Training

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Als ich meine Augen aufschlug, fiel ein kleiner Strahl Sonnenlicht durch mein Fenster.

Gestern waren Dulcia und ich in der Nacht aufgewacht und nach Hause gegangen.

Schnell sprang ich auf und zog mir meine Anziehsachen an. Dann zog ich den Brief aus meiner Tasche. Er war tatsächlich da! Schnell faltete ich ihn nochmal auseinander und las die Zeilen wieder. Gerade als ich ihn auf meinem alten Holztisch legen wollte fiel etwas aus dem Umschlag, in dem der Brief verstaut war. Verwundert bückte ich mich. Es war ein schwarzes Lederband mit einem Anhänger. Verwirrt hob ich es auf und schaute es mir genauer an. Es war ein Armband! Ein Drachenkopf schaute mir aus dem Anhänger entgegen. Seine Augen glänzten rot. Er war wunderschön. Schnell band ich es mir um und sprang leise die Treppen hinunter. Sie waren tatsächlich sehr abgenutzt. Früher war es mir nicht wirklich ausgefallen.

Sanft strich ich über das Gelände, welches rau und morsch war.

Leise schloss ich die Tür hinter mir und lief über die trockenden Pflastersteine. Es hatte schon längere Zeit nicht mehr geregnet.

Rasch bog ich um eine Ecke. Wieder trat mir der Geruch von Bier und Schweiß in die Nase. "Goldmund" hatte praktisch immer geöffnet.

Ich beschleunigte meine Schritte ein wenig. Nach einiger Zeit traf ich auf den Dorfplatz. Es waren erst sehr wenige Leute unterwegs. Jemand winkte mir von der linken Seite aus zu. Ich lächelte breit. Es war Daniel. Er kam auf mich zu und begrüßte mich freudig.

,,Was stand denn gestern in dem Brief, den du bekommen hast? Du hast dich so gefreut!", fragte er neugierig. Lächelnd verdrehte ich die Augen:,, Ok...bevor ich es dir sage, musst du mir ganz kurz eine Frage beantworten."

Eifrig nickte er.

,, Willst du Drachenritter werden?" Wieder ein Nicken.

,, Ich werde einer sein. In ein paar Tagen breche ich auf. Also zur Akademie.", flüsterte ich ihm leise zu. Ungläubig weiteten sich seine Augen. Dann fragte er verwirrt:,, Aber es können doch nur..." ,,Sagen wir bei mir ist es eine Ausnahme.", unterbrach ihn lächelnd.

Wieder nickte er. Dann schaute er traurig:,, Dann bist du ja weg...ich dachte, dass du mich vielleicht trainieren könntest."

Ich lächelte:,, Noch haben wir ein paar Tage zeit."

Er strahlte freudig. Wir gingen durch die Gassen. Am Stadttor angekommem, fragten die Wachen uns missbiligend, wo wir hingehen wollten. Daniel schaute suchend zu mir nach oben. Er war noch jung...erst acht oder neun. Ich schaute die Wachen vordernd an.

,, Bei jedem Einreisenden nickt ihr nur und bei uns fragt ihr nach?!", neckte ich. ,,Ja.", antwortete einer der beiden. ,,Was wollt ihr denn wissen?", fragte ich genervt. ,, Wo ihr hingeht.", meinte nun der andere. ,, Wir gehen Beeren pflücken.", antwortete ich. Der eine nickte nun, doch der andere Wachmann schaute mich mahnend an:,, Beim Zurückkehren werde ich eure Taschen nach Beeren durchsuchen. Und warum nimmst du den Jungen mit?" Daniel griff verängstig meine Hand. ,, Er ist mein Bruder.", log ich. Endlich wurden wir entlassen.

Im Wald fragte Daniel plötzlich:,, Wollen wir uns wieder treffen? Ich habe gehört, dass man in der Ausbildung einmal einen Ausflug nach Hause machen kann..treffen wir uns in genau zwei Jahren hier?" Er zeigte auf einen kleinen Fluss, der zwischen zwei verschlungenden Bäumen lag.

,, Ich weiß nicht ob ich sobald schon kann....Treffen wir uns in drei Jahren hier, wenn die Blätter anfangen von den Bäumen zu fallen. Okay?", fragte ich.

,, Abgemacht.", antwortete er.

,, Noch eine Frage Daniel...Wie alt bist du eigentlich?", fragte ich interessiert. ,, Ich bin fast zehn!", meinte er stolz. ,, Wirklich?", fragte ich überrascht. Er schaute verlegen zur Seite:,, Naja okay... Ich bin erst seit ein paar Wochen neun."

Ich lächelte:,, Dann lass uns mit dem Training beginnen!"

In den darauf folgenden Stunden übten wir viel. Daniel lernte, die Balance zu halten, Liegestütze zu machen und die ersten Schwerthiebe. Ich übte auch und schon bald merkte ich, dass ich schon etwas aus der Übung war. Energisch übte ich weiter. Irgendwann hatte ich das Gefühl wieder geübter zu sein und lehnte mich erschöpft nach hinten.

Plötzlich hielt Daniel verschwitzt inne. Fragend schaute ich zu ihm. Er stöhnte genervt:,, Wir müssen noch Beeren sammeln!" ,,Mach ruhig weiter. Ich mach das schon.", sagte ich beruhigend. Wieder fing er an, mit einem geschnitzten Stock gegen einen Baumstamm zu schlagen.

Schnell schnappte ich mir meinen Beutel und entfernte mich langsam. An einem Strauch voller Beeren, fing ich an einige wahllos zu pflücken. Sie waren zwar giftig, doch ich wollte sie nicht essen. Ein leiser Lufthauch von hinten brachte mich zum Umdrehen. Da war er wieder. Der schöne Vogel. Langsam streckte ich meine Hand aus. Er hatte einen scharfen Schnabel. Trotzdem kam meine Hand näher. Der Vogel unternahm nichts. Also begann ich ihm über die weichen Flügel zu streicheln. Sie waren so zart und dennoch stark genug, um diesen Vogel in die Lüfte zu heben.

Ich drehte mich wieder um und pflückte weiter. Wieder hörte ich Flügelschläge. Verwundert drehte ich mich um. Er war weg. Schulterzuckend drehte ich mich um und pflückte weiter. Als hinter mir ein kratzen ertönte, drehte ich mich überrascht um. Dort saß er wieder. Mit einer tiefschwarzen Beere in dem Schnabel. Freudig legte er sie in meinen Beutel. ,,Oh danke.", murmelte ich überrascht. Ich brauchte unbedingt einen Namen. Ich durchforstete meine Gedanken nach einem Namen. Wie wäre es mit...Mout? Ja der Name gefiel mir. Als ich zu Daniel zurückging, wurde es langsam dunkel. Wir lachten viel und gingen zum Tor zurück.

Tatsächlich stand der eine Wachmann von heute Morgen noch dort. Ich ging zielstrebig zu ihm und öffnete den Beutel. Er schaute rein und nickte dann verächtlich. Wir durften eintreten.

,, Ab morgen bleibe ich nur noch zwei Tage. Treffen wir uns morgen wieder am Dorfplatz?", fragte ich. Daniel nickte und rannte freudig davon. Wieder winkte er mir zum Abschied zu. Lächelnd ging ich zurück nach Hause. Meine Mutter begrüßte mich fröhlich. Sie war gerade damit beschäftigt Teig für Brot zu machen. Wahrscheinlich schon für meinen Aufbruch in drei Tagen. Sie freute sich für mich und das sah man ihr an. Fröhlich wünschte sie mir eine gute Nacht.

Ich ging in mein Zimmer und schaute noch einmal auf den Brief. Vorsichtsalber steckte ich ihn unter meine alte Matratze. Dort schlief ich auch schon nach wenigen Minuten ein.

Aber eines musste ich mir eingestehen. Langsam schloss ich Mout und Daniel ins Herz. Mout war kein Problem. Ihn konnte ich mitnehmen. Aber Daniel würde ich vermissen.

In drei Jahren war er schon zwölf Jahre alt. Ob er sich noch erinnern würde?

Ob ich mich noch erinnern würde? Diese Frage riss mich aus dem Schlaf. Eilig stand ich auf und nahm mir ein Stück Papier. Darauf schrieb ich knapp:

Daniel treffen. In drei Jahren, wenn die Blätter von den Bäumen fallen.

Dann knickte ich es sorgfältig und steckte es in meine schon fast fertig gepackte Tasche. Ich konnte ihm ja auch noch Briefe schreiben. Danach schlief ich beruhigt ein.

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