Die Dämmerung des anbrechenden Morgens lauerte bereits vor den Fenstern, als mich ein Geräusch aus dem Schlaf riss. Kurz musste ich mich fassen, ehe mich mein Bewusstsein darüber aufklärte, dass sich mein Körper im Blutspendezimmer der Hadleys befand. Nach dem Gespräch mit Tareesa hatte sie Jonathan und mich dazu bewegen können die Blutspende zu Ende zu führen, die wir in Schweigen gehüllt über uns ergehen lassen hatten. Als ich mich nun umschaute, war die Liege neben mir leer. Mein Mund fühlte sich von der anstrengenden Nacht, die ich hinter mir hatte trocken an und resigniert musste ich feststellen, dass das Glas Wasser neben meinem Bett leer war. Noch immer wunderte es mich, wieso ich nach einer Blutspende so einen immensen Durst verspürte. Letztendlich drängte der komische Geschmack in meinem Mund mich dazu, mich von der Krankenliege zu lösen. Im Flur stieß ich fast mit meinem Empfänger zusammen.
Irritiert Jonathan Hadley mit angezogenem Mantel und Gehstock ausgerüstet in diesem Zimmer zu dieser Uhrzeit stehen zu sehen, blinzelte ich mit den Augen.
»Was haben Sie vor?«
»Ich wollte ein bisschen an die frische Luft nachdenken.«
»Nachdenken? Und das geht nicht hier drinnen?«, hakte ich mit noch immer scharfem Tonfall nach.
»Nein.« Seine Stimme klang ebenfalls rau.
»Ich wollte mir nur etwas zu trinken besorgen. Gehen Sie ruhig, ich bin gar nicht da.« Immer noch angesäuert von seinen unverschämten Worten von vorhin, wollte ich einen Schritt an ihm vorbei machen.
»Begleiten Sie mich?« Einen Moment lang war ich zu überrumpelt, um zu antworten.
»Jetzt? Nach draußen?«
»Ja.« Ein Lächeln huschte über Jonathans Gesicht, zu kurz um es fassen zu können.
»Warum sollte ich?«
»Bitte.«
Noch immer ein wenig perplex, dass ich meinem Empfänger nachgegeben hatte, stand ich wenige Minuten später in einer Jogginghose und meinen Mantel gehüllt, neben Jonathan und starrte der aufgehenden Sonne entgegen, die vorsichtig die vor ihr liegenden Wolken beiseiteschob. Zwischen uns herrschte wie so oft Schweigen.
»Sie hassen mich jetzt oder?« Überrascht blickte ich Jonathan Hadley an und hob eine Augenbraue. Ich klammerte meine Hände um einen der knospenbedeckten Äste und versuchte zu verstehen, worauf mein Empfänger hinauswollte.
»Wieso sollte ich Sie hassen?«
»Naja ich war vorhin ziemlich fies und eigentlich bin ich Ihnen das gegenüber immer.«
»Ja, wenn ich ehrlich bin, eigentlich sollte ich das«, gab ich ihm die Antwort, die er nicht anders verdient hatte. Daraufhin sagte er nichts und ich konnte erkennen wie das Lid seines rechten Auges leicht zuckte.
»Ich scheine die seltene Begabung zu besitzen Menschen von mir wegzustoßen.«
Ich suchte nach den passenden Worten. »Aber es gibt bestimmt einen Grund. Sie waren doch nicht schon immer so? So unausstehlich?«, versuchte ich es.
Jonathan gluckste leicht. »Unausstehlich trifft es wohl.«
»Aber es ist bestimmt nicht einfach. Das alles, was Sie gesehen haben.«
»Bitte versuchen Sie nicht Entschuldigungen für mein Verhalten zu finden.«
»Tue ich nicht, ich versuche nur ein wenig aus Ihnen schlau zu werden.«
»Und was haben Sie bisher herausgefunden?«
»Eigentlich nichts, wenn ich ehrlich bin.«
»Oh, dann bin ich in Ihren Augen also ein Nichts.« Leicht belustigt funkelten mich seine grünen Augen an. Ich versuchte in ihnen herauszufinden, was er dachte. Wie immer vergebens.
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Die Blutspenderin
Ciencia FicciónEnde des dritten Weltkriegs. Nach der Einberufung ihrer älteren Schwester Gina als Blutspenderin in das Staatskapitol, bleibt Ailina mit Ginas Tochter Skayla alleine zurück. Inzwischen kehren immer mehr Soldaten von der Front nach Agalega heim. Dar...