◀ Kapitel 12 ▶

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◀ Kapitel 12 ▶

Sam Wilson, Wakanda, 17.45 Uhr

Ich ducke mich unter einem weiteren Monster weg, das auf mich springen will und versuche mir meinen Weg zu Thanos vorzubahnen, der gerade aus seinem Portal herausgelaufen kommt. Ich weiß, dass ich keinerlei Chance gegen ihn habe, doch ich habe das Gefühl, als müsste ich etwas tun. Ich kann hier nicht tatenlos rumsitzen und mich dem eigentlichen Feind nicht mal gestellt haben. Und wenn ich dabei draufgehe, dann ist das eben so. Solange ich Thanos persönlich die Stirn geboten habe, ist es ein ehrenhafter Tod, mit dem ich leben kann.

Thanos hat einen undeutbaren Blick auf dem Gesicht, als er einen nach dem anderen von uns ohne Probleme besiegt. Ich sehe, dass Vision Wanda anfleht, den Stein zu zerstören. Doch ich weiß, dass sie das nicht einfach so kann.

Ich fliege ein Stück hoch und lasse mich dann fallen. Thanos sieht mich nicht kommen, als ich ihn mit voller Wucht ramme, doch es scheint ihn nicht mal zu stören. Er schmeißt mich einfach ein Stück weg von sich und widmet sich dann dem nächsten. Ich habe beinahe schon die Hoffnung aufgegeben, als mir auffällt, dass Annie nicht hier ist. Ich entdecke sie in der Ferne, wie sie Namors Leben verteidigt, während er sich mit schmerzverzogenem Gesicht die Seite hält.

„ANNIE!", brülle ich und hoffe, dass ich so ihre Aufmerksamkeit auf mich ziehen kann. Ihr Blick schießt hoch und unsere Augen treffen sich.

Annie Irwin, Wakanda, 17.47 Uhr

Mein Blick trifft auf den von Sam, während ich Namor und mich weiterhin mit allem, was ich habe, verteidige. Ich sehe geschockt dabei zu, wie Wanda vor Vision steht und all ihre Kräfte dafür einsetzt, den Stein zu zerstören, bevor Thanos bei ihr ankommt. Mit großen Augen sehe ich auf die Situation, die sich vor meinen Augen abspielt. Ich sollte dort stehen. Ich sollte den Stein zerstören. Nicht Wanda. Sie sollte so etwas nicht tun müssen. Sie sollte nicht diejenige sein, die ihre große Liebe töten muss. Und ich sollte auch diejenige sein, die sie vor Thanos beschützt. Stattdessen steht sie dort nun, die anderen Avengers vor ihr, in dem verzweifelten Versuch ihr Zeit zu verschaffen. Ich muss etwas tun! Ich kann nicht untätig dabei zusehen, wie das alles passiert. Innerlich könnte ich mich selbst schlagen. Ich habe meinen Posten verlassen. Ich bin von dort weggegangen, weil ich Namor beschützen musste. Es ist meine Schuld, wenn wir es nicht schaffen, den Stein vor Thanos zu beschützen. Ich habe meinen Posten verlassen und die Verantwortung dafür. Und weshalb? Weil ich meine Gefühle nicht unterdrücken konnte und mich von ihnen habe leiten lassen. Ich fahre zu Namor herum.

„Namor, steh auf!", fahre ich ihn an, da er immer noch auf dem Boden hockt und ich weiß, dass ich keinerlei Recht habe, ihn dafür anzufahren. Er ist verletzt und kann nicht richtig laufen. Doch Namor scheint zu versehen, weshalb ich so reagiere, wie ich es tue. Sein Blick fällt auf Luke, der direkt in seiner Nähe kämpft, nicht mal zwei Meter entfernt.

„Los, geh!", brüllt er mich an und ich zögere. Ich kann Namor doch nicht einfach so hier alleine lassen. Oder?

„Los, mach schon!", fügt Namor noch hinzu und ich drehe mich um und renne los.

Ich renne mit all meiner Kraft, die ich habe und sehe, dass Thanos mittlerweile sogar Natasha bewegungsunfähig gemacht hat. Gerade bahnt sich Steve seinen Weg zu Thanos vor und Steve ist der einzige, der noch zwischen Thanos und dem Stein steht.

Ich renne weiter, als ich Wanda plötzlich schreien höre. Eine gelbe Druckwelle breitet sich aus und reißt mich von den Füßen. Wanda hatte es geschafft! Wanda hatte den Stein zerstört! Ich will beinahe erfreut jubeln, als ich die Druckwelle ein zweites Mal sehe. Dieses Mal allerdings anders herum, als noch eben. Ich brauche einen kleinen Moment, um zu verstehen, was das heißt, doch dann verstehe ich und springe auf. Der eben noch zerstörte Stein, fügt sich wieder zusammen und befindet sich wieder in Visions Kopf. Thanos hatte die Zeit zurückgedreht. Also ist der Zeitstein doch nicht wirkungslos geworden. Das, was wir als Waffe gegen ihn, glaubten in mir zu haben, kann ihm im Endeffekt nichts anhaben.

