Kapitel 10

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Am Dienstag Nachmittag verfolgte Tina die Generalprobe von Magyck! Es lief alles perfekt. Joel Bandiri der die Generalprobe vom ersten Rang aus verfolgt hatte, stürmte zu Tina hinauf. 》Wir habens geschafft, wirklich geschafft! Wir haben einen Hit gelandet!

Glaubst du, Joel?

Glauben? - Ich weiss es! 《

In vier Stunden würde die Premiere für Magyck! beginnen. Der Parkwächter brachte Tinas Wagen, und sie gab ihm Trinkgeld.

Hals und Beinbruch für heute Abend, Tina.《 wünschte er ihr.

Oh gott, ich hoffe es so sehr!

Um Viertel nach vier war sie zu Hause. Sie hatte zweieinhalb Stunden Zeit, bis sie wieder ins Hotel zurückfahren mußte. Da sie nicht soviel Zeit benötigte,  um zu duschen, sich zu schminken und anzukleiden, beschloß sie, mit dem Einpacken von Dannys Sachen anzufangen. Sie glaubte, in ihrer augenblicklichen Hochstimmung dieser unangenehmen Pflicht gewachsen zu sein; nicht einmal der Anblick seines Zimmers würde sie wie sonst immer in tiefe Depression stürzen können, so großartig fühlte sie sich momentan.  Wozu sollte sie es also, wie ursprünglich geplant, bis Donnerstag aufschieben? Sie würde genügend Zeit haben, wenigstens die Kleider des Jungen einzupacken. Als sie Dannys Zimmer betrat, sah sie auf den ersten Blick, daß die Staffelei wieder umgeworfen worden war. Sie stellte sie auf. Zwei Wörter standen auf der Tafel NICHT TOT . Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. War sie nachts,  nachdem sie den Bourbon getrunken hatte, hierher zurückgekommen und..? Nein!

Sie hatte keinen Blackout gehabt. Sie hatte diese Wörter nicht geschrieben. Sie war nicht daran, den Verstand zu verlieren. Sie war nicht die Sorte von Mensch, die vor Kummer wahnsinnig wurde. Sie war hart im Nehmen. Sie war immer stolz auf ihre Zähigkeit und Kraft gewesen. Sie griff nach dem Filzschwämmchen und löschte die Botschaft. Jemand trieb einen grausamen Scherz mit ihr. Jemand war während ihrer Abwesenheit ins Haus gekommen und hatte diese beiden Wörter wieder auf die Tafel geschrieben. Jemand wollte ihr die Tragödie, die sie verzweifelt zu vergessen versuchte, immer wieder in Erinnerung bringen. Plötzlich fiel Tina ein, wer dafür verantwortlich sein könnte. Es war der einzig mögliche Verdächtige. Michael! Es gab kein Anzeichen dafür, daß jemand gewaltsam ins Haus eingedrungen war, und Michael besaß immer noch einen Schlüssel. Sie hatte nach der Scheidung die Schlösser nicht auswechseln lassen. Michael hatte ihr Dannys Tod zum Vorwurf gemacht. Er war über den Verlust seines Sohnes so erschüttert gewesen, daß er noch Monate nach dem Begräbnis außerordentlich gehässig zu ihr gewesen war. Weil sie Danny erlaubt hatte, jene Fahrt mitzumachen, machte Michael sie für den Unfall verantwortlich. Aber Danny hatte sich diese Reise sehr gewünscht. Außerdem hatte so Mr.  Jaborski, der Anführer der Pfadfinder, seit vierzehn Jahren jeden Winter ein solches überlebenstraining veranstaltet, und kein einziger Junge war dabei jemals auch nur im geringsten verletzt worden. Sie begaben sich schließlich nicht wirklich in die Wildnis, sondern hielten sich nur fern von belebten Wegen. Alles war äußerst sorgfältig geplant und bestens organisiert. Völlig ungefährlich. Alle hatten ihr versichert, daß überhaupt nichts passieren könne und, daß eine derartige Erfahrung für einen Jungen sehr nützlich sei. Woher hätte sie auch wissen sollen, daß Mr.  Jaborskis fünfzehnte Fahrt mit einer Katastrophe enden würde? Dennoch hatte Michael ihr heftige Vorwürfe gemacht. Sie hatte geglaubt, er wäre in den letzten Monaten endlich zur Vernunft gekommen, aber offenbar hatte sie sich getäuscht. Sie ging wütend in die Küche, nahm den Telefonhörer ab und wählte Michaels Nummer. Nach fünfmaligem Klingeln sah sie ein, das er nicht zu Hause war, und sie legte auf.  Vermutich arbeitete er. Die beiden Wörter, weiß auf schwarz, waren eingebrannt in ihr Gedächtnis NICHT TOT . Sie würde Michael nachts anrufen,  wenn sie von der Premiere und der anschließenden Party nach Hause käme.  Es würde ziemlich spät werden, aber es war ihr völlig egal, ob sie ihn aufwecken würde oder nicht. Sie stand mitten in der kleinen Küche und versuchte die Willenskraft aufzubringen, Dannys Kleidung einzupacken. Aber sie konnte sich einfach nicht dazu durchringen,  sein Zimmer wieder zu betreten. Heute nicht mehr. Und vielleicht würde sie nun mehrere Tage nicht dazu imstande sein. Verdammter Michael! Im Kühlschrank stand eine halbvolle Flasche Weißwein. Sie schenkte sich ein Glas ein und trug es ins Bad. Sie duschte ausgiebig ließ das heiße Wasser minutenlang auf ihren Nacken prasseln,  um ihre steifen Muskeln zu lockern. Nach der Dusche trug der kalte Wein dazu bei, ihren Körper vollends zu entspannen, aber er verfehlte seine Wirkung auf ihre geistige Verfassung. Von Unruhe getrieben hatte sie immer wieder die Tafel vor Augen NICHT TOT.

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Na was meint ihr? Will sich Michael bei ihr Rächen? Oder war es vielleicht jemand anders der sich einen Scherz erlaubte? Oder ist Danny tatsächlich nicht tot, und hat selbst die Botschaft geschrieben? Aber wenn das so wäre wieso kommt er dann nicht persönlich zu seiner Mutter?

Lasst mich eure Meinungen hören :)

Die Augen der DunkelheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt