Ohh, mein Kopf. Was ist passiert? Wo bin ich? Langsam kommen mir die Erinnerungen wieder hoch. Das Lachen, die Schreie, der Schlag auf den Schädel. Dieser ekelhaft süße Geruch. Drifter! Was ist mit ihm? Langsam, fast schon im seeschneckentempo öffne ich meine Augen. Zuerst ist noch alles dunkel, dann kann ich die Gitterstäbe sehen. Auf der anderen Seite ist ein Stückchen dunkler Flur zu erkennen. Auch hier ist dieser Geruch, der in mir das Gefühl auslöst, sich übergeben zu wollen. Dazu kommen noch die tierischen Kopfschmerzen. Alles in allem trägt es nicht gerade dazu bei, dass ich gut gelaunt bin. Ein leises Schnauben rechts von mir lässt mich herumwirbeln. 《Drifter! Oh du bist da! Oh Neptunia sei dank!》《Schön, dass Ihr wieder das Tageslicht erblickt, aber hebt Euch das Gesülze für später auf. Überlegt lieber, wie wir hier rauskommen. Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.》Ach, wie ich dieses nervige Gelaber meines geliebten Hercules vermisst habe. Nicht. Was fällt dem ein? Das war schließlich seine bescheuerte Idee. 《Haltet die Luft an, Hercule! Wenn ich mich nicht täusche, war es Eure glorreiche Idee, sich gefangennehmen zu lassen, befreit zu werden, nur um dann noch mal freiwillig, völlig wehrlos in die Hände Eurer Feinde zurückzukehren. Ich hätte ja nichts dagegen einzuwenden gehabt, wäre da nicht diese kleine, wirklich klitzekleine Tatsache, dass Ihr mich und Drifter da rein gezogen habt! Und Ihr wart anscheinend schon vor mir wach, also hättet Ihr Euer Erbsenhirn ruhig ein wenig benutzen können, selbst wenn nur Mist dabei rauskommt. Dasselbe gilt auch für die anderen!》 Mann bin ich sauer. Wenigstens lassen die "Außerwählten" beschämt den Kopf hängen. 《Aber ich bin ja nicht so. Alleine seid ihr ziemlich unfähig. Ich frage mich, wie ihr es überhaupt geschafft habt, zu den besten Kriegern des Reiches zu werden. Drifter, hilf mir mal. Ich will hier raus. Da drüben ist ein kleines Loch. Wenn wir es vergrößern, können wir vielleicht ausbrechen.》Drifter nickt zustimmend. Ich beginne zu graben. Die Krakaner sind wirklich hirnlos. Keine Wachen vor der Zelle, keine Ketten, die uns an Ort und Stelle halten würden und dann noch alle zusammen eingesperrt. Ganz ehrlich? Es würde mich nicht wundern, hätten sie die Tür nicht abgesperrt. Obwohl... Schnell erhebe ich mich und gehe zur Tür. Kurz rüttele ich daran. Offen! Das gibt's doch nicht. Sind die Krakaner wirklich so dämlich oder ist das alles eine Falle? Immerhin waren sie ja so schlau, mir die Waffen abzunehmen. Leider auch die Schriftrolle. Moment mal was?! Scheiße! 《Planänderung! Hier geht's lang.》Verwirrt drehen sich die Auserwählten zu mir um, dann fällt ihnen die offene Tür ins Auge und ein Strahlen erhellt ihre Gesichter. Wir müssen hier weg sein, ehe sie ihre Falle zuschnappen lassen und dabei meine Waffen, die Schriften und eventuell nützliche Informationen einsammeln. Na, wenn das mal keine Herausforderung ist! Leise huschen wir die Gänge entlang. Ab und an sehen wir düstere Gestalten in einer der unzähligen Zellen, aber keine Wachen. Kurios. Am Ende eines Ganges stoßen wir auf eine Biegung. Links oder rechts? Mein Bauchgefühl sagt rechts, mein Kopf sagt links. Vorsichtig horche ich in den linken Gang. Leises Stimmengemurmel lässt sich aus einer nur angelehnten Tür vernehmen. Höchstwahrscheinlich handelt es sich um eine der Wachkabinen, in welchen die Wachen sich nach einem anstrengenden Arbeitstag einen genehmigen. Vielleicht sind da ja auch die Waffen! 《Schh, wir müssen jetzt leiser als leise sein. Dort drüben sind Wachen. Vielleicht erfahren wir ja mal etwas nützliches.》Einstimmiges Nicken, anschließend bewegen wir uns mehr oder weniger im Gänsemarsch zu einer kleinen, vergammelten Tür. Es wundert mich, dass sie nicht schon längst in sich zusammengefallen ist. Vorsichtig luge ich um die Ecke. Tatsächlich die Kabine der Wachen. An einer der Wände kann ich Krakanenkiller ausmachen. Friedlich hängt es da in seiner Scheide und wartet darauf, befreit zu werden. Mein Pergament liegt ausgerollt auf dem Tisch. Die Wachen, es sind zwei, sehen schon ziemlich angetrunken aus. Wehe die kotzen mir auf die Schriftrolle! Ozeania würde mich umbringen und das wär's dann mit meiner glanzvollen Karriere als Wächter von Atlantis. Hercule scheint ausnahmsweise meiner Meinung zu sein, als ich ohne Worte vorschlage, die Wachen zu überrumpeln und uns unsere Sachen wieder anzueignen. Leise huschen wir in den Raum, ohne die Tür zu berühren, um eine eventuelle Erregung der Aufmerksamkeit zu vermeiden. Hercule schleicht sich zusammen mit zwei anderen um den Tisch. Die Wachen in ihrer gleich beendeten Saufkampagne haben uns noch immer nicht bemerkt, ihre Aufmerksamkeit gilt ganz ihren Getränken vor ihnen auf dem Tisch. Als alle positioniert sind lasse ich ein kurzes Räuspern meiner Kehle entweichen. Die Reaktion der Beiden ist einfach unvergesslich! Sie schreien auf, wie zwei kleine Mädchen und ihre Gesichter zeigen völlig synchron die Angst vor uns, sowie das Wissen, dass ihr Leben gleich vorbei sein wird. Dennoch wollen sie nicht kampflos aufgeben. Wankend versuchen sie ihre Schwerter zu zücken, der eine wagt noch einen kläglichen Versuch Alarm zu schlagen, aber es ist zu spät. Zwei kurze Umdrehungen, zwei Knacken später und das Leben der armen Fische ist beendet. Irgendwie empfinde ich Mitleid mit ihnen, schließlich können sie nichts dafür, dass sie ausgerechnet bei unserem Fluchtversuch Wache schieben mussten. Aber dieses Mitleid ist relativ schnell unter die Koralle gekehrt, für so etwas habe ich nun wirklich keine Nerven. Wahrscheinlich werde ich nachher einen Zusammenbruch erleiden, aber noch nicht jetzt. Schnell schnappe ich mir mein Schwert samt Scheide und gürte es mir um. Mann, habe ich dieses Gewicht von solidem Pirigrôn vermisst! Zeitgleich mit Hercule greife ich nach dem Pergament. 《Hercule,.. meine Mission, meine Verantwortung. Ozeania hat die Schriftrolle mir anvertraut. Lasst los.》《Nein Wächter, ihr lasst los. Wenn ihr nicht so unfähig gewesen wärt, wären wir jetzt nicht in dieser Situation. Ihr seid es nicht wert, die Macht unseres Volkes zu hüten.》Ich glaub, ich hör nicht recht! 《Unfähig? Ich?! Ihr spinnt ja wohl. Ihr seid derjenige, der es mit Unterstützung von 9 Männern geschafft hat, sich von hirnlosen Kreaturen übertölpeln zu lassen! Ozeania hat mich beauftragt, euch den Arsch zu retten und zwar mithilfe dieser Magie! Also lasst mich meinen Job machen und steht mir nicht im Weg! Oder soll ich Ihrer Majestät sagen, dass ihr mich in meiner Arbeit beeinträchtigt und damit den Feinden in die Hände spielt? Ihr wisst, was das für Euch bedeutet!》Knurrend vor Widerwillen lässt der Anführer schließlich los. Geht doch! 《So, da Hercules Plan, hier zu spionieren gescheitert ist, bin ich ab sofort der Kommandeur. Wir werden jetzt ohne Umwege nach Hause gehen und Bericht erstatten. Keine Widerworte! Keine Diskussionen! Abmarsch. Drifter, du hast doch einen guten Spürsinn. Zeig uns den Weg nach draußen.》Mein Delfin nickt zustimmend und flitzt aus der Kammer. Schnell folgen wir dem an Geschwindigkeit zunehmenden Tier. Kurz darauf stehen wir schon an einem der Ausgänge, die, dass muss ich ihnen lassen, gut versteckt in dem Knochenhaufen eingearbeitet sind.
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Der Wächter von Atlantis
FantasyEin Abenteuer zu bestreiten ist das Eine. Unfreiwillig in ein Selbstmordkommando zu stürzen mit Aussicht auf niederschmetternde Ironie etwas ganz anderes. Wenn ich mich vorstellen darf? Ich bin Fley, einer der Wächter von Atlantis und dabei, blindli...