Kapitel 25

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Hier draußen peitschte der Sturm den Regen wie einen Gejagten durch die Straßen. Ungeduldig lugte ich immer wieder unter dem Vorstand hervor. Aber auf den regennassen Straßen war niemand zu sehen. Die Uhr des nahegelegenen Kirchturms leitete die nächste Stunde geräuschvoll ein. Langsam wurde ich ungeduldig. Ich versicherte mich erneut mit einem Blick auf das verblichene Schild, ob ich nicht doch am falschen Treffpunkt war. Aber ich war richtig. Dies hier war das geschlossene Hotel, von wo Jonathan mich abholen wollte. Die angenagelten Bretter vor den Fenstern des maroden Hauses waren ein eindeutiges Indiz dafür. Auf dem Marktplatz heute Morgen hatte er mich heimlich abgefangen und mir nichts weiter gesagt, als heute Abend an diesem Treffpunkt zu erscheinen. Als ich gerade in Gedanken versunken darüber nachdachte, wohin Jonathan mich mitnehmen wollte, erschien eine hochgewachsene Männergestalt in meinem Blickfeld.

»Entschuldigen Sie, dass ich Sie hier so lange warten lassen habe. Ich kam nicht eher weg.«

»Ich dachte schon Sie säßen dort drüben in der Kneipe und würden sich einen Spaß daraus machen, wie ich mich hier allmählich in eine Pfütze auflöse«, neckte ich ihn.

Jonathan legte ein schiefes Lächeln auf. »Ich will nicht leugnen, dass das durchaus zu mir passen würde. Kommen Sie bitte, folgen Sie mir.«

Auf unserem Weg durch die engen Straßen begegneten wir nur wenigen Menschen, die bei dem Wetter an diesem Abend einen Fuß vor die Tür gewagt hatten. Neugierig blickte ich mich um. Das Regenwasser glitzerte auf den Pflastersteinen, die von spärlichen Lichtern in den Gassen beleuchtet wurden. Aus dichtgedrängten Häusern quoll fahler Rauch in den Abendhimmel. Jonathan bewegte sich zielstrebig voran und ich folgte ihm wie ein Schatten. Innerlich wurde ich immer nervöser, da er sich bisher sehr bedeckt gehalten hatte, wohin er mich eigentlich mitnahm. Die Aufregung kribbelte in mir und ich war mehr als gespannt, in was mich mein Empfänger einweihen wollte. Plötzlich blieb Jonathan stehen und im letzten Moment konnte ich gerade noch so verhindern, dass ich bei ihm auflief. Wir befanden uns vor einem schlichten Haus, das nicht weniger verlassen wirkte, als das Hotel, vor dem ich auf Jonathan gewartet hatte. Anstatt die Stufen zu der Eingangstreppe zu nehmen, führte er mich eine schmale, schier endlose Treppe hinunter, bis wir schließlich vor einer verschlossenen Kellertür stehen blieben. Ich sah Jonathan unsicher an.

Nicht, dass das alles erlogen war und er mir jetzt eins auswischen wollte?, kamen für einen Moment Zweifel bei mir auf.

Als er von der untersten Treppenstufe trat, klopfte er an die Tür. Ohne, dass jemand zu sehen war, öffnete sie sich und Jonathan zog mich mit sich.

»Rhy, ich habe einen Gast mitgebracht«, wandte sich Jonathan an eine Gruppe von Männern, die mich daraufhin anstarrten.

»Wer ist das?« Der Mann, den Jonathan mit Namen angesprochen hatte, sah mich überrascht und auch etwas kritisch an.

»Sie weiß einige interessante Dinge über die Norfolk-Rebellen«, klärte Jonathan ihn auf.

»Ach.« Der junge Mann intensivierte den Blick, den er mir zuwarf. »Ich bin Rhy«, stellte er sich schließlich nochmals vor, obwohl Jonathan seinen Namen bereits erwähnt hatte. Der Mann war nicht unattraktiv. Er war bestimmt einen Kopf größer als ich, sodass ich zu ihm aufsehen musste. Seine nachtschwarzen Haare waren eindeutig zu lang und fielen ihm in die Stirn.

Ich blinzelte nervös, weil mich noch immer alle musterten. »Ailina«, brachte ich schließlich hervor und stellte mich den Fremden vor.

»Herzlich Willkommen. Dass hier rechts neben mir ist Frederic.« Rhy nickte in Richtung eines weiteren Mannes und begann sofort damit mir die anderen Leute in dem Raum vorzustellen. Der Mann, der mir als Frederic vorgestellt wurde, hatte blutunterlaufene Augen, die von dunklen Ringen umgeben waren. Eine Narbe auf seiner fahlen Wange war ein weiteres Anzeichen dafür, dass er ein ehemaliger Soldat sein musste, der auf das Blut einer Spenderin angewiesen war.

Die BlutspenderinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt