Erkenntnis

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Jaselaya schreckte auf. Ihre Augen hellgrau leuchtend von der Erleuchtung.
Sie hatte alles gesehen, jede Erinnerung, jeden Fetzen Leid. Und sie wusste ihre Aufgabe. Sie wusste, was zu tun war.
„Oh," war das einzige, was sie sagen konnte.
„Ja," antwortete Ralph ebenso erschrocken.
Beide waren schweißgebadet und ihre Haare klebten an ihrer Stirn.
„I-ich glaube nicht, dass ich das kann."
„Nur du kannst es."
„Und was wenn es ein Fehler ist? Ein Trick? Was wenn dein Vater Dir nicht zuhört?"
„Das wird er, das muss er!"
Jaselaya nickte. Die Erinnerungen Salems waren zu erschreckend gewesen, zu brutal, zu grausam, zu traurig.
„Du bist sehr stark."
Salem lächelte. Er war zu leichtgläubig. Aber wenn sie ihm so helfen könnte, dann... aber es war tatsächlich ein Trick. Ein Trick vom
Hexenkönig selbst, denn er ließ sie nicht Zweifel fühlen. Er war verbunden. Er war immer noch Herr eines winzigen Teiles im Ring.
Sie stand auf und hielt sich ihre Ohren zu, um die Schreie zu unterdrücken. Schreie der Toten, die nach ihr riefen.

„Mein wahrer Name ist Salem... ich bin der Sohn Saurons. Und ich bin nicht menschlich. Ich gleiche Dir, ich bin ebenfalls ein Ring. In mir schlummert der bisher unbekannte Ring Salem. Deshalb..."
"Was?" Ihre nassen Wangen waren rot und sie weinte.
„Du hast mich angelogen, du hast mich benutzt um an dein Ziel zu kommen, du hast mir das wichtigste verschwiegen und du hälst mich gefangen! Ich hasse dich!"
„Jase..."
„Nein! Ich will es nicht hören! Schweig!"
Sie drehte sich um und schrie. Sie war so verletzt. Innerlich so am Boden zerstört, so traurig.
Sie hasste ihn! Sie wollte ihn töten!
Ihre zitternden Lippen bändigte, ihre glühenden Augen ließ sie ich heller leuchten. Was wenn sie das jetzt wirklich tat? Wenn sie tatsächlich tat, wonach sie begehrte? Sie ließ das Wasser aus ihren Adern schießen und drehte sich zu ihm um. Er sah in ihre verletzten Augen und sah, wie sehr sie ihn verabscheute. Was hatte er getan?
„Stirb!" sagte sie mit zittriger Stimme und das Wasser schoss in riesigen Wellen hervor. Ihre Füße waren nicht mehr auf die Erde angewiesen und sie schwebte.
Dann schloss sie ihre Augen und etwas Neues kam. Etwas Schwarzes, tiefes. Der Ring, der Ring mit unbeschreiblichen Macht. Wie könnte er dem Widerstehen?
Er blickte herunter zu den dunklen Steinen. Das Feuer schien weit weit weg.
„Wirst du zur Mörderin um einen Mörder zu töten?" Fragte er und traf ins Schwarze. Jaselayas Augen öffneten sich und ihre langen schwarzen Wimpern waren besetzt von kleinen Wasserperlen.
„Ja." Sagte sie, ohne darüber nach zu denken. Nein. Sie hasste ihre Taten, jeden Tod, den sie zu verantworten hatte. Selbst den Tot der Nekromanten und Orks.
„Du hast mich dazu gemacht, also ist es deine Schuld!" Ihr Wasser schoss nach vorne, wie ein elbischer Pfeil und durchbohrte kalt seine Brust.
Blut spritzte auf die Wange der Elbe. Es war warm und so, als ob sie eine Hand streichelte.
Sie hob ihre Hand um es abzuwischen. Sie wollte dieses Gefühl nicht.
„Aber du warst es doch ganz alleine, die dein Schicksal gewählt hat. Du würdest ihn nicht abgeben, weil es dir gefällt. Du tötest auch aus Vergnügen, du spielst aus Lust. Du bist genau wie ich. Einst ein reines Geschönt, aber das Leben macht sich zur Mörderin. Ist es dann unsere Schuld? Oder die des Schicksals?
Jaselaya realisierte seine Worte und wusste, dass es die ihres Herzens waren. Er glich ihr tatsächlich.
„Du wagst es, so mit mir zu sprechen!" Aber ihre Stimme brach und sie ließ das Wasser aus seinem Körper fließen.
„Ich wage es, meine Worte zu sagen, wenn sie deinen gleichen. Jaselaya, wen interessieren Namen? Wir sind doch alle eins. Wir sind alle gleich, wir wollen gut sein, aber wir wissen nicht, ob wir in unserer eigenen Geschichte Gut oder Böse sind. Denn wir sind alle Gut und Böse. Unsere Böse Seite strebt nach Gutem und unsere Gute Seite liebt riskantes. Wir geben nicht auf und kämpfen weiter diesen inneren Krieg. Wir kämpfen und sind doch schwach. Denk an deinen Hobbit. Ist er stark? Andere würden ihn als schwach bezeichnen, du jedoch liebst ihn und du denkst, dass er stark ist. Und jetzt verrate ich dir etwas. Er ist stark. Willensstark. Leid erfüllt sein Leben, seine Erinnerungen schwinden und sein Herz stirbt.
Aber das ist, was wir lieben. Schmerz und Leid, weil wir lieben, dass er stark war und es schaffte, trotz all den Strapazen und Hindernissen seines Lebens. Alles ist gleich, alles ist ein Spiel. Ich spielte kein Spiel, als ich dir von meinen Gefühlen für dich erzählte und deine logen auch nicht. Denn man kann Liebe empfinden und bereuen. Aber nicht, wenn das Leben jedes einzelnen davon abhängt. Wen würdest du wählen. Gut oder Böse? Bin ich Böse? Dann werde ich gut? Ist er Gut und wir böse? Also wählst du Gut im Bösen, oder Böse im Guten? Ich vertraue dir, ich vertraue deinem Schicksal, denn es wird uns retten, es wird diese Welt retten. Sie beschützen. Ich liebe Dich!"
Seine Worte zu hören öffnete ihr die Augen. Sie wusste, dass er recht hatte und Reue erfüllte ihr Herz. Sie hatte es wieder getan, sie hatte getötet. Dieses Mal ohne nach zu denken. Ohne das rückgängig zu machen. Wenn man richtig tief sinkt, wenn man nicht heraus kann und alles um einen herum schwindet, dann verblasst die Realität. Man wünscht sich, aufzuwachen und zu wissen, dass es ein Traum war. Ein einsamer Traum. Aber nicht Realität.
Sie hatte etwas getan, dass sie für immer bereuen würde. Etwas, dass sie zerstören würde. Ihr Körper kochte, als sie schreiend den fallenden Salem in die Arme nahm und ihn ansah. Seine Nase blutete und aus seinem Mund kamen kleine Blutrinnsale.
„Oh bitte nicht! Warum? Warum?"
„Bereue es nicht."
Ihre aufgerissenen Augen musterten ihn und ihre Hand ruhte auf seiner zerlöcherten Brust.
„Wieso hast du dich nicht gewehrt? Warum nicht stand gehalten? Warum?"
„Weil... ich... dich... liebe!"
Jaselaya schrie und versteckte ihre Tränen in seinen Haaren.
„Zeig mir dein Lächeln. Ein letztes Mal."
Dann lächelte sie und ihre kleinen Grübchen sahen lustig aus. Ihre Tränenbesetzten Wangen waren zu einem Schmunzeln gezogen, ihre Augen voller Trauer. Ihr Haar lockig und wild.
Ihre Hände gruben sich in seine Haare, die langsam weiß wurden und seine braunen Augen sahen sie fixierend an.


Dann schloss er die Augen und zerstob in pulvrigen Nebel.

Die Elbe des Wassers___Meine größte LeidenschaftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt