"Treffen wir uns dann um 18 Uhr hier unten vorm Haus?" Isa freut sich wie ein kleines Kind. Endlich würde sie nicht mehr wie das fünfte Rad am Wagen mit Hunter und Michael mit fahren.
"Ja machen wir." Lauri wusste nur, dass das Lagerfeuer an irgendeinem See ist. Laut Isa würde fast die Hälfte des Jahrgangs kommen. In ein paar Tagen startet auch hier wieder die Schule und es kann nicht schaden, die Leute bereits vorher zu treffen. Gut, dass Isa beschlossen hat, sie zu so etwas wie ihrer Freundin zu machen, obwohl sich Lauri noch nicht ganz schlüssig darüber ist, ob sie sich hier wohlfühlt oder anfängt alles daran zu setzen weg zu kommen. Die Rundfahrt heute hat ihr Spaß gemacht, selbst mit dem Quad hatte sie sich immer mehr getraut und die Mädchen waren über die Wiesen gebrettert. Ja doch, das zählt Lauri zu einem gelungenen Tag. Jetzt muss nur noch der Abend gut werden. Vielleicht gibt es ein paar coole Leute unter ihnen.
"Hey Kleines." Kaitlin gesellt sich zu ihr an den Weidenzaun. "Wie war es?"
"Richtig gut. Ich war ja erst nicht so begeistert, aber mit den Quads hat es Spaß gemacht." Sie schenkt Kaitlin ein kleines Lächeln. Zu ihr kann man nur nett sein. Diese Frau ist die Herzlichkeit in Person und auch jetzt umarmt sie Lauri nur mütterlich und freut sich, dass es ihr doch etwas Spaß macht auf der Ranch.
"Ich habe von Hunter gehört, dass er dich letzte Nacht hier auf der Weide gefunden hat."
Oh nicht doch. "Es war wirklich nicht so, wie er es dir erzählt hat."
"Ach nein? Er hat mir erzählt, dass er völlig fasziniert war, wie nah du an Nelson heran durftest. Dass er sogar freiwillig zu dir gekommen ist."
Lauri macht große Augen. DAS hat er also seiner Mutter erzählt? Und sie wird wie ein kleines Kind von ihm behandelt. Verstohlen wirft Lauri dem Pferd auf der Weide einen Blick zu. Nelson heißt er also. Ein wunderschönes Pferd; rabenschwarz wie die Nacht, in der sie auf ihn getroffen war. Hunter hat solch einen Terz veranstaltet, der Hengst sei so gefährlich. Sie zuckt die Schultern und sieht Kaitlin wieder an.
"Er hat mich praktisch überrumpelt. Hunter hat übertrieben."
"Geh bitte mal zu Nelson und gib ihm einen Apfel." Auffordernd hält Kaitlin ihr einen Apfel hin. Soll das jetzt irgendein Witz sein? Der eine sagt das Pferd ist gefährlich, dann soll sie hingehen und es füttern. Genervt schnappt Lauri sich den Apfel und klettert über den Zaun. Kaum das sie auf der Weide steht, guckt Nelson sie an. Lauri bleibt stehen. So richtig möchte sie nicht weiter gehen. Was wenn Hunter sie nicht ohne Grund gewarnt hat. Andererseits würde Kaitlin Lauri doch wohl nicht in Gefahr bringen. Sie versucht sich daran zu erinnern, wie sie es früher als kleines Kind gemacht hat, dass ein Pferd kam. Vorsichtig macht sie noch ein paar Schritte. Dann streckt sie ihre Hand mit dem Apfel in Nelsons Richtung. Er spitzt die Ohren. Er steht einige Meter von Lauri entfernt, riecht jedoch den Apfel. Lauri wirft den Apfel einmal in ihrer Hand hoch. Mehr braucht Nelson nicht. Mit einem Wiehern trabt er los. Den Kopf auf und ab schüttelnd bleibt er vor Lauri stehen und nimmt ihr den Apfel aus der Hand. Sie atmet erleichtert aus. Gut das schwere Pferd hat sie nicht platt gemacht. Als es sie anstupst und versucht noch mehr in ihren Taschen zu finden, lacht sie und streichelt Nelson. Sein Fell glänzt wie schwarzer Lack in der Sonne und ist weich wie Seide.
Kaitlin beobachtet zufrieden die Szene, die sich ihr bietet. Von wegen Stadtmädchen. Lauri hat nichts verlernt, sie will es nur nicht wahrhaben, dass sie hier her gehört.
"Mum, was macht sie denn da?" Ungläubig starrt Hunter seine Mutter an. Sie kann doch nicht einfach Lauri ermutigen so einen Mist zu machen. Nelson hatte ihn schon mehrfach über den Haufen gerannt. Dieses blöde Vieh lässt sich von niemandem mehr anfassen seit seine Mutter verstorben ist.
"Psst, sei doch leise. Sieh nur wie er Lauri vertraut und sie an sich heran lässt. So nah kam niemand mehr an Nelson heran. Vielleicht spürt er mit ihr eine Verbindung."
Hunter verdreht die Augen. Seine Mutter ist und bleibt eine Träumerin. Er dagegen ist Realist. Lauri kann nicht reiten, hat keine Ahnung von Pferden und weiß nicht, wie man hier lebt. Ein kleines verwöhntes Blondchen ist sie. Und seine Mutter bestätigt sie noch im sich selbst toll fühlen. Oh man. Kopfschüttelnd geht er wieder an die Arbeit.
Lauri hat Hunter nur kurz am Zaun gesehen, sah wieder so aus, als hätte er ein Problem mit dem was sie hier macht. Sie hält sich an Nelsons Mähne fest und geht los. Mal sehen, ob der schwarze Riese ihr folgen wird.
Kaitlin bekommt noch größere Augen. Der Hengst, der die letzten Monate nur Terror gemacht hat, lässt sich von Lauri an den Zaun führen. Zufrieden strahlt Lauri ihre Patentante an.
"Er ist einmalig! So ein hübscher Junge." Sie tätschelt Nelson den Hals.
"Lauri ich weiß gerade absolut nicht, was ich sagen soll. Dieses Pferd hat niemanden an sich mehr heran gelassen. Jetzt kommst du und er folgt dir wie ein zahmes Schaf."
Über Kaitlins Worte freut Lauri sich so sehr. Sie hatte seit acht Jahren nichts mehr mit Pferden zu tun. Trotzdem ist er mit ihr gekommen und war ganz artig.
"Magst du ihn mal reiten?" Kaitlin geht noch einen Schritt weiter. Wenn Lauri doch nur ja sagen würde. Sie ist früher ein so talentiertes kleines Mädchen gewesen im Sattel und dieser junge Hengst ist das vielversprechendste Pferd auf der ganzen Ranch. Entsetzt guckt Lauri ihre Patentante an.
"Nein! Du spinnst doch, ich steige auf keinen bekloppten Gaul!" Wütend stampft sie zurück in Richtung Haus.
"Lauri, warte doch." Zwecklos. Sie ist schon in der Tür verschwunden. Auch wenn Nelson im Moment nicht danach aussieht, er ist genauso bockig wie Lauri. Kaitlin ist sich ganz sicher, dass es nur Show von ihr ist. Sie kam vorhin mit Isa so gut gelaunt wieder. Lauri will es sich einfach nicht eingestehen. Hier ist sie geboren und hat bis sie neun wurde auch hier gelebt. Sie erinnert sich einfach nicht genug daran. Ihre Ideale vom perfekten Leben in den Hollywood Hills will sie bisher nicht loslassen. Kein Problem für Kaitlin; mit etwas mehr Zeit würde das werden. Sie ist gestern erst angekommen und saß schon auf einem Quad Offroad. Hunter hat da sicher nicht ganz Unschuld dran. Kaitlin hat schon bemerkt, dass er sie ständig versucht klein zu machen. Lauri hingegen will sich die Blöße nicht geben und springt über ihren Schatten. Das würde alles sehr interessant werden die nächste Zeit.
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Country Roads take my Heart
Teen FictionCountry Roads oder Rodeo Drive? Bis vor wenigen Monaten wäre die Antwort glasklar gewesen. Lauri hat ihr Leben immer geliebt. Bis zu diesem einen Abend. Auf der Ranch ihrer Patentante soll sie neu anfangen oder so ähnlich. Mitten in den Weiten Monta...