3. Das Chaos der Gefühle

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„Hey ..., Ron ..., weißt du, was mit Hermine los ist?", fragte Harry gedämpft, stupste seinen Freund mit dem Ellenbogen an und deutete zugleich auf die Gryffindor, welche in diesem Moment breit grinsend durch den Eingang der großen Halle auf sie zukam. „Hey Jungs", begrüßte Hermine die beiden und setzte sich ihnen gegenüber auf die Bank. „Geht es dir gut?", fragte Ron, der genauso verwirrt wie Harry das Verhalten seiner Mitschülerin beobachtete. „Ja, wieso nicht?", meinte diese schlicht und sah flüchtig hinüber zum Lehrertisch, von wo aus sich Navas Blick kurzzeitig mit ihrem traf. Ron wandte sich erwartungsvoll Harry zu. Der jedoch zuckte unwissend mit den Schultern. Nava mochte die kleine Gryffindor, auch wenn sie gestern nur für kurze Zeit bei ihr in der Bibliothek gewesen war.

Sie hatte bekanntlich ein Händchen für Kinder, mied aber trotzdem jeden Kontakt, der über den normalen Umgang hinausging. Bei Hermine war es anders.

In der kleinen Gryffindor erkannte sie einen Teil von sich selbst wieder, denselben, der es auch ihr erschwert hatte, sich in der Gemeinschaft einzufinden. Doch verglichen mit der Kleinen war es ihr um einiges besser ergangen. Sie hatte Dumbledore immer hiergehabt und mit ihm Rückhalt sowie gute, hilfreiche Ratschläge. Bei diesem Gedanken fiel ihr auf, dass von ihrem Vater heute Morgen noch immer keine Spur zu sehen war. Der Platz neben ihr blieb leer und das Geschirr unbenutzt. Sie ließ ihren Blick weitergleiten und sah, dass auch Severus Snape nicht am Frühstück teilgenommen hatte. Das allerdings war keine Seltenheit und so dachte sie nicht weiter darüber nach. Für ihren Vater jedoch erachtete sie dies als vollkommen untypisch, folglich konnte etwas nicht stimmen. Da sie seit ihrer Rückkehr ohnehin nur wenige Worte mit Dumbledore gewechselt hatte, beschloss Nava nach ihm zu sehen.

Sie klopfte dreimal energisch an die Tür, bevor sie sich leise daran lehnte und lauschte. „Ja ...", ertönte nun unverkennbar seine Stimme. Nava betrat das Büro, sah seine blauen Augen angespannt über das hohe Bücherregal wandern. So wie er dort stand, wirkte er gänzlich abwesend, geradeso, als hätte er bereits wieder vergessen, dass er sie eben hineingebeten hatte. Sie hielt inne, beobachtete für einen kurzen Moment seine Haltung. „Stimmt etwas nicht?", fragte sie schließlich, was ihn unsanft aus der geistigen Versunkenheit riss. Er wandte sich um, worauf sein Blick den ihren traf und er wieder ins Hier und jetzt zurückkehrte. „Oh, Nava ... mir ist gerade nur etwas durch den Kopf gegangen, nichts, worüber du dir Gedanken machen müsstest", beruhigte er sie und ging hinüber zu seinem Schreibtisch, auf dem ein kleines Tablett mit Zinnkanne und Becher bereitstand. „Tee?", fragte er, doch Nava schüttelte den Kopf. Sie stand noch immer stocksteif an der Tür und rätselte über den Zustand ihres Vaters. Dessen Worte veranlassten sie nun, die Stufen zu ihm hinaufzusteigen. „So wie ich das sehe, beschäftigt es dich recht intensiv – genug, dass du dafür das Frühstück ausgelassen hast", erwiderte sie und stellte sich oben angelangt direkt neben ihren Vater. Dieser füllte seinen Becher, trank einen Schluck und signalisierte, wenn auch unbeabsichtigt, dass er dieses Thema nur ungern weiter ausführen wollte. Im nächsten Moment ergriff er ihre Hand, stellte das heiße Getränk zurück auf den Tisch und suchte schweigend nach den richtigen Worten. „Hör zu, mein Kind – ich weiß deine Sorge um mich zu schätzen, aber ich möchte dir keine Last auferlegen. Bitte glaube mir, dass ich dir nichts verheimlichen werde, was du wissen musst, aber das hier ist wirklich nicht von Belang für dich. Noch nicht", brachte er ihr schonend bei, doch sie gab sich damit nicht zufrieden.

Schon zu oft hatte er versucht, jedwede Gefahr von ihr fernzuhalten. „Und du glaubst, wenn du daraus ein derartiges Geheimnis machst, beruhigt mich das?", meinte sie kritisch und warf ihm einen schiefen Blick zu. „Nein, das tue ich wahrhaftig nicht, doch wirst du es akzeptieren müssen. Es ist nur zu deinem Besten", gab er entschieden zurück und sah diesen Inhalt damit für sich beendet. Nava jedoch wurde das Gefühl nicht los, dass die Sache etwas mit ihr zu tun hatte, denn da waren diese Worte wieder: ‚zu deinem Besten'. Woher sollte er wissen, was zu ihrem Besten war? Mit einem leichten Ruck entzog sie Dumbledore ihre Hand. „Ach wirklich – das kannst du unmöglich behaupten. Ich habe in den letzten Jahren so viel gesehen und erlebt und auch, wenn ich noch immer nichts über meine leiblichen Eltern weiß, habe ich endlich zu mir gefunden ... Dad, was ist, wenn ich nicht immer aus allem herausgehalten werden will?", warf sie ein und spürte, dass sich etwas in ihm zu lösen begann. „Ich bin kein kleines Kind mehr, ich möchte dir helfen." Seine Züge wurden weich, beinahe traurig, denn sie hatte ihn gerade an DAS erinnert, was er ihr ein Leben lang verschwiegen hatte. In solchen Momenten bereute er, ihr nicht schon längst alles erzählt zu haben, doch er wusste auch, dass es genauso töricht wäre, es jetzt zu tun. Die Wahrheit würde, sobald die Zeit dafür reif war, von selbst ans Licht finden – mit oder ohne seine Hilfe. „Es tut mir leid, Nava. Ich habe nie beabsichtigt, dir deine Entscheidungen vorwegzunehmen, doch dieses Mal ist es besser, wenn so wenige wie möglich davon wissen. Vertrau mir. Bitte", bat er und sah ihr flehentlich in die Augen. Natürlich vertraute Nava ihm, das hatte sie immer getan und bisher war es auch das Richtige gewesen. Doch jetzt war sie erwachsen und nicht mehr das kleine Mädchen von früher. Sie besaß ihren eigenen Kopf und einen guten Sinn für Täuschung und Wirklichkeit. Was jedoch ihren Vater betraf, war sie blind. „Das tue ich, Dad – das weißt du", antwortete sie, in der Hoffnung, es später nicht bereuen zu müssen.

Der Schein trügtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt