24 - Wiedersehensfreude

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Das plötzlich auf ihr Gesicht fallende Sonnenlicht blendete Ellie und sie hatte die Augen noch nicht vollständig geöffnet und spürte nur unter einem Stiefel knirschenden Kies, da schlang sich bereits ein Paar starker Arme um ihre Mitte, hob sie hoch und wirbelte sie durch die warme Luft. Der vertraute Geruch von Pinienseife und Schweiß stieg ihr in die Nase und beinahe hätte sie laut aufgeschluchzt.

Elijahs Bart kratzte sie an der Stirn, als er ihr Gesicht so fest gegen seine Brust presste, als wollte er sie nie wieder loslassen.

"Du bist wieder da.", flüsterte er immer und immer wieder, bis seine Stimme vor Erleichterung und Rührung zu zittern begann. "Du bist wieder da."

Ellie blinzelte. Zum einen, wegen dem grellen Sonnenlicht, das sich nach den Stunden, die sie durch die Kanalisation geirrt war wie eine Explosion in ihren Augen anfühlte und zum anderen, um die Tränen zu vertreiben, die sich in ihren Augenwinkeln zu sammeln begannen. Eine Woge der Glückseligkeit durchschwappte sie. So heftig, als wollte sie sie von ihren ohnehin wackligen Füßen reißen.

Sie bemerkte erst, dass ihr die Tränen über die Wangen liefen, als Elijah sie nach einer Ewigkeit, die sich wie ein Augenblick angefühlt hatte, wieder losließ und sie den nassen Fleck auf seinem hellen Hemd bemerkte. Sie schniefte schuldbewusst und wischte sich mit einem entschuldigenden Lächeln über das Gesicht.

"Wir haben uns solche Sorgen gemacht, Ellie.", tönte da eine weitere, bekannte Stimme vom Eingang der Anstalt und sie musste sich zusammennehmen, um nicht auch Owen mit verheultem Gesicht um den Hals zu fallen und auch sein Shirt mit ihren Tränen zu ruinieren. Ein Blick in sein Gesicht hielt sie davon ab. Seine dunklen Augen waren noch trauriger als gewöhnlich und auch ihm war ein unordentlicher Bart gewachsen, der den Großteil seines Kinns bedeckte und ihn um viele Jahre älter aussehen ließ. Es passte schlicht und einfach nicht zu ihm. Außerdem - sie wusste allerdings nicht, ob sie es sich vielleicht einbildete - erschienen seine Wangen ihr irgendwie eingefallen.

"Es... es tut mir so... so leid.", stammelte sie und hasste, wie schwach und brüchig ihre Stimme dabei klang. Sie wünschte, sie könnte die richtigen Worte finden, um die schiere Größe ihrer Schuldgefühle auszudrücken. "Ich wollte das alles nicht."

Elijah antwortete nicht, legte nur erneut seinen Arm um sie und legte sein Kinn auf ihren Scheitel. Owen trat ebenfalls an sie heran und strich ihr mit langsamen, beruhigenden Bewegungen über den Rücken. Sie verstand und verstummte.


Von diesem Moment an schwebte Ellie förmlich durch die Anstalt. Als würde sie von einer dicken, fluffigen Wolke aus purem Glück getragen. Sie bemerkte nicht, wie die Zeit verging oder das Wetter sich vor den Toren veränderte. Sie spürte nicht einmal, als ein hektischer Auferstandener ihr zwischen Tür und Angel versehentlich auf den Fuß trat. Sie existierte einfach, schwelgte in der Milde, die ihr geschenkt worden war und konnte immer noch nicht ganz glauben, dass es sie hierbei nicht einzig und allein um einen langen, grausamen Traum handelte.

Immer wieder erwartete sie, gleich wieder in dem schrecklichen, grauen Schlafzimmer in Negans Burg zu erwachen, wo das Sonnenlicht, egal wie stark es auch scheinen mochte, immer von verrußten Fensterscheiben abgedämpft wurde und das laute Rufen der Bewohner kalt und mechanisch klang, wie das von Robotern. Doch sie erwachte nicht, schlief einfach weiter und so erlaubte sie es sich, den Traum zu genießen, für wie lange er auch andauern mochte.

Kaum war sie durch die Eingangstore der Anstalt getreten, wurde ihr auch schon eine Decke um die zitternden Schultern geschlungen und eine Tasse dampfenden Schwarztees erschien wie aus dem Nichts zwischen ihren klammen Fingern. Sie nippte daran und verbrannte sich prompt die Lippen, doch ihr Lächeln verschwand nicht. Honig und Milch, genau wie sie ihn am liebsten hatte.

SAVED - Der letzte Tag auf Erden // Eine The Walking Dead FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt