Außer Sichtweite der Wachen und abseits der Straße binde ich die Gefangenen los. Glücklicherweise scheinen sie mich erkannt zu haben, denn sie machen keinerlei Anstalten, mich anzugreifen. Mittlerweile ist auch ein Funken ihrer alten Arroganz und Haltung zu erkennen. Sie stehen aufrecht, mit vorgestreckter Brust und reiben sich verstohlen die Handgelenke, anscheinend ist es ihnen peinlich, auf Hilfe von außerhalb angewiesen zu sein. Tja, ihr Pech. Hercule, der Anführer dieses kläglichen Haufens, pardon, der Auserwählten, dankt mir, kann sich aber einen verwirrten Blick auf meine unteren Regionen nicht verkneifen. Aber glücklicherweise spricht er mich nicht darauf an und ich erkläre ihm ganz bestimmt nicht, wie das passiert ist. Das ist für sein kleines Auserwähltenköpfchen zu kompliziert. Hercule sagt gerade etwas. Wie so oft, habe ich den Anfang nicht mitbekommen: 《Wir brauchen einen Plan, um in die Höhle des Seedrachen zu kommen - wir wissen immer noch nicht, was dieser Krakanerabschaum plant, und was die Auserwählten damit zu tun haben.》Moment mal, was? Warum wollen sie zurück? Wir sind doch gerade so erst daraus gekommen und diese Deppen wollen sich nochmal schnappen lassen?? 《Wächter, Ihr bringt uns in den Palast zum Anführer der Krakaner. Wir sollten ohnehin dorthin gebracht werden. Ihr seid hier anscheinend irgendein hohes Tier. Ihr werdet herausfinden, was dieser Dreck plant, Robyn, du schwimmst zurück zur Festung und warnst die Königin. Sag ihr, wir sollten vorsichtshalber die Truppen mobilisieren.》《Hercule, stopp. Erstens, mit welchem Recht erteilt Ihr mir Befehle? Zweitens, dieser Plan ist einfältig. Ich habe keine Ahnung, wie lange der Zauber anhält. Drittens, es kann uns doch egal sein. Machen wir einfach die Truppen klar, und warten ab, was passiert. Viertens, obwohl ne, die drei Argumente reichen.》Hercule starrt mich ausnahmsweise sprachlos an. Er schluckt, schüttelt den Kopf und brüllt, so das ich vor Schreck zusammenzucke. 《Natürlich werden wir zurückgehen! Was glaubt Ihr denn?! Wir müssen in Erfahrung bringen, was dieser Abschaum gegen Atlantis plant! Und Ihr werdet uns dabei helfen! Ob Ihr wollt oder nicht. Und ich erteile Befehle, wie es mir passt! Oder seid Ihr zu feige, uns zu helfen?》Jetzt bin ich sprachlos. So hat noch nie jemand mit mir gesprochen. 《Wie war das? Sag das nochmal.》《Ihr seid feige.》《Jetzt reicht es! Ich habe mein Leben riskiert, um euch da rauszuholen, bin dabei beinahe gestorben und habe ganz nebenbei bei den größten Schreck meines Lebens bekommen, als ich feststellen musste, dass meine Beine durch Tentakel ersetzt wurden. Und trotzdem habe ich meine letzten Nerven mobilisiert, um eure erbärmlichen Ärsche zu retten, da ihr dazu anscheinend nicht in der Lage gewesen seid. Wie viele seid ihr? Zehn? Und habt es nicht geschafft, hirnlosen Idioten ein Schnippchen zu schlagen? Ernsthaft? Und Ihr, Hercule nennt mich feige?! Ich glaube, Ihr habt nicht mehr alle in eurem Oberstübchen.》 Mann. Jetzt merkt man, dass ich leicht zu reizen bin. Na das ist ja ganz toll. Ich muss mich zusammenreißen, sonst sterben hier noch welche. Drifter stößt mich nicht gerade sanft an. Er scheint also auch zu bemerken, dass ich kurz vor dem totalen Ausraster bin. Tief hole ich Luft. Ein und aus. Ein und aus. 《Aber gut. Wir werden euch Idioten begleiten, einer muss ja dafür sorgen, dass ihr nicht völlig an der Alge dreht. Mein Plan ist folgender...》Aber irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass wir alle ein entscheidendes kleines Detail übersehen haben...
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Der Wächter von Atlantis
FantasyEin Abenteuer zu bestreiten ist das Eine. Unfreiwillig in ein Selbstmordkommando zu stürzen mit Aussicht auf niederschmetternde Ironie etwas ganz anderes. Wenn ich mich vorstellen darf? Ich bin Fley, einer der Wächter von Atlantis und dabei, blindli...