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Unter Schmerzen aufschreiend lies mich Frank los. Er krümmte sich zusammen und fiel auf die Knie. Ich konnte sein lautes Knurren hören, es lies mir das Blut in den Adern gefrieren. Ohne groß darüber nachzudenken versetzte ich ihm einen zweiten Schlag mit der Faust ins Gesicht. Meine Knöchel platzten auf und der Schmerz pochte durch meinen ganzen Körper, doch Frank kapitulierte und fiel nun rücklings auf den Boden. Ich war komplett mit Energie geladen. Ich packte mein Kleid und stürmte den Hügel zurück durchs Gebüsch. Ich hörte die Stimmen der anderen in der Ferne, wie sie Quatsch machten und lachten, doch ich bog noch vor der Brücke nach rechts weg und suchte mir meinen Weg zurück auf eine beleuchtete Straße. Ich hatte Angst. Fürchterliche Angst. Vor meinem inneren Auge sah ich Maries breites Grinsen und wusste sofort, dass sie von Franks Verlangen wusste. Er musste wohl mit ihr über seine Gefühle gesprochen haben und zusammen hatten sie dann diesen Abend geplant. Mich schüttelte es. Marie hatte bestimmt gewusst, wie weit ihr Bruder im betrunkenen Zustand gehen würde, trotzdem hatte sie nichts gesagt und mir nur amüsiert hinterhergeschaut wie ich Frank durch den dunklen Wald folgte. Ich hatte mich so in den beiden getäuscht. Mein Herz fühlte sich so zerschlagen an. Ich stolperte so schnell ich konnte die Straße hinunter zurück zu dem großen Platz an dem Elisabeths Eltern wohnten. Mein Kleid hing schwer an meinem Körper hinunter und drohte wegzurutschen. Mein Knöchel, der fast verheilt gewesen war, meldete sich wieder und lies einen stechenden Schmerz das Bein herauffahren. Meine Hand blutete, ich hatte bestimmt einige Schrammen vom Geäst im Wald und über mein Gesicht rannen Tränen. Der kalte Wind schlug mir ins Gesicht und ganz weit in der Ferne, hinter dem lauten Dröhnen meiner Ohren, konnte ich die Kirchturmglocken zwölf Uhr schlagen hören. Endlich kam das große Haus in Sicht. Ich war komplett außer Atem, als ich schließlich den Türklopfer betätigte. Ich stützte mich keuchend am Türrahmen ab und versuchte meine Kleidung und meine Haare so gut es ging zu richten. Ich versuchte flach zu atmen, damit es so aussah als sei ich die Ruhe selbst. Es dauerte viel zu lange. Eine halbe Ewigkeit, dann endlich hörte ich Schritte näher kommen. Ich konnte gerade noch so vernehmen, wie jemand den Riegel im Schloss zurückschob und die Tür öffnete. Zwischen dunklen Flecken der herannahenden Ohnmacht, konnte ich eine Person erkennen. Jemand großes stand vor mir. Mit dunkelbraunen Locken und blauen Augen. Erleichterung machte sich in mir breit. Dann brach ich zusammen.

Als ich die Augen öffnete, starrte ich an eine weise Wand. Leichte, warme Lichtflecken tanzten darüber hinweg. Alles war in gelblich-orangenes Licht getaucht. Neben meinem Ohr hörte ich das leise Plätschern von Wasser und eine tiefe männliche Stimme, die etwas beruhigendes murmelte. Ich realisierte, dass ich in Elisabeths Bett lag. Eine weiche Decke war sorgfältig über mir ausgebreitet. Ich fühlte wie mir jemand die Hand verband und sie dann ganz sanft zurück auf die Matratze legte. "Schlaf schön weiter." flüsterte die Stimme: "Und ruhe dich aus. Hier kann dir nichts mehr passieren."

Das nächste mal erwachte ich, als draußen schon die Sonne in voller Pracht am Himmel stand und die Vögelchen vor dem Fenster bereits angefangen hatten zu zwitschern. In Elisabeths Zimmer war es vollkommen still, von Elisabeth selbst fehlte ebenfalls jede Spur. Ich setzte mich gähnend auf. Mein Kopf brummte noch etwas, doch meine Hand fühlte sich taub an und auch mein Knöchel hatte aufgehört zu schmerzen. Ausgeschlafen schlug ich die Bettdecke zur Seite und machte mich daran, mich anzuziehen. Was mir zugestoßen war, dass ich quasi fast vergewaltigt worden war, fühlte sich seltsamerweise nur noch an wie ein wirrer, längst vergangener Traum. Als ich mich fertig gerichtet hatte und auf die Uhr geschaut hatte, trat ich auf den Gang hinaus. Es war kalt und grau auf dem Flur. Ich starrte auf das Ölgemälde vor mir. Starrte mich der Soldat etwa an? Für einen Moment stellten sich meine Armhaare auf. Ich hätte schwören können er hätte mich kurz schelmisch angelächelt. Mein Herz hämmerte mir wild in der Brust, doch es beruhigte sich sofort wieder. Alles nur eine Illusion. Ich lief zur Treppe. Von unten drangen bereits freudige Stimmen an mein Ohr. Es war Mittagessenszeit, Elisabeth musste wohl mit ihren Eltern und Geschwistern im Esszimmer sitzen. Meine Gefühle erheiterten sich sofort bei dem Gedanken daran, ihr wundervolles Gesicht bald wieder vor mir zu haben. Voller Vorfreude sprang ich die letzten Treppenstufen hinunter. Vor der großen weißen Tür blieb ich jedoch nochmal einen Augenblick stehen. Ich wollte Elisabeths Stimme ein wenig durch das dünne Holz belauschen und sie genießen, bevor ich ihr komplett gegenüber treten würde. Ich seufzte. Ich hatte sie am Abend zuvor so sehr vermisst. Ihre Nähe, ihre Liebe und ihre Wärme. Sie war mein Licht, mein Ein und Alles. Sie war mein Sinn des Leben. Davon war ich felsenfest überzeugt. "Wir werden wegziehen." hörte ich sie sagen: "Weit weg und so bald wie möglich. Ich bin ja so aufgeregt!" "Das freut uns aber für euch." meldeten sich ihre Eltern, deren Stimmen vor elterlichem Stolz fast zu schmelzen drohten: "Und wann werdet ihr dann vorhaben zu heiraten? Habt ihr euch unseren Vorschlag durch den Kopf gehen lassen?" "Natürlich." Elisabeth klang glücklich: "Nicht wahr mein Schatz?" Mein Herz setzte einen Moment aus zu schlagen. "Das haben wir, meine Liebe..." Giulios Worte brannten wie heiße Kohle in meinem Kopf: "Wir haben geplant noch diesen Monat, wenn das Wetter uns gut zuspielt, zu heiraten. In der Familienkirche. Und danach würden wir ein großes Fest veranstalten. Unter freiem Himmel mit allen Verwandten die wir nur einladen können." Bei seiner dumpfen Stimme erstarrte mein Lächeln. Ich hatte angenommen er sei noch in derselben Nacht wieder zurück zu seinem Freund und nach Hause gefahren. Ich dachte die ganze Lügengeschichte hätte nur für einen Abend gegolten... "Ach Elisabeth wir sind so beeindruckt von dir!" Frau von Bernburgs Stimme war weich wie Seide: "Du bist genau die Tochter die wir uns gewünscht haben!" "Und du unser lang ersehnter Schwiegersohn." fuhr Herr von Bernburg fort: "Wir sind dir so unglaublich dankbar, Giulio." Ich meinte mich verhört zu haben. Verwirrt runzelte ich meine Stirn. Wie hatte Elisabeths Vater Giulio genannt? Ich musste mich geirrt haben. Ich fuhr mir über das Ohr. "Nein, Manuela." sagte plötzlich jemand hinter mir. Erschrocken fuhr ich herum. Frank stand hinter mir. Er trug einen Anzug und hatte seine Hände locker in die Hosentaschen gesteckt. In seinem Gesicht zeichneten sich keinerlei Verletzungen ab, er wirkte nur besonders ernst. "Du hast genau richtig gehört." Er kam vorsichtig ein Stück zu mir gelaufen: "Mein Großvater weiß genau wer Giulio Sorrentino ist. Wir alle wissen es. Und wir wissen auch wer du bist, Manuela von Meinhardis, Tochter des Majors von Meinhardis." Die letzten Worte betonte er und sah mich dann erwartungsvoll an. Mir gefror das Blut in den Adern. Ich wusste nicht genau was ich entgegnen sollte. "Jetzt mach nicht so große Augen!" lachte Frank: "Was hattest du denn gedacht? Dass sich eine erwachsene, erfolgreiche Frau wirklich für ein so verlorenes Kind wie dich interessieren könnte? Und dann auch noch sexuell? Du solltest doch eigentlich wissen, dass das nicht geht. Dass das krank und pervers ist!" Er lehnte sich lässig an die Wand und starrte mich bemitleidend an. "Wenn du mir nicht glaubst, wirf doch einen Blick durch das Schlüsselloch. Elisabeth und Giulio sind wirklich ein Paar. Ein zutiefst glückliches und bald verheiratetes. Du dagegen... Wie es dein Schicksal will: Allein, verlassen und verraten. Und bald wirst du in dem dunklen, feuchten Kerker sitzen in den du laut meiner Familie gehörst. Und du wirst davon träumen, wieder zurück unter der Hand der Oberin oder gar deiner Tante zu sein." "Was m- meinst du?" wollte ich verängstigt wissen. Ich zitterte am ganzen Körper. "Sagen wir so: Deine Eltern und meine Familie kannten sich. Und sie verstanden sich gar nicht gut. Denn dein Vater tat etwas, wofür du nun büßen musst." Frank stieß sich von der Wand ab und kam mir näher. Ich konnte seinen Atem auf meinem Gesicht spüren. Ich wollte ausweichen, doch ich war wie festgefroren. Kein Muskel regte sich, so sehr ich mich auch anstrengte. "Sie wollen dich wegsperren." murmelte er und fuhr mir sanft übers Gesicht: "In eine Psychatrie. Die dunkelste die es in Deutschland gibt. Von Elisabeth kannst du keine Hilfe erwarten. Versuch es am besten gar nicht erst. Sie war nämlich nur der Lockvogel, der dich finden und einfangen sollte. Doch mir kannst du vertrauen. Ich wollte dir schon gestern alles erzählen." "Warum?!" krächzte ich hervor. Meine Augen waren ganz mit Tränen gefüllt. "Weil ich angefangen habe, dich zu lieben. Weil du mir alles bedeutest und ich dich retten will." Er legte mir seine warme Hand auf die Schulter, doch ich schaffte es sie wegzuschlagen. "Nein." erwiderte ich entschlossen und riss die Tür neben uns auf. Ich stolperte und betrat das Esszimmer. Mir stockte der Atem. Ich fühlte wie mein Herz in tausend kleine Splitter zerbrach. Elisabeths Eltern waren zwar verschwunden, doch Elisabeth selbst saß nun auf der Tischkante, in einem wunderschönen, geblümten Kleid, das hochgerutscht war und zwischen ihren nackten Beinen stand Giulio und hielt sie fest im Arm. Die beiden sahen sich tief in die Augen und ihre Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. Fast hätten sich ihre Lippen berührt. Sie schienen mich nicht zu bemerken. Stattdessen fuhren sie sich gegenseitig liebevoll an den Armen entlang und lächelten sich voller Zuneigung und Lust an. Elisabeths Augen strahlten. Ich konnte es nicht fassen. Sie sah aus als würde sie sich Giulios Körper gleich komplett hingeben, ihre Hände lagen bereits auf seiner Gürtelschnalle. Bereit sie zu öffnen und sein Gemächt aus der Hose zu ziehen. Ich musste würgen und trat einige Schritte zurück. Beim bloßen Gedanken daran wie dieses Teil in ihren wundervollen, kleinen, weißen Händen liegen würde und sie es dann womöglich mit ihren roten Lippen umschließen oder daran lecken würde, musste ich mich fast übergeben. Ich riss meine Augen von dem fürchterlichen Anblick weg und wollte nur noch aus dem Haus verschwinden. In meinem Rachen schmeckte ich sogar bereits das säuerliche Aufgestoßene. Ich stürzte die Treppenstufen auf die Straße hinunter und rannte ziellos die Straße entlang. Niemand war unterwegs. Ich war total allein. Doch plötzlich katapultierte mich etwas wieder zurück ins Haus. Vor die weiße Tür, von der nun gedämpftes Stöhnen ausging. Ich war komplett am Verzweifeln. Meine Augen brannten. Ich riss wieder den Riegel aus dem Schloss und stürmte nach draußen, doch ehe ich die erste Kreuzung erreichte oder um Hilfe brüllen konnte befand ich mich wieder zwischen vier Wänden wieder. Franks ruhige Stimme drang durch die leisen erregten Schreie des Nachbarzimmers hindurch. Er kam ganz entspannt die Treppe herunter gelaufen: "Du kannst es so oft versuchen wie du willst, Manuela." meinte er: "Aber du wirst diesem Haus nicht entkommen, außer du verbündest dich mit mir." Er ragte über mir auf. Bereit mich wieder zu küssen und an sich zu reißen. "Niemals!" schrie ich ihm erbost ins Gesicht. Ich holte von neuem aus und gab ihm eine harte Ohrfeige. Mit der Schulter stieß ich ihn beiseite und rannte die Treppen hinauf. Im Hintergrund hörte ich Frank anfangen zu lachen. "Nun gut, wenn du nicht willst..." Meinte er: "Musst du eben mit den Konsequenzen leben." Sein Lachen wurde immer schriller und es tönte furchterregend durch das ganze Haus. In seinen Augen brannte Wut und er erhob seine Arme. Noch im selben Augenblick sah ich die ganzen Insekten, die gefährlich vor sich hinsummten, das Glas ihrer Schauvitrinen zerbrechen und sich vor mir auftürmen, als wöllten sie mich gleich zerfleischen. Der ölgemalte Soldat, der nun dieselben eisgrauen Augen und dasselbe verstörende Grinsen wie Frank besaß, zeriss sein Porträt, trat heraus und rammte mir sein Bajonett in den Magen. Das Metall schob sich knirschend durch mein Gewebe. Zu Tode erschrocken starrte ich hinunter auf meinen Bauch. Mein weißes Oberteil begann sich unaufhaltsam rot zu färben. Der Soldat hob mich samt seines Gewehres an und ich rutschte bis an den Anschlag der Waffe hinunter. Dann hörte ich einen lauten Schuss. Ein gellender Schrei entfuhr mir und ich schreckte hoch.

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