Restrisiko

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Sie haben die abscheulichsten Verbrechen begangen: Mord, schwerer sexueller Missbrauch von Kindern, Vergewaltigung. Von der Gesellschaft weggesperrt, fristen die Straftäter ihr neues Dasein im Maßregelvollzug - meist lebenslang. Hinter den grausamen Taten der Straftäter verbergen sich krankhafte seelische Störungen wie Schizophrenie, massive Persönlichkeitsstörungen oder sexuelle Orientierungsstörungen, die es zu therapieren gilt.

Mit wenigen persönlichen Habseligkeiten um sich herum, mit Goldfischen im Hofteich und Geranien vor den vergitterten Fenstern, versuchen die Gefangenen so normal zu leben wie es unter diesen Umständen geht. Nachts werden sie in ihren Räumen eingesperrt. Hier kann niemand entkommen. Oberstes Ziel im Maßregelvollzug: Sicherung und Therapie. Im Gegensatz zum Justizvollzug ist für die kranken Straftäter die Unterbringung in der Forensischen Psychiatrie immer unbefristet.

Noch nie zuvor konnte ein Filmteam sich wochenlang in einer Einrichtung des Maßregelvollzugs aufhalten, um dort den Alltag zu beobachten und zu dokumentieren. Der Film ist keine leichte Kost. Er taucht ein in eine fremde, unheimliche Welt. In ihr leben Menschen, die auf den ersten Blick nicht krankhaft, böse oder triebgesteuert wirken. Im Gegenteil. Sie sind ausgesprochen höflich, äußerst zuvorkommend. Und doch sind sie gefährlich, manchmal überdurchschnittlich intelligent und äußerst manipulativ. Wie Herr F., der sich seine eigene Wahrheit zurechtbastelt, damit er sich nicht mit der Realität auseinandersetzen muss. Im Maßregelvollzug wird er jedoch dazu genötigt, hier besteht ein Zwang zur Therapie.

„Sie können einem Menschen nicht ansehen, ob er gefährlich ist.“ sagt Dr. Nahlah Saimeh. Sie ist die ärztliche Direktorin des LWL Zentrums für Forensische Psychiatrie in Lippstadt. 
Katrin Bühlig und Dagmar Biller haben einen Film über Menschen gemacht, die im Maßregelvollzug leben. Kaum jemand weiß etwas über diese Häftlinge, die eigentlich Patienten sind. „Für die sind wir Monster“ beschreibt ein Insasse die Meinung derer, die außerhalb der Vollzugsmauern leben. Katrin Bühlig begleitet drei Männer durch ihren Alltag in der Forensischen Psychiatrie, die für viele ein „neues Zuhause“ geworden ist. Dr. Saimeh beschreibt die Psychiatrie als Teil eines „humanistisch angelegten Rechtssystems“ und somit als neuer Lebens-, Arbeits- und Freizeitraum für ihre Patienten.
Im Maßregelvollzug für Sexualstraftäter leben Männer, die nicht vollzurechnungsfähig sind und schwere psychische Störungen haben. Katrin Bühlig fragt sie nach ihrer Kindheit, ihren Eltern und eigenen Missbrauchserfahrungen, aber auch nach ihrer Tat. Ein Insasse sagt: „Ich bin schuldig“, ein anderer antwortet: „Es ging um Sex und Macht und Zuwendung.“. Die Patienten kommen teils selbst aus zerrütteten Elternhäusern und sind im Heim oder bei Adoptiveltern aufgewachsen. Manche wurden selbst jahrelang missbraucht. In Lippstadt entwickeln sie erstmals Hobbys oder machen einen Schulabschluss. Manche entdecken durch Filme zum ersten Mal romantische Gefühle. Fast alle aber leben mit der Gewissheit, den Vollzug nicht mehr zu verlassen.

Wer Missbrauch nicht verstanden hat, sollte sich informierenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt