, wir hören so viel von Mary, aber er hat sie uns noch nie vorgestellt" neugierig sah Lyall mich an.
,,Mum" Remus warf ihre einen gequälten Blick zu und ich musste ein wenig grinsen.
,,Ähm ja Mary - Mary ist toll."

Es war ein sonniger Wintertag und ich bewunderte gerade den glitzernden Schnee, von Remus Schlafzimmerfenster aus, als er das Zimmer betrat und sich neben mich setzte. Eine Weile schwiegen wir uns an, dann seufzte er tief und ich wandte mich vom Fenster ab. Es war offensichtlich, dass er etwas wollte.
,,Die Ferien sind fast vorbei. Und Sirius ist am Ausrasten, er hat dich überall gesucht, du musst ihm sagen, dass du hier bist."
Ich hatte die ganzen Ferien bei Remus verbracht. Seine Eltern waren die gastfreundlichsten Menschen, die ich jemals kennengelernt hatte, vielleicht mal von den Potters abgesehen, und hatten mich ohne zu fragen aufgenommen. Aber die Ferien waren nun fast vorbei. In drei Tagen würden wir zurück nach Hogwarts fahren und ich würde unweigerlich auf Sirius treffen. Das ließ sich nicht vermeiden. Und ich vermisste ihn auch schrecklich. Ich wollte ihn sehen und mich entschuldigen und ihm alles erklären, aber nicht so. Was sollte ich ihm denn sagen? Bisher hatte ich nichts in der Hand, außer diesem seltsamen Buch. Und Sirius würde sauer sein. Wirklich sauer, da war ich mir sicher.
,,Ich brauch einfach nur ein bisschen Zeit. Ich rede mit ihm, wenn wir wieder in Hogwarts sind" versprach ich. Die Wahrheit war, ich hatte keine Ahnung, was ich Sirius sagen sollte, ich wusste ja selbst nicht mal, was ich von der ganzen Sache denken sollte. Und er würde verdammt sauer sein.
,,Silvi du versteckst dich jetzt seit einer Woche bei mir zuhause. Wir müssen was sagen, das macht doch alles nur noch schlimmer. Sirius bringt mich um."
,,Wohl eher mich" murmelte ich finster.
,,Quatsch, dich liebt er viel zu sehr."
,,Da wäre ich mir nicht mehr so sicher."
Ich fühlte mich schrecklich, wirklich. Ich hatte mich niemals zwischen Sirius und Remus stellen wollen, aber ich hatte nichts wo ich sonst hinkonnte. Ich war zu pleite für ein Hotel, meine Freundinnen würden sofort hunderte Fragen stellen, die Potters waren nach meinem Verschwinden alle ziemlich sauer auf mich, da war ich mir sicher und ich konnte Sirius jetzt nicht gegenüber treten. Nicht so lange ich keinerlei Antworten auf die Fragen hatte, die er mir zweifellos stellen würde.
,,Es tut mir leid Remus, wirklich. Vielleicht kann ich mit meiner Großmutter reden. Vielleicht kann ich ein paar Tage bei ihr bleiben" überlegte ich. Ich wollte auf keinen Fall, dass Remus wegen mir Streit mit Sirius bekam.
,,Du hörst nicht zu, ich will nicht, dass du gehst" aufgebracht lief er vor mir auf und ab. ,,Ich will, dass du das klärst."
,,Ich kann nicht. Wirklich nicht" verzweifelt sah ich aus dem Fenster und versuchte nicht zu weinen, auch wenn ich Tränen in mir aufsteigen fühlte. Remus seufzte tief und ließ sich dann mir gegenüber auf seinen Schreibtischstuhl fallen.
,,Okay. Möchtest du wenigstens mir sagen, was los ist?"
Zögernd sah ich Remus an. Ich wollte ihn nicht noch mehr zwischen die Fronten bringen, aber irgendwie schuldete ich es ihm auch, ihm die Wahrheit zu sagen.
,,Ich kann ein Geheimnis bewahren, glaub mir" er lächelte leicht und ich musste ebenfalls lächeln. Remus hatte mir sein größtes Geheimnis anvertraut, das mindeste, was ich tun konnte, war ehrlich zu ihm zu sein.
,,Ich hab Sirius versprochen nicht mehr mit Rodolphus zu reden. Aber an Weihnachten, stand er auf einmal einfach vor unserer Tür" begann ich. ,,Sirius war so wütend, er ist einfach gegangen. Und Rodolphus hat mir - er hat mir Dinge erzählt, Dinge über mich, über meine Familie. Ich weiß nicht so genau, was stimmt und was nicht, ich hab es bis jetzt nicht ganz verstanden. Aber ich muss es rausfinden, verstehst du?"
,,Und warum kannst du nicht mit Sirius sprechen?"
,,Weil Sirius Rodolphus nicht glaubt. Er versteht es nicht. Und ich hab Angst. Ich hab Angst, dass wenn ich die Wahrheit rausfinde, dass das dann alles verändert. Dass das dann mich verändert" unsicher starrte ich auf meine Hände, um ihn nicht ansehen zu müssen. Ich hatte keine Ahnung, ob Remus irgendwas von meinen wirren Erzählungen verstand, aber es tat gut, das ganze mal auszusprechen,
Remus sah mich lange an und sagte nichts. Dann fragte er schließlich: ,,Warum würde das alles verändern?"
,,Weil ich dann nicht die Person wäre, die ich geglaubt habe zu sein" versuchte ich zu erklären. ,,Dann war alles irgendwie eine Lüge."
,,Nur weil sich etwas in deinem Leben ändert, macht dich das nicht zu einer anderen Person. Du bist immer noch du. Glaub mir ich kenn mich aus" er lächelte mich schief an.
,,Danke" murmelte ich und fuhr mir über die Augen. ,,Ich sag Sirius alles. Versprochen. Ich brauch einfach nur noch ein paar Tage Zeit."
,,Okay" seufzend stand er auf. ,,Er wird mir nur den Kopf abreißen, daran stirbt schon keiner."

I might be crazy but at least I'm free - Blood is thicker than waterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt