Kapitel 4: Ein Kuss in der Mall

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Seokjin stand vor einem der großen Spiegel des Geschäftes und musterte sich selbst von jeder Seite. Hier und dort zupfte er den schwarzen Anzug ein Stück zurecht. Ein zufriedenes, selbstgefälliges Lächeln zierte seine Lippen. Er musste sich einfach eingestehen, dass er verdammt gut aussah. Selbstbewusstsein konnte nicht schaden. Der Anzug betonte seine schmalere Hüfte und breiten Schultern. Perfekt. „Ich werde diesen hier nehmen", sagte er an die Verkäuferin gerichtet, die in knapper Entfernung zu ihm stand und sich nervös die Hände rieb. Ihr Blick streifte immer wieder interessiert seinen Körper entlang. Zuerst dachte er nur, sie wollte ihm unbedingt etwas Teures verkaufen. Doch jetzt kam es ihm nur so vor, als wolle sie ihn lediglich angaffen und mit ihren Augen ausziehen. Aber er war kein Stück an ihr interessiert. In den letzten Tagen hatte er sich eingestanden, dass es nichts brachte mit anderen anzubandeln. Er fühlte sich zu niemanden mehr hingezogen... und um ehrlich zu sein, ekelte ihn die Vorstellung auch an von dieser Frau angefasst zu werden. Vor allem, da sie viel älter als er aussah. „Gute Entscheidung. Wollen Sie den Anzug gleich mitnehmen oder zurücklegen lassen?", fragte sie und fing sich aus ihren Tagträumereien. Jin öffnete die Anzugjacke, sowie die ersten Knöpfe des Hemdes. „Ich werde ihn gleich mitnehmen", antwortete er trocken. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen, als ihr Blick direkt auf seine freigelegte Brust fiel. Genervt zuckte sein Mundwinkel nach unten. Konnte sie das nicht lassen? Abrupt drehte er sich um und steuerte auf die Umkleide zu. Er hatte wirklich genug von dieser Unanständigkeit.

„Kann ich sonst noch was für Sie tun?" Ja. Abstand halten. Seokjin wich ein Stück zurück und nahm ihr die Tüte ab, in der seine neue Kleidung aufbewahrt wurde. Diese Frau war ihm viel zu aufdringlich. Ein kaltes Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. „Nein. Vielen Dank. Ich werde jetzt gehen. Einen schönen Tag noch." Eigentlich wollte er direkt aus der Ladentür stolzieren, doch die Hand an seinem Handgelenk hielt ihn zurück. „Tatsächlich nicht? Ich würde Ihnen sicher einen Gefallen tun", wisperte sie und starrte ihn wieder so anzüglich an. Angeekelt rümpfte er die Nase. In dieses Geschäft würde er sicher nie wieder zurückkommen. Kannten die Angestellten hier keinen Anstand? „Komm schon Tae~ Kannst du deine Anzüge für die Geschäftsfeiern deines Vaters nicht ein andermal kaufen?", jammerte eine klare Stimme. Mit einem leisen Klingeln öffnete sich die Ladentür. „Ich brauche aber deinen Rat. Außerdem komme ich hier nicht noch einmal her... und Jimin schadet die Ablenkung nicht." Ein junger Mann mit silbernem Haar trat herein, dicht gefolgt einem muskulös gebauten Jungen. Jimin? Hatte er sich da etwa verhört? Es konnte doch nicht... Sofort drehte sich sein Kopf zur Tür, als eine helle Stimme, wie eine sanfte Melodie an seine Ohren drang. „Ich weiß nicht, wie mich das ablenken soll." Egal wo, er würde sie immer wiedererkennen. Es war sein Jimin.... Und er sah schrecklich aus. Seine blonden Haare waren nicht nachgefärbt wurden und der dunkle Ansatz war bereits erkennbar. Einzelne Strähnen hingen schlaff in das einst fröhliche Gesicht. Hatte er abgenommen? In seiner Erinnerung bildete sich ein wohlgeformter Körper ab, ein pummeliges Gesicht. Süß und doch männlich genug. Aber jetzt? Die knuffigen Wangen wirkten leicht eingefallen und Augenringe zierten die rosige Haut. „Das einzige, was du damit erreicht, ist-" Jimin stockte, als sich ihre Blicke trafen. Die Augen des Jüngeren weiteten sich. Weder er noch Jin hatten mit der Präsenz des jeweils andren gerechnet. Etwas unsicher wich Seokjin dem feurigen Starren aus. Nebenbei fiel ihm noch auf, dass die Frau ihn noch immer festhielt. Mit einem kräftigen Ruck entzog er sich ihr. Jetzt da Kunden vor Ort waren, konnte sie ihn wenigstens nicht belästigen.

Die zwei anderen Jungs schenkten ihm keine Beachtung, doch Jimin sah ihn noch immer direkt an. Auch er konnte seinen Blick nicht einfach ablenken. Es kam ihn schon wie eine halbe Ewigkeit vor seitdem er ihn das letzte Mal gesehen hatte... In dieser Nacht in dem Hotel, in der er ihn so eiskalt abservierte. Nach wie vor fand er ihn so unglaublich schön. Dunkle Augen, die so viel Ausdruck in sich trugen. Ein wohlgeformter Körper, den er halten und schützen wollte. Das ansehnliche Gesicht, welches er mit Küssen übersehen wollte... Doch sah dieser junge Mann vor ihm einfach nur erschöpft aus. Seine Iriden glänzten voller Leere. Diese rosigen Lippen trugen kein süßes Lächeln... und seine Statur wirkte leicht abgemagert. War das alles seine Schuld? Mittlerweile wurde ihm bewusst, wie sehr er seinem damaligen Ich widersprach. Das plötzliche Geständnis hatte ihn geschockt. Er konnte nichts damit anfangen. Er fühlte sich schrecklich eingeengt. Ihm wurde damals so vieles auf einmal bewusst. Dieser Junge war so viel jünger als er... unschuldiger, unerfahrener und Student. Jin hatte bereits Erfahrungen im tatsächlichen Leben. Sein Vater zwang ihn in seine Rolle und er wusste, er würde dem nie entkommen. Warum sollte er Jimin damit hereinziehen? Solange es nichts Festes war, war es okay mit ihm zu spielen, ihn zu halten... ihn vielleicht sogar zu lieben. Nur konnte er es sich nicht eingestehen, also ließ er ihn fallen. Wenn er ihm zu nah kam, würde er in das Chaos, das man sein Leben nannte, mithineingezogen. Jimin verdiente das nicht... Aber er wollte ihn und das war sein Ende. „Sir?" Ach ja... Die Hexe war ja auch noch da. Gezwungenermaßen riss er seinen Blick von seinem kleinen blonden Engel los. „Was?", patzte er sie an.

Take me or Leave me | JinminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt