SAVED - Der letzte Tag auf Erden // Eine The Walking Dead Fanfiction

19 - Walkdown

Elijahs schweißnasse Hände ballten sich unwillkürlich zu Fäusten, als er seine Schwester aus dem zerbeulten Wagen seines Erzfeindes steigen sah. Nur mühsam unterdrückte er den Brechreiz, der mit einem Mal seine Kehle emporstieg, als Negan Ellie die Tür aufhielt und ihr leise etwas zuflüsterte, woraufhin sie für den Bruchteil einer Sekunde gequält das Gesicht verzog. Ihr helles Haar schimmerte silbern im grellen Licht der tief stehenden Nachmittagssonne und dunkle Augenringe gruben sich tief in ihre eingefallenen, blassen Wangen. Hatte sie geschlafen? Gegessen? Eine bereits verkrustete Schramme zog sich von ihrer Stirn bis zu ihrer Schläfe und an ihrem Kinn schimmerte ein bläulich-violetter dunkler Fleck. Sie sah auf.

Der Anführer der Auferstandenen spürte, wie sich sein bester Freund neben ihm ebenfalls versteifte und widerstand dem Drang, sich zu ihm umzudrehen. Wäre Owens Ruhe-spendende Präsenz nicht gewesen, hätte er sich schon längst auf den Entführer seiner Schwester gestürzt und ihm eigenhändig seinen ölig dunklen Haarschopf ausgerissen. Er konnte sich kein verabscheuungswürdigeres Schicksal vorstellen als seine eigene Ohnmacht.

Lediglich eine Strecke von fünfzig Metern trennte sie von Negans ausrangiertem Pickup-Truck.

5 Sekunden, schoss es Elijah durch den Kopf. Vier, wenn ich mich wirklich beeile.

In Elijahs Geist starb Negan alle paar Sekunden einen neuen Tod - jeder grausamer als der andere - und er musste seinen Unterarm gegen die raue Rinde des Baumes hinter ihm pressen, um sich mit dem latenten Schmerz zurück in die Gegenwart zu holen, in der der Anführer der Erlöser leider immer noch atmend und lebend hinter seiner Schwester aufgebaut dastand.

Niemand sprach ein Wort. Einige Sekunden lang herrschte nichts als Schweigen auf der sonnenbeschienen Lichtung, die in einer fernen Vergangenheit wohl einmal ein Parkplatz gewesen war und man hörte nichts außer dem heiteren Zwitschern der Vögel und dem leisen Plätschern eines Flusses irgendwo in der Ferne.

Hinter Elijah und Owen, im Wagen den sie sicherheitshalber nicht allzu weit entfernt abgestellt und in Fluchtrichtung ausgerichtet hatten, ertönte leises Schluchzen. Glücklicherweise ließ sich auf die Entfernung nicht erahnen, dass Tanya nicht aus Angst vor den Auferstandenen weinte, sondern aufgrund der schieren Panik vor ihrem Mann.

Elijahs Fingernägel bohrten sich schmerzhaft in seine Handinnenfläche. So fest, dass sie Spuren hinterlassen würden. Doch es war ihm egal. Er betrachtete Ellie, die einen Schritt vor Negan in der Mitte der Lichtung stand wie ein aufgeschrecktes Reh und dabei mit halb zusammengekniffenen Augen hilflos in alle Richtungen blickte. Eliah wusste, dass sie in diesem grellen Licht nur bedingt sehen konnte und nahm sich vor, die Begegnung mit Negan so kurz wie nur irgend möglich zu gestalten. Zuhause wartete neben einem verdunkelten Zimmer auch schon ihre Lieblingsspeise auf sie: frisch zubereiteter Schokopudding.

Owen wagte ebenfalls nicht, zu atmen und es bereitete ihm sichtlich Mühe, seinen Atem zu kontrollieren.

Negan trat einige Schritte vor und hob den Arm, als wollte er Ellies Schulter berühren, überlegte es sich allerdings in der Bewegung anders und ließ die Hand wieder schlaff an seinem Körper hinunterbaumeln.

Elijah spannte den Kiefer an und seine Hand glitt unwillkürlich an seinen Gürtel, bevor ihm wieder schmerzhaft bewusst wurde, dass er gar keine Waffe trug. Es war ihm mehr als schwer gefallen, seinen geliebten Revolver im Wagen zu lassen, doch was das Wohl seiner kleinen Schwester betraf, wollte er schlicht kein Risiko eingehen.

"Schön, dass ihr gekommen seid.", feixte Negan von der anderen Seite und zog - samt ironischem Knicks - einen unsichtbaren Hut vor ihnen. "Ich muss sagen, dass ihr mir tatsächlich ein wenig gefehlt habt."

Seine Stimme war so sonor, dass der Wind sie mit Leichtigkeit bis an Elijahs und Owens Ohren brachte. Owen schüttelte sich automatisch bei dem Geräusch und Elijah wünschte sich plötzlich nichts sehnlicher, als die Begegnung mit dem unberechenbaren Feind bereits jetzt schon abzubrechen.