Thanos greift an Visions Stirn und reißt ihm den Stein aus der Hand.

„NEIN!", brülle ich und feuere meine Kräfte auf ihn, doch sie scheinen wirkungslos zu sein. Ich komme zu spät. Zu spät...

Mit all meiner Kraft und einem wütenden Kampfschrei greife ich Thanos an und verhindere somit zumindest noch, dass er dein Stein in den Handschuh fügen kann. Vielleicht können wir so etwas Zeit gewinnen.

Thanos dreht sich zu mir um und sieht mich mit einem spöttischen Lächeln an. Damit hat er auch völlig Recht, denn jetzt, wo er die Steine hat, ist er um einiges mächtiger als ich allein. Er dreht seinen Handschuh leicht und ich spüre, dass mich eine unsichtbare Kraft zu Boden drückt. Ist dies das Gefühl, das ich T'Challa und weiteren Feinden nur zu gerne zugefügt habe? Es fühlt sich schrecklich an, sich selbst nicht kontrollieren zu können.

Thanos kommt auf mich zu und ich spüre seine ekelhaften Finger an meinem Kopf. Er zwingt mich, ihn anzusehen.

„Annie Irwin... du kamst zu spät.", spricht er das Offensichtliche aus. Ich versuche meinen Blick von ihm abzuwenden, doch ich kann es nicht.

„Mein Kind... Dieser Tag hat nicht nur mich viele Tribute gefordert... doch ich hoffe, dass du etwas von mir lernen konntest.", meint er noch und ich sehe ihn angewidert an.

„Was hätte ich denn von so jemandem wie dir lernen sollen?", spotte ich und er sieht mich beinahe schon bemitleidend an. Ich hasse es, wenn mich Leute so ansehen. Das erinnert mich immer wieder an den Blick, mit dem mein Vater mich damals immer angesehen hatte.

„Beziehungen sind Seile, Liebe ist eine Schlinge.", verkündet er und ich verstehe sofort, was er mit mitteilen will.

„Auch ich habe Liebe verspürt... doch trotzdem hat sie mich nicht so gefesselt, dass ich das große Ganze aus dem Auge verloren habe... ich konnte der Liebe trotzen. Du, mein Kind, konntest das nicht.", sagt er. Ich weiß sofort, worauf er anspielt. Wäre ich Namor nicht blind zu Hilfe geeilt, immer noch gefüllt von nichts anderem als Liebe und Sorge, dann hätte ich meinen Posten nicht verlassen und wäre am Ort des Geschehens gewesen. Doch ich war es nicht... ich war viel zu weit weg. Und warum? Weil ich das große Ganze nicht im Blick haben konnte. In diesem Moment gab es einfach nur Namor, der meine Hilfe gebraucht hat. Ich habe mich von meinen Gefühlen leiten lassen und nur an mich gedacht. Daran, was passiert wäre, wenn ich meinen jahrelangen Freund verlieren würde. Wie ich mich fühlen würde, ohne ihn. Dabei habe ich vergessen, was wichtig war. Und jetzt haben wir verloren. Thanos hat alle Steine. Und wessen Schuld ist das? Meine. Ich hätte etwas tun können. Den Stein einsetzen können oder ähnliches. Doch dafür ist es jetzt zu spät. Ich erinnere mich plötzlich an Worte, die Black Swan mir damals gesagt hatte. Ich habe nur eine einzige Schwäche und die nennt sich Namor McKenzie.

Thanos greift mir an den Kragen und schmeißt mich von sich. Erst mehrere Meter weiter komme ich auf dem Boden auf und bemühe mich gar nicht erst, meinen Fall mit meinen Kräften zu bremsen. Wozu auch? Wir haben verloren. Ich kann nicht mal den Blick halten, als Thanos den Stein an das Gauntlet fügt. Stattdessen sehe ich Thor angeflogen kommen und rolle mich ein Stück zur Seite ab, damit ich weit genug weg von ihm und seiner Waffe bin.

Thor saust an mir vorbei, direkt auf Thanos zu und als sich das beißende Licht der Waffe langsam auflöst, sehe ich, dass Thanos auf dem Boden kniet, in seiner Brust Thors Axt. Langsam richte ich mich wieder auf die Knie auf und will gerade einen Schritt auf die beiden zugehen, als ich Thor ein lautes „Nein!" brüllen höre und Thanos mit dem Finger schnippt. Ein blendender Blitz strömt durch das Gauntlet und lässt die Überreste davon nur noch verkohlt zurück.

Ich bekomme gar nicht mehr mit, was Thanos und Thor noch sagen. Ich sehe nur noch, dass Thanos durch ein Portal verschwindet und sich plötzlich eine bedrückende Stille ausbreitet.

„Annie.", höre ich es hinter mir und weiß, dass es Namor ist. Sofort drehe ich mich zu ihm um und sehe ihn hinter mir stehen. Doch irgendwas an ihm stimmt nicht. Sein Blick fällt immer weiter und er will gerade etwas sagen, als sich der Körper meines besten Freundes zu Staub auflöst. 

Annie IV - Infinity War + EndgameWo Geschichten leben. Entdecke jetzt