Gedanken eines Verrückten

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Er saß an einem großen Tisch. Eine Karte von Mittelerde vor sich.
„Sag uns, wenn du weißt, wo sich der Herr mit Jaselaya befindet."
„Ja," antwortete der kleine Hobbit kalt.
Seine Augen suchten die Karte ab.
Er hob seine Hand und deutete auf Mordor.
„Bist du sicher? Dort haben wir gesucht?"
„Ja," sagte er.
„Aber es ist nicht sicher. Es ist nicht da, es ist nämlich unter der Erde. Das Tor gibt es nicht."
„Wenn es kein Tor gibt, wie seid ihr dann hinein gekommen?"
„Ich weiß es nicht. Es ging zu schnell und es war verwirrend."
„Dann erzähle uns, was geschah," bat Legolas.
„Ja." Sagte der Hobbit und wartete einen Moment um seine Gedanken zu ordnen. Er hatte nun viel mehr Gedanken im Kopf. Alles schien schärfer zu sein. Alles war klar und er hörte alles. Jedes einzelne Blatt, das fiel. Jede einzelne Maserung im Tisch. Ja selbst den flüsternden Wind, der um Jaselayas Verschwinden trauerte.
Er zitterte aus plötzlicher Kälte und die Stimmen in seinem Kopf ließen nicht los. Seine blauen Augen suchten hektisch nach einer Erklärung. Ja, er suchte ständig nach etwas. Dann atmete er langsam aus, um nicht in Panik zu verfallen. Er schloss die Augen und begann zu erzählen. Von den Leuten, die sie entführten, dem Nebel, der sie schwächte. Von Vel. Von dem Ring und Wasser in Jaselaya, mit denen sie gesprochen hatte, wie Schwestern. Von dem Ring, der gar nicht böse war. Von dem jungen Herr, der Explosion, dem dunklen Gang. Von seinen Dornen, ihrer Wunde im Bauch. Ihren Gefühlen für ihn. Aber nichts in der richtigen Reihenfolge. Alles schien aus ihm heraus zu brodeln, bis er plötzlich stoppte und Luft holen musste, weil die Luft wie Öl war. So klebrig an ihm heftend. Er glaubte zu ersticken und doch konnte er nicht richtig aufhören. Er blickte alle an und schwieg. Nachdenklich schaute er auf seine, du Fäusten geballte Hände.
„Ich habe verstanden," sagte Elrond.
„Was? Ich nicht, ich verstehe gar nichts. Das war elbisch!"
„Nein, das war die dunkle Sprache..." sagte der Herr von Bruchtal.
Frodo schaute auf. Was?
Er hatte gar nicht darauf geachtet. Er konnte keine andere Sprache. Nur etwas elbisch, aber sicher nicht die des dunklen Lords.
„Das ist unmöglich," sagte Frodo.
„Ich bin dieser Sprache nicht vertraut."
„Erinnerst du dich, was du uns erzählt hast?"
Er dachte eine Sekunde lang nach und es war, als würde sein Gehirn explodieren und sein Gewicht verlieren.
„N-Nein."
Alles war weg und er konnte sich nicht erinnern. Alles war komplett leer.
„Wieso?"
„Ich habe aber zugehört und ich weiß es, also kann ich es auch übersetzen. Frodo?"
Seine Hände schwitzten und seine Haare klebten auf seiner Stirn. Hinter seiner Stirn trommelte es und es war, als wolle jemand entfliehen. Seine Lippe zitterte und seine unmenschlichen Augen suchten wieder einmal nach einer Lösung. Was war los mit ihm?
„In Ordnung," sagte Frodo.
Beinahe wie ein kranker. Seine Augen glitten von einem Ort zum Nächsten.
„Ich kann mich erinnern, nur nicht daran, das gerade gesagt zu haben. Aber noch etwas. Warum war ich es nicht, der das eben sagte?"
„Es war der Herr in deinem Kopf."
„Ich bin nicht Herr meines eigenen Körpers?"
„Nein, nicht wenn du ihn nicht zurück hälst."

Er schwieg und sah wieder auf seine Hände. Sie wirkten so anders, nicht wie seine eigenen.
Auch seine Füße schienen weit weit weg.
Als sei er ein Geist, schwebend außerhalb seiner eigenen Sinne und Körpers. Flammen der Angst ergriffen ihn, als er sich versuchte zu bewegen und stehen blieb. Stehen, wie festgenagelt. Seine Hände schlaff am Körper hängend, seine Augen nach etwas suchend.
Sein Herz rasend in seinem leblosen, gelähmten Körper. Seine Haare ganz leicht im warmen Wind fliegend. Der Schweiß auf seiner Haut war eiskalt. Seine Lippen bebten. Konnte ihn denn niemand hören? Niemand sehen?
War er etwa ganz alleine?
Alles um ihn herum schien zu stehen. Alles um ihn herum zu schweben in einer Zeit aus nichts. Wieso sah ihn denn niemand? Er wollte schreien, aber kein einziger Ton kam heraus. Nichts. Festgenagelt stand er da, innerlich schreiend und strampelnd. Außen tot. Ein bitterer Geschmack in seinem Mund kam und dann wich das bittere und eine Art Eisen blieb zurück. Blut.
Es ließ ihn nicht atmen. Es ließ ihn von innen heraus verbluten. Es quoll aus seinen Ohren und Nase. Dann aus seinem Mund. Er röchelte und keuchte, fiel auf den Boden. Ein schmerzvoller Tod erwartete ihn. Seine Hände waren voll rot. Seine blauen Augen wie zwei, um Hilfe schreiende, Sterne.
Dann im nächsten Moment stand er wieder, das Blut war verschwunden. Alles war still. Ein Donnergrollen ertönte. Dann sah er es. Das Auge direkt vor ihm. Sein schlimmster Albtraum. Die gierigen Flammen schienen den bewegungslosen Hobbit zu verschlingen. Sie küssten seine Beine und hielten ihn gefangen mit ihrem kalten Griff. Er schrie... innerlich.

