Samstag, 08:10 Uhr
Michael rangierte das Auto vorsichtig in eine der letzten Lücken auf dem Parkplatz der Klinik. Vor und zurück, vor und zurück. Es erschien ihm wie eine seltsame Metapher für alles was gerade vor sich ging. Metapher; seit wann war er denn so poetisch?! „Hast du alles? Soll ich mit reinkommen?" „Nee." Nadja nahm die Reisetasche, die er ihr geborgt hatte und öffnete die Beifahrertür. „Pass auf!" sagte er erschrocken, als die Tür viel zu nah an die des BMWs neben ihm kam. Nadja beachtete ihn nicht. Er stieg ebenfalls aus, was sie zu einem genervten Blick veranlasste. Michael ging zu seiner Exfrau hinüber, die auf den Eingang der Entzugsklinik zuging.
„Diesmal ziehst du das durch, klar?! Wenn nicht für dich, dann für sie!" „Ja, ja, schon gut. Ich hab's kapiert! Und jetzt geh schon, wir sind nicht mehr zusammen." Er blieb stehen. „Ich weiß."
Aber es war ein seltsamer Moment, ihr zuzusehen, wie sie in diese Klinik ging. Er realisierte, dass Nadja irgendwie wieder ein Teil seines Lebens geworden war, aus dem sie für Jahre verschwunden war. Aus dem er sie hatte verschwinden lassen, genau wie seine Tochter. Er erinnerte sich an den Abend auf dem Polizeirevier. Wie er Nadja angeschrien hatte. Er war ein Arschloch gewesen. Er hatte sich nicht eingestehen wollen, dass er nicht ganz unschuldig war, an dem was passiert war. Es war erst acht Tage her, aber es kam Michael vor wie eine Ewigkeit. Acht Tage reichen um das Leben komplett zerbersten zu lassen. Und dann muss man es Stück für Stück wieder zusammensetzen.
Michael hupte mehrmals, damit die Journalisten in der Einfahrt endlich den Weg freigaben. Er hatte nicht wenig Lust, sie einfach über den Haufen zu fahren. Die Talkshow war keine gute Idee gewesen, dass hatte die Polizei gesagt. Das würde sicher auch Angelika sagen. Aber es musste einfach raus. Alles musste einfach raus, er musste es der Welt mitteilen. Dass er sie wiederhaben wollte, dass er es nochmal versuchen wollte, dass es ihm leidtat. Und vielleicht hatte er auch ganz irrational gehofft, der Typ würde sie wirklich gehen lassen. Würde verstehen wie er sich fühlte und seine Tochter frei lassen.
So ein Unsinn.
Langsam rollte er die Einfahrt hinauf. Sofort stand einer der vier Polizisten vor der Fahrertür. Michael stieg aus und der Mann begrüßte ihn. „Hallo." murmelte er. „Sie gehen mal besser schnell weiter, ne?" kam die Antwort. Vielleicht sollte er den Typ wirklich mal zu einem Kaffee hereinbitten. Verdient hätte er es. Den ganzen Tag hier zu stehen und die Reporter zu überwachen war sicher kein angenehmer Job.
Samstag, 10:24 Uhr
Kittie hatte kaum geschlafen. Nach ihrem Traum im Zug hatte sie nicht mehr einschlafen können und anschließend waren sie zum nächstbesten Hotel gehetzt. David hatte darauf bestanden, dass Kittie sich hinlegte, hatte es aber selbst nicht getan. Und sie hatte nur wach gelegen. Bis sie schließlich aufstand und sich zu ihm aufs Sofa setzte. Und dort wachte sie nun auch auf.
„Hmmm..." Kittie drehte sich noch einmal um und kuschelte ihr Gesicht ins Kissen. David musste eine Decke aus dem Schlafzimmer für sie geholt haben. Die Sonne schien ihr ins Gesicht und hinderte sie daran wieder einzuschlafen. Sie setzte sich auf. Das Wetter hier in Zürich war schön. Viel schöner als zuhause. Kittie lauschte auf ein Geräusch von David. Nichts. Sie schlug die Decke zurück und stand unsicher auf. Das Sofa war leer. „David?" sie wurde ängstlich und lief zum Bad. Die Tür war offen, niemand da. „David!" Wo war er?! Wieso lies er sie allein?! „David?!" Kittie stürzte zur Zimmertür, die von außen geöffnet wurde. „Was machst du denn da?" David fing sie auf. „Wo warst du?" schrie sie ihm entgegen und befreite sich hektisch aus der Umarmung. „Beruhig dich doch bitte. Ich habe Frühstück geholt und wollte dich nicht wecken, nichts weiter. Kein Grund hier so herumzuschreien." Doch, sie hatte jeden Grund hier rumzuschreien! Er erschreckte sie, sie ertrug den Gedanken nicht allein zu sein. David ging einfach an ihr vorbei und legte verschiedene Tüten auf den Tisch.
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Die Lügen in unseren Versprechen
General FictionKittie ist jung und verwickelt in illegale Geschäfte. David hat alles verloren und sucht verzweifelt etwas dass das Loch schließt, das der Tod seiner Tochter hinterlassen hat. Sie können sich genau das geben, was sie brauchen. Doch aus Freundschaft...