8 - Auf eigener Mission

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Einer der Wachmänner nickte Ellie freundlich zu, als sie die Hängebrücke passierte, die seit dem ärgerlichen Vorfall mit den unfreundlichen Eindringlingen nicht mehr nach unten gelassen worden war. Sie fühlte sich matt und ihre Glieder schmerzten. Sie wusste nicht, wann sie zum letzten Mal eine vollständig durchschlafene Nacht genossen hatte. Noch immer verfolgten die Stimmen der Männer, die in jener Nacht so geräusch- und spurlos aus der Anstalt verschwunden waren, sie in ihren unruhigen Träumen.

Es war ein schöner Tag. Der kühle Frühlingswind hatte inzwischen nachgelassen und der Sommer kündigte sich mit immer heißer werdenden Sonnenstrahlen und Sonnenbränden auf den Nacken der fleißigen Feldarbeiter an. Bald würde die Erinnerung an die Erlöser von dem geschäftigen Treiben auf dem Anstaltsgelände verschluckt werden und das Bild der feindseligen Männer langsam im pfirsichfarbenen Licht des Sommers verblassen.

Ellie versank beinahe in der viel zu großen Männerjacke, die sie trug, deren Ärmel ihre Hände gänzlich verschluckten und deren Kragen ihr aufgestellt beinahe bis zur Nase reichte. Die Jacke war gefüttert und das dicke Leder bewirkte, dass ihr jedes Mal, wenn sie die Anstalt verließ, schon nach wenigen Sekunden die langen Haare schweißnass im Nacken klebten. Elijah und Owen hatten darauf bestanden, dass sie das Kleidungsstück ununterbrochen trug, wenn sie sich unter der Sonne bewegte, um einen Sonnenbrand, der auf ihrer schneeweißen Haut vermutlich bereits nach wenigen Minuten erschienen wäre und für ihre Gesundheit wohl mehr als schädlich sein würde, zu vermeiden. Eigentlich hatten die beiden auch auf einen riesigen, abgetragenen Cowboy-Hut mit breiter Krempe bestanden, von dem Ellie sich aber Gott sei Dank hatte befreien können, indem sie versprochen hatte, nie länger als eine Stunde draußen zu verweilen. Eine kleine, harmlose Notlüge.

Nun stand sie da, unter den dicken Ästen eines gigantischen Apfelbaumes und wünschte sich, doch zur Abwechslung einmal auf ihren Bruder gehört zu haben. In ihrem Kopf pochte es und ihre Augen brannten fürchterlich, doch sie brachte es nicht über sich, die frische Luft und die zwitschernden Vögel schon wieder auszusperren. Außerdem gab es ja einen Grund, warum sie so leidend hier in der prallen Hitze wartete. Fürsorglich strich sie über den Rucksack an ihrem Rücken, den sie vorsorglich nicht nur mit einem kleinen Proviant, sondern auch mit einem alten Kompass, einer angesengten Stadtkarte und einer frisch geschliffenen Axt befüllt hatte, von der sie allerdings hoffte, sie nicht verwenden zu müssen.

Mit nachdenklichem Gesichtsausdruck setzte sie sich ins weiche, grüne Gras, zupfte unschlüssig an den Grashalmen, die ihre Knie kitzelten und fragte sich, wann die beiden Männer, auf die sie nun schon bestimmt seit mehr als zehn Minuten wartete, endlich auftauchen würde.

Sie hatte einige Anstaltsbewohner über ein anstehendes Treffen sprechen hören, bei dem Elijah und Owen als Anführer der Auferstandenen ihre Pläne für die Zukunft der Anstalt und die der Gruppe ankündigen wollten. Sie selbst hatte keine Aufforderung dazu erhalten, an der Sitzung teilzunehmen und vermutete dahinter daher eine geheime Mission oder Erkundungstour, zu der sie sich nun endlich einmal melden wollte.

Sie war noch nie bei einer Versorgungstour, geschweige denn bei einer Tour mit dem Ziel, Überlebende ausfindig zu machen, dabei gewesen. Die Anstalt hatte sie seit dem Einzug mit den Auferstandenen nicht mehr verlassen und sich darauf beschränkt, den Bewohnern lediglich im Inneren der hohen Zäune und des rauschenden Wassergrabens zur Hand zu gehen. Tiere füttern, Unkraut jäten, Gemüse pflegen, Obstbäume abernten, kochen und Karten für die „Abenteurer" erstellen, wie die anderen Anstaltsbewohner die mutigen Männer und Frauen der Versorgungstrupp manchmal ehrfürchtig nannten, das waren ihre Aufgaben gewesen. Und eigentlich hatte sie sich in dieser Rolle des „Mädchen für alles" stets sehr wohl und aufgehoben gefühlt, doch seit dem Besuch der Erlöser hatte sich diese Auffassung ihres eigenen Lebens grundlegend geändert und es war ihr, als wäre ein längst verstaubter Schalter in ihrem Kopf umgelegt worden. Sie wollte nicht mehr stumm bei Kämpfen zusehen, die sich vor den Zäunen abspielten und um deren Ausgang bangen, sie wollte selbst das Geschehen beeinflussen. selbst die Sicherheit ihrer Freunde und Familie sichern und ihren Wert, als wichtiges Glied der Gemeinschaft beweisen. Sie wollte endlich auch eine Abenteurerin sein.

SAVED - Der letzte Tag auf Erden // Eine The Walking Dead FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt