Die Abenddämmerung begrüßte mich, als ich das Haus verließ, um zu meiner Arbeitsstätte zu gehen. Seit Beginn meines Studiums half ich in einer Cocktailbar aus, um das vergleichsweise teure Studium finanzieren zu können. Rico, mein Chef, war für mich wie eine Vaterfigur und stets für mich da. Bereits seit dem Kindergarten kannte ich ihn, da er sehr gut mit meinem Opa befreundet war. Ihm hatte ich den Job als Barkeeperin zu verdanken, denn dieser Posten war in unserer Kleinstadt ziemlich begehrt gewesen.
Auf halbem Weg zur Arbeit begrüßte mich leichter Nieselregen und ich reckte dankend mein Gesicht gen Himmel, um das kühle Nass auf meiner erhitzten Haut zu spüren. Trotz des Regens nahm die Hitze nicht ab, vielmehr wurde es merklich schwüler und mir wurde unwohl. Ich dachte, wie so oft in letzter Zeit, an meine Albträume zurück und musste mir eingestehen, dass das Gefühl, das ich in diesem Moment verspürte, ähnlich war. Umso erleichterter war ich, als ich den wohltuend klimatisierten Hauptraum der Cocktailbar betrat. Der Raum selbst war in dunklen Tönen gehalten, nur vereinzelte Neonleuchtröhren spendeten Licht und schafften eine fast schon verruchte Atmosphäre. Kaum hatte ich den Raum zur Bar passiert, wurde ich bereits von zwei strahlenden Gesichtern begrüßt. Pablo, mein Arbeitskollege und Kellner, kam mit schwingenden Hüften auf mich zu und zog mich an seine Brust.
"Ah, Chica, endlich hast du überall auf der Welt das Alter der Volljährigkeit erlangt. Happy Birthday, meine Süße!", sprach Pablo, wobei immer noch ein spanischer Akzent aus seinem Mund zu hören war. Sein, meiner Meinung nach, etwas zu starkes Parfum erinnerte mich an all die schweren Stunden, in denen er mir beigestanden hatte. Mit Suz und ihrem festen - und meinem anderen besten Freund - Max hatte ich nicht so offen über mein Dilemma mit Stefan sprechen können, da wir alle miteinander befreundet waren. Außerdem hatte Pablo mir geholfen, Stefan besser zu verstehen, da er ebenfalls einmal in dieser Situation gesteckt hatte.
Ich bedankte mich bei ihm und löste mich vorsichtig aus der Umarmung. Selbst in dem schwachen Licht konnte ich erkennen, wie sein goldenes Haar mit seiner goldenen Haut um die Wette strahlte. Sein breites Lächeln trug weiterhin dazu bei, dass in jedem Raum, in dem er anwesend war, die Sonne ein wenig mehr erstrahlte.
Mein Blick wanderte von Pablo zu Rico, der mich bereits mit einem strahlenden Lächeln musterte. Seine grauen Haare waren verstrubbelt, da er sich oft mit der Hand durch das Haar fuhr. Seine grauen Augen spiegelten dieselbe Freude wider wie sein Lächeln und man konnte nicht anders, als zurückzulächeln.
"Cassandra, meine Schöne. Ich wünsche dir vom ganzen Herzen nur das Beste!"
Er nahm meine Hand in seine und drückte mir einen leichten Kuss auf den Handrücken. Aufgrund der ungewöhnlichen Geste lief ich rot an und ließ meinen Blick im Gastraum umherwandern. Einige der Gäste blickten uns unverhohlen an. Ich entriss Rico die Hand, was mir im nächsten Moment sehr Leid tat, als ich seinen verletzten Gesichtsausdruck sah.
"Danke, Rico. Ich hatte heute bloß einen anstrengenden Tag und bringe es kaum mehr zustande, das Richtige zu tun!", entschuldigte ich mich prompt und bekam einen verständnisvollen Blick als Antwort.
"Ich habe dir doch gesagt, du sollst heute zu Hause bleiben und deinen Geburtstag genießen", erinnerte er mich und schenkte mir ein Lächeln.
Bevor ich antworten konnte, dass ich das Geld dringend für mein Studium brauchte und mir einen freien Tag nicht leisten konnte, dachte ich an die halbe Millionen Euro, die bald auf meinem Konto sein würde und mir wurde bewusst, dass ich diese Arbeit nicht mehr benötigte. Ich konnte in Ruhe mein Studium zu Ende führen und hätte am Ende immer noch genug Geld übrig, um ein paar Jahre davon leben zu können. Bevor meine Gedanken noch weiter in diese Thematik eintauchen konnten, nickte ich einfach zur Antwort und machte mich auf den Weg in den Mitarbeiterraum. Es war eine kluge Entscheidung gewesen, meine Arbeitskleidung mitzunehmen, anstatt sie direkt anzuziehen. Das Kleid klebte mir am Körper wie eine zweite Haut und ich war froh, als ich das unerwünschte Stück endlich von meinem Körper nehmen konnte. In dem Moment hörte ich, wie die Tür zum Mitarbeiterraum aufging und drehte mich erschrocken, nur in meiner Unterwäsche bekleidet, zur Tür. Als ich Pablo erkannte, atmete ich erleichtert aus. Vor ihm war mir mein Körper nicht peinlich. Im Gegensatz zu anderen Männern musterte dieser nur mein Gesicht und fragte schließlich:
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Phönixchroniken - Erwachen ✔️
FantastiqueAbgeschlossen --- Band 1 der Phönixchroniken --- 🥉 3. Platz beim Sun is up Award 2020 Eigentlich kann sich Cassie nicht beklagen: Die Wahl zum Kunststudium bereut sie nicht, ihr Job als Barkeeperin bereitet ihr Freude und Familie und Freunde unters...