Willst du, dass alle die du liebst die gleichen Schmerzen fühlen? Willst du, dass sie leiden und sterben?

„Nein!"

Also willst du sie schützen? Ha ha ha. Du kannst niemanden schützen. Du bist schwach und du wirst untergehen, in meinen Flammen.
Du wirst mir gehören, wie deine Liebste. Also... unser kleines Geheimnis behältst du doch für dich, oder willst du, dass ich sie alle töte?

Frodos Augen weinten, als er von den Flammen ins Bodenlose nichts gezogen wurde.

Wenn du sie retten wolltest, will ich dir etwas zeigen.

Frodo streckte die Hand nach einer Tür genau vor ihm aus.
Plötzlich befand er sich in Lórien. Er hatte diese Erinnerung von Galadriel, die ihm die Zukunft zeigte.

Ich kenne deine tiefsten Ängste. Ja, Frodo, ich kenne sie und weißt du, vielleicht ist diese Erinnerung real. Nicht nur, wenn du versagst... vielleicht passiert es noch in der nahen Zukunft. Öffne ruhig die Tür.

Vor ihm war wieder diese Tür inmitten von nichts.
„Was werde ich sehen?" fragte er, wie früher.

Trau dich nur, schau nach.

Er griff nach dem Türknauf und die Tür öffnete sich. Dahinter war es schwarz. Vollkommen schwarz.
„Was ist das hier?"
Geh hinein, versuchte ihn die flüsternde Stimme zu locken.
Er tat was ihm befohlen. Er betrat das Zimmer. Die bodenlose Tiefe.
Alles war schwarz.
Dann weit in der Ferne sah er ein kleines schwaches Licht.
Geh nur näher, lockte ihn die Stimme.
Er ging und jeder seiner Schritte hallte in dem Abgrund. Über riesige Steine kletterte er zu einem, immer noch schwarzen Raum.
Er zitterte vor Anstrengung, als er oben angelangt war. Er schaute herunter auf dieses schwache Licht und konnte eine Gestalt erkennen. Dünn und in einer Art Pfütze liegend. Er lief so schnell wie möglich den Abhang herunter. Wie ein Gefängnis war es hier. Das Geschöpf war mit Ketten gebunden und leuchtete sanft und schwach im Dunklen.

Eine Elbe braucht das Sternenlicht. Sie stirbt ohne Licht.

Der Hobbit war nun fast am Ziel. Er erkannte lockige Haare, rund im Raum verteilt. Lang und an den Wänden wie Unkraut wuchernd.
Dann ein dünner Gesang, der von der Person am Boden ausging.

Ist sie das nicht? Erkennst du sie nicht? Deine Liebste?

Der Hobbit rannte los.

Sie war so tapfer. Meine Königin.

„Nein," sagte Frodo mehr zu sich selbst, als zu jedem anderen.
Er flüsterte:„Nein, nein, nein..."
Dann ließ er sich neben die am Boden liegende Elbe fallen und nahm ihre Hand.
Sie hob ihren Blick, doch schien ihn nicht zu sehen. Ihre hohen Wangenknochen und Schläfen erkannte der Hobbit sofort und ihre Augen waren selbst blass und müde. Nach einiger Zeit, konnte sie ihn sehen. Endlich...
Sie ließ seine Hand los und lächelte sanft.
Wie er dieses Lächeln liebte und vermisst hatte. Aber so wie sie jetzt aussah, war sie beinahe tot.
„Ich...habe... dich...vermisst. Mein..." sie wurde unterbrochen, durch das geöffnete Tor. Wachen zogen sie unsanft heraus.
„Nein, nein... Nein!" Schrie die Elbe qualvoller als je zuvor. Frodo versuchte sie zu halten, aber wieder konnte er sich nicht bewegen.
„Bitte nicht! Lasst mich los! Lasst mich los!"
Das Wasser in der Pfütze brodelte leicht. Sie hatte keine Kraft mehr.
Dann verblasste alles.
„Frodo?"
„Nein, nein! Tu ihr das nicht an! Noch nicht..."

Dann schreckte er auf. Saß regungslos am Tisch.
Alle um ihn herum.
„Alles in Ordnung?"
Es war so real gewesen. Er wusste es und er hatte den Untergang gesehen. Er hatte ihn festgenagelt und sein Herz zum stehen gebracht. Das war real. Seine hektischen Augen waren weit aufgerissen, auf die Falten in seinen Händen konzentriert. Auf das leichte Zittern, dass er zu unterdrücken versuchte.
„J-Ja, mir geht es gut..."
Er war wie paralysiert. Was war das eben gewesen?


Also... unser kleines Geheimnis behältst du doch für dich, oder willst du, dass ich sie alle töte?

Die Elbe des Wassers___Meine größte LeidenschaftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt