Kapitel 1

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Mit dem gelben Marker in der Hand gehe ich über die Zeilen des Arbeitsblattes und lese mich durch informative Spalten über die Nanotechnologie. Chemie gehörte nie zu meinen Lieblingsfächern, aber eine gute Note ließ sich nicht von allein herzaubern. Das Ticken meiner Wanduhr wird zwischen diesen vier Wänden immer intensiver, bis ich endlich erleichtert ausatmen kann. Der Text ist gelesen und die letzte Notiz geschrieben. Kurz darauf ertönt ein Klingeln meines Handys und benachrichtigt mich für das Abendessen. Auf diesem Internat gelten strenge Regeln, an denen sich jeder Schüler halten muss. So auch, dass man pünktlich zu den Essenszeiten kommen muss. Als ich neu auf dieser Schule war, habe ich früh genug erfahren, dass Disziplin das A und O auf dieser Bildungsstätte ist. Ich habe recht lange gebraucht, um mich an das festgebundene Stil zu gewöhnen und mich anzupassen. Auch, dass ich weit von meinen Eltern bin, hat mir zu Beginn Schwierigkeiten bereitet. Durch meine extrovertierte Art konnte ich mich sofort mit eines der Schülerinnen anfreunden, mit der ich mir diese Wohnung teile. Um ehrlich zu sein war Rayanah die einzige mit der ich mich damals gut verstanden habe. Mittlerweile rede und lache ich mit jedem. Sogar mit manchen Professoren kann man den einen oder anderen Witz reißen. Ich bin an einen Punkt angelangt, wo ich mich hier Wirklich eingelebt habe, zwar hat es ungefähr zwei Jahre in Anspruch genommen, aber das war es mir Wert. Bevor ich mich noch weiter in Gedanken verliere, lege ich meine Ordner beiseite und richte meinen Zopf, um mich dann auf den Weg zu machen. Ray war zuvor, nach dem Nachmittagstraining, weiterhin draußen geblieben und muss schon längst am Esstisch sitzen und meinen Platz freihalten. Ich eile ebenfalls aus der kleinen Dreizimmerwohnung und schließe hinter mir die Tür ab. Die Wohnungen gehören ebenfalls zum Internat und sind praktische zwei Minuten davon entfernt. Jeder Schüler erhält ein Häuschen, welches er eventuell mit bis zu drei weiteren Genossen teilen kann. Bei uns eignet sich eine Wohnung zu zweit, da wir beide Fülle nicht ausstehen können. Auf dem Weg zum Campus beleuchten altmodische Laternen die Wege, die zu verschiedenen Gebäuden führen. Der Hausmeister hat sogar die kleinen LED Lichter im Brunnen angeschaltet, die wir vor Monaten angebracht hatten. Nach weiteren Schritten stößt mir die warme Luft der Cafeteria entgegen und ich sehe von weitem eine winkende Ray. Ich nicke ihr zu und stelle mich zu den anderen Leuten in der Schlange für das Buffet an. Ich lasse zwei Teller mit Kartoffelgratin und gekochten Karotten befüllen und marschiere vorsichtig zum Tisch. Neben uns sitzen noch weitere Mädels, die gemeinsam auf das Handy starren und loskichern. Typisch. Ray und ich greifen unmittelbar zu und besprechen währenddessen den heutigen Tag. Auch wenn wir uns eine Wohnung teilen, haben wir tagsüber wenig Zeit, um miteinander zu quatschen. Dafür fehlen uns gemeinsame Fächer und Sportkurse. Es mag merkwürdig klingen, aber jeder muss einen Sportkus belegen, der nach dem Unterrichtsschluss stattfindet. Während sie, wie die meisten anderen Mädchen Akrobatik gewählt hat, habe ich mich für eine kleine extremere Variante entschieden. Der Lehrer geht mit uns ab und zu klettern oder sogar Kanu fahren. Das sprach mir weitaus mehr zu, als Türme aus Menschen zu bauen oder ein wenig die Arme zu schwingen.
Nachdem wir zuende gegessen haben, samt Dessert, überlasse ich Ray die Hausschlüssel und gehe, wie üblich, um den Block laufen...

Untouched | GestopptWo Geschichten leben. Entdecke jetzt