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Die Klingel läutete das Ende der Pause an, doch ich hatte das Gefühl, dass ich mich erst ein paar Sekunden mit Henry unterhielt. Ich hatte nicht einmal etwas gegessen.
Er ging, um sein Tablett wegzubringen und ich stand auch auf.
Ich hatte ihn in der Menge verloren und ich lief schon auf die Tür zu, als er wieder neben mir stand.
Auf meiner anderen Seite stand Oliver und er hielt die Hand des Mädchens. Ich glaubte, dass sie Mia hieß.
„Ich geh nach der Schule zu Mia.", sagte Oliver zu Henry und der nickte. Sie hieß also wirklich Mia.

„Ich fahr zu euch und helfe Roy beim Umzug. Abby hat irgendwelche Leute vom Hockey eingeladen.", sagte Henry, während wir uns durch den Gang schoben.
Sein Satz verwirrte mich. Welcher Umzug? War Roy schon umgezogen, oder wollte er umziehen? Und wohin? Und wieso war es wichtig, was Abby machte? Wohnte er vielleicht bei Abby?
Oliver nickte und wollte schon gehen, als ihm noch etwas einfiel.
„Nimmst du Cara mit?"
„Klar.", Henry antwortete sehr schnell. Vielleicht ein bisschen zu schnell, denn jetzt sah nicht nur ich ihn verwundert an, sondern auch Oliver.
„Ich meine, ich fahr ja sowieso zu Roy. Weil ich helfen will beim Umzug. Sie wohnt ja auch bei Roy, also in dem Haus. Nicht bei Roy. Sie hat ein eigenes Zimmer. Es ist auch direkt neben deinem."
Jetzt sah ich auf den Boden. Ich konnte Olivers Blick auf mir spüren.
„Ich will gar nicht wissen woher du weißt wo ihr Zimmer ist.", sagte er. „Danke, dass du sie mitnimmst."
Dann ging er und Mia lächelte uns noch einmal an und verschwand in einem Raum.
Ich sah Henry fragend an.
„Warum redest du so merkwürdiges Zeug?", fragte ich. Er lachte, wurde aber rot.
„Ich weiß nicht. Irgendwie hat sich alles was ich gesagt habe so komisch angehört."
Ich lächelte ihn beruhigend an. „Es wurde erst komisch, als du versucht hast das ganze zu erklären."
Wir gingen in den Raum für die nächste Unterrichtsstunde. Pädagogik.
Aber es waren keine Plätze nebeneinander mehr frei. Dafür stand Chloe hinter einem der Tische und sortierte ihre Tasche. Sie sah auf und winkte in unsere Richtung. Ich war mir nicht sicher, ob sie mich oder Henry meinte, aber dann rief sie auch noch irgendwas, das klang wie
„Hey, Clacramel."
Henry sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.
„Ein Wunder, dass sie mich nicht Gargamel nennt.", murmelte ich und Henry lachte.
„Ist das Chloe?", fragte er und ich nickte.
Chloe kam zu uns herüber.
„Komm setz dich neben mich.", sagte sie zu mir und zog mich mit zu ihrem Tisch. Ich warf Henry einen hilfesuchenden Blick über meine Schulter zu.
Er setzte sich an den Tisch eine Reihe neben und eine Reihe hinter uns und nickte mir aufmunternd zu.
Der Unterricht begann und ich hörte der Lehrerin gelangweilt zu. Das Thema hatte ich bereits in einer anderen Schule gehabt. Die Lehrerin machte begeistert ihren Unterricht.
Sie hatte gerade eine Frage gestellt, irgendwas über die vier Stufen des Erziehungsprozesses nach Kant, und blickte in die Klasse, um auf jemanden zu warten, der sich meldete, aber niemand hob seine Hand. Ich senkte meinen Kopf und hoffte sie, dass sie mich nicht drannehmen würde.
„Henry?", fragte sie dann und ich drehte mich zu ihm um.
Er sah mich fragend an.
Ich blickte wieder die Lehrerin an.
„Disziplinierung, Kultivierung, Zivilisierung und Moralisierung."
Die Worte sprudelten so emotionslos aus mir heraus, dass ich selbst erschrak. Ich hatte nicht geplant die Antwort reinzurufen, oder sie überhaupt zu geben, aber mein Mund hatte sich offenbar nicht mit mir abgesprochen. Jetzt war es ganz still
und alle sahen mich an, auch die Lehrerin. Ich merkte, wie mir das Blut in die Wange schoss und mein Gesicht brannte vor Hitze. Sicherlich war ich knallrot. Sie musterte mich nachdenklich.
„Wer bist du?", fragte sie dann.
„Cara Harper. Ich bin neu an der Schule."
Sie nickte. „Hallo Cara. Und die Antwort war richtig.
Henry, du solltest dir deine Notizen noch mal durchlesen.", dann drehte sie sich zur Tafel und schrieb die Hausaufgaben an.
Ich hatte sie gerade abgeschrieben, als es klingelte.
„Danke.", Henry stand an meinem Tisch. Offenbar war er schneller im Einpacken als ich.
Ich musste lächeln: „Gerne."

CARAMELWo Geschichten leben. Entdecke jetzt