Just Melvin, Just Evil

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Es war Ende 1997 als meine Mutter, Ann, anrief um mich wissen zu lassen, dass ihre Mutter, Fay Just, im Sterben lag. Meine Großmutter Just war dabei sich in den Tod zu trinken und hatte ein Gewicht von 34 Kilo erreicht, so dass alle 6 Kinder entschieden ein Treffen im Krankenhaus in Nordkalifornien, zwecks Erbs-Aufteilung, zu vereinbaren.

Dieses Treffen beinhaltete meine Mutter und ihre 3 Geschwister inklusive der Zwillinge  (meine Tante Jan und Tante Jean) und ihr Bruder (mein Onkel Jim). Meine Mutter und ihre Schwestern haben desweiteren von Oma Just's zweiter Ehe mit Melvin Just 2 Halb-Schwestern - beide aus der Umgebung, so dass sie sicherlich auch die Reise zum Familientreffen antreten würden.

Die Zwillinge und ich standen uns immer sehr nahe mit Onkel Jim, aber als Kind stand ich June und Jerri am Nahesten, da wir altersbedingt nicht soweit auseinander lagen. Ich kann mich erinnern als Oma Just mit Opa Just verheiratet war (Melvin Just), als wäre es gestern gewesen. Sie lebten auf einem Autofriedhof und er herrschte dort über eine unbeschreibliche Mechanik. Oma hatte eine sehr garstige Art, dennoch liebte ich sie von ganzem Herzen. Als ich jedoch älter wurde, erkannte ich dass dieser Missbrauch, ihr Alkoholismus die Selbstsucht meine Familie zerstörte und auch beinahe meine Mutter zerstörte, welche zunehmend Schwierigkeiten hatte diese dysfunktionale Erziehung zu überwältigen und folglich bereits mehrere Selbstmordversuche hinter sich hatte.  Diese Versuche wiederum haben mein Leben verändert und somit schließt sich der äußere Kreis.

Ich war am Telefon mit Jim Hart als meine Mutter anrief. Jim ist ein Schreiber und wir diskutierten über sein Interesse an meinem Stück "Gestrige Tränen" (Yesterday's Tear). Während der Unterhaltung dachte ich immer wieder daran, dass ich Jim beneide, weil er sich für den Film entschieden hatte und nicht die Bühne. Ich hatte eigentlich immer eine Leidenschaft für beides, blieb dem Film jedoch immer Fern, weil ich eine gewisse Scheu vor den Kosten hegte. Ich drücke auf den "Wechsel"-Knopf und sagte Jim ich würde sofort zurückrufen.

Als Mom weiterredete, realisierte ich dass die Dysfunktion meiner Familie eigentlich einer traditionnellen Oper ähnelte, und dass diese ja auch aus farbenfrohen, verwirrenden und komplexen Akteuren bestehen. Es waren nur Minuten seit meinem Telefonat mit Jim vergangen, also hatte ich nun 24'er Bilder im Kopf und diese verwandelten die traditionnelle Oper schnell in eine Zelluloid-Tragödie. Ich hörte Mutter weiter zu und stellte mir vor, sie würde mir gerade die Handlung eines neuen Filmes beschreiben. Erneut kamen mir die Sorgen der Film-kosten zum Vorschein, dieses Mal jedoch aus der Perspektive eines Präsidenten einer Wallstreet-Firma, so dass ich in bester finanzieller Position wäre und wusste dass ich das selber finanzieren könnte. Ausserdem fühlte ich das dieser Film etwas besonders wichtiges für mich hätte. Es ging nicht um die Kosten, es ging nur noch um die Umsetzung.

Wenn Oma wirklich im Sterben lag, musste sie als erste konfrontiert werden zum Thema Schädigung meiner Mutter, meiner Famlie und mir. Nach Jahrzenten der Ablehnung, hoffte ich nun, dass sie endlich bereit wäre für einen Abschluss des Kapitels mit uns allen. Es wäre auf jedenfall Ihre letzte Chance um Dinge zu bereinigen, zu klären, offen zu sein und zu entschuldigen. Ich fühlte auch dass der Impakt dieser Geschichte anderen helfen könnte, welche ähnliche Erfahrungen gemacht hätten.

Ich erzählte meiner Mutter also von meiner Film-Idee und sie meinte das wäre eine geniale Idee welche "hoffentlich vielleicht sogar eine Art Weck-Ruf in der Gesellschaft sein könnte". Sie hatte bereits ihr Interesse zum Ausdruck gebracht gegenüber Childhelp USA (Teilzeitstelle), welches ein Programm, ist das Kindern helfen soll, welche ähnliche Erlebnisse durchgemacht hätten. Dennoch war ich davon überzeugt, dass die sehr persönliche Charakteristik dieses Films nicht nur ein Weckruf für andere, sondern sicher auch ein Abschluss für sie sein könnte.

Anruf in der Warteschleife - ich bin nun mit Bildern überladen und sage meiner Mutter das ich später zurückrufe. Ich wechsle die Verbindung - falsch verbunden. Mist. Mir dreht sich alles.

Meine Familienoper wurde zum perfekten Balletstück in meinem Kopf choreographiert. Ich schloss meine Augen und begann, diesen Zelluloid-Film-Tanz zu beobachten. Die Entscheidung war gefallen. Papier und Stift in der hand, begann ich das Spiraltreppenhaus bis zum Dachgeschoss zu skizzieren. In der Hälfte angekommen, schrie ich zu meiner anderen Hälfte "ich mache einen Film." Zwei Schritte weiter vernehme ich ein emotionsloses "okay"

Es gibt viele Ecken und Kanten in den Leben beider Seiten meiner Familie, so das für mich klar war, dass der Antrieb der Hauptcharaktere das Wichtigste sei. Doch auf welche Seite der Familie sollte ich mich konzentrieren? Die Seite meines Vaters war ein Mysterium, da ich ihn 23 Jahre nicht gesehen hatte seit er davon gerannt war mit seinem Besten Kumpel um ein Hell's Angel zu werden. Auf der anderen Seite, der Familienteil meiner Mutter war gerade so vollgestopft mit dunkelen Geheimnissen, welche weit weggesperrt waren in unterirdische Schränke und eine Entdeckung dieser Schattenteile mit Sicherheit auch eine grösse erlösende, befreiende Wirkung haben könnte.

Das kabellose Telefon noch immer in der Hand, rief ich meine beste Freundin Julie an, welche bei ABC arbeitet. Ich erzählte ihr von der Film-Idee. "aber du hast noch nie einen Film gemacht" meinte sie. "nein, aber ich habe mal einen gesehen." antwortete ich. Ich erklärte ihr das Oma Just im Sterben lag und ich sofort mit filmen anfangen müsste. Sie sagte mir sie würde sofort mit Richard Perello von Cataland Films und John und Sarah Taggart von Production 920 reden. Ich habe allen 3 von Anfang an vollstens vertrauen können und schlussendlich meinte Julie "bitte schau dir noch einen weiteren Film an bevor du das erste mal action schreist." Das tat ich dann.

Ich hatte meinen Businessplan in 43 Minuten geschrieben und begann dann mit dem Storyboard für die Familie. Dieser wurde zunehmend "still" aber ich wusste das wenn sie schlussendlich sprechen dürften, alles für uns insgesamt sehr lohnnenswert würde. Nach der Roh-Arbeit habe ich Mutter angerufen und alles erklärt und gefragt wie sie eingebunden werden möchte. Sie ist die perfekte Besetzung für Melodram also war ich sicher dass sie "ja" sagen würde. Sie sagte "nein" und es würde zu hart werden all diese Alpträume nachzuspielen. Aber sie wollte ihre Geschichte vor der Kamera erzählen. Ein Mal. Also solle ich alles richtig machen beim ersten Dreh.

Ich rief Richard Reichgut an und wollte ihn als Co-Finanzier des Films und hatte bereits eine ganze Kiste voller erschlagender Argumente warum er das unbedingt tun sollte, aber er sagte sofort zu, was ihn auch zum Co Produzenten von Twist and Shout machte, dem nächsten von vielen darauf-folgenden Projekten.

Ich hatte 2 Stunden und 12 Minuten gebraucht um das Treppengerüst zum Dachgeschoss aufzustellen - nach 1 Stunde war alles umgesetzt.

Viele meiner Verwandten sind ohne Zuhause oder Telefon, daher wusste ich, dass es einiges an Fahrerei und Recherche mit sich bringen würde, um alle zu informieren. Ich hatte bereits den Trip soweit vorbereitet als ich einen unerwarteten Anruf erhielt. Tante Gerri war gestorben. Sie war die älteste Schwester meines Vaters welche mit Großvater Just's Bruder verheiratet war und wir standen uns sehr nahe. Zwischen ihrer Beerdigung und Grossmutter Just's baldigem Ableben wusste ich, dass es jetzt oder nie an der Zeit war und begann mit den Aufnahmen. Ich gab Sarah meine Kreditkartennummer um den Film zu bestellen, reservierte ein paar Super8Räume und einen Herz-Minivan. Innerhalb von Stunden waren die Taggarts und ich ab dafür was die erste von unzähligen Abenteuerreisen werden sollte. Und nach Jahrzehnten der Dysfunktion und Verneinung, begann meine Familie nun die verschlossenen Untergrundtüren des Vergangenen vorsichtig und behutsam für mich zu öffnen.

Quelle Text: http://www.justmelvin.com/production.html
Danke an emily-b für den Tipp

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