Gnade

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.. 21..22..23..22..23..21..
Ich habe kein Zeitgefühl mehr, seit gefühlten Tagen zähle ich die Sekunden von 21 bis 23, dann wieder zurück.
Ich kann kaum klar denken und alles was mich bei Sinnen hält ist die Hoffnung aus diesem Keller raus zu kommen.

Seit einiger Zeit fing es an hier unten nach Tod zu riechen, weshalb ich vermute das irgendwo in einer finsteren Ecke dieses Kellers eine Ratte oder ein Waschbär verrottet.
Hinzu kommt, das der rohe Geruch von Blut, vermischt mit dem toten Tier mir ständig ein Brechreiz bereiten.

Ich habe seit so langer Zeit nichts gegessen, dass ich manchmal in Ohnmacht falle, wo ich von meinen Freunden und meinem zu Hause träume, nur um dann wieder in diesem Alptraum aufzuwachen. Ich halte es nicht mehr lange aus.

"Zehn zahme Ziegen zogen zehn Zentner Zucker zum Zoo. Zehn zahme Ziegen zogen zehn Zentner Zucker zum Zoo." flüstere ich vor mich hin, diesen Zungenbrecher hatte mir Jimin beigebracht, und irgendwie muss ich mich ja beschäftigt halten bevor ich hier unten noch irre werd.

Vertieft in meinem Spruch, bemerkte ich gar nicht das die Tür zum Keller aufgegangen war, und Taehyung mit einem Napf Wasser herunter gekommen war. Mein Blick war auf den Boden gesenkt, und als ich seine Präsens bemerkte hob ich ihn, erschrak mich und kriechte von ihm weg bis an die Wand hinter mir.
Er stand da, beobachtete mich mit einem gefühlslosen Ausdruck und stellte den Napf ab.
"Trink."

Vor Angst tat ich natürlich was er sagte, und trank wie ein Hund aus dem Napf.
"Sieh dich nur an Jungkook, so weit ist es jetzt also gekommen. Du bist selbst an deinem Schicksal Schuld.. jedoch bekommt man ja schon fast Mitleid mit dir wenn man dich hier unten so jämmerlich zu Grunde gehen sieht." verspottete er mich.
Ich hatte das Wasser ausgetrunken und sah nun hoch zu seinem Gesicht.
" Ich frage mich ob du nun genug gelitten hast, hm? Was meinst du? " fragte er mich, während ich mich kaum auf meinen Armen abstützen konnte.
" Bitte. " flüsterte ich kraftlos und sank meinen Kopf wieder.
Ich hörte ein leises Lachen und mir war schlecht.
" Na gut, Jungkook. Ich gebe dir eine letzte Chance, aber auch nur weil du so abgemagert echt heiss aussiehst." lachte er mich aus und nahm mich an meinem Halsband um mich daran die Treppe hinauf zu ziehen.

Ich konnte es kaum glauben, ich kam tatsächlich aus diesem Keller raus.
Oben angekommen mussten sich meine schwachen Augen erst einmal am das grelle Licht des Apartments gewöhnen, ich war so lange allein dort unten, dass sie sogar wehtun wenn das Licht mich zu stark anstrahlt.
Ich genoss für einen kurzen Augenblick die frische Luft, die Sonne die mir warm auf meine Haut schien und das erleichternde Gefühl von Gnade das Taehyung mir bereitete.

Ich bereute es tiefst nach seiner Mutter zu fragen, genauso wie er ihren Tod bereute. Denn ob er sie getötet hatte oder nicht, hatte er immer noch Mitleid mit mir.
Dies konnte nur eines bedeuten, Taehyung war kein brutaler Killer, er war einfach nur ein sehr verletztes Kind für das man da sein musste.
Und so entschied ich ihn von nun an mit Geduld zu behandeln.

PsychopathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt