Kapitel 4

24 9 4
                                    

Meine Hände umhüllen verkrampft meine Ohren, durch die der unerträgliche Lärm gedämpft dringt. Ich habe das Zeitgefühl völlig verloren und weiß kaum noch, wie lange ich hier schon sitze. Möglicherweise habe ich es geschafft, die Knochenbrüche mit meinen Gedanken zu überdecken oder der Junge haut aufgehört. Langsam traue ich mein eines Auge zu öffnen und erkenne die Gestalt dicht vor mir. Seine warmen Hände umklammern meine Handgelenke und entfernen diese von meinen Ohren. Ich lasse mich schlaff von ihm hochziehen. Er betrachtet mich stumm und schenkt seine Aufmerksamkeit wieder nach vorne. Instinktiv schlinge ich meine schwachen Arme um seinen Torso und lasse mich kurzzeitig von dieser Wärme erholen. Er hat mir grade das Leben gerettet. Wenn mein Körper längst an Krafteinwirkung gewonnen hätte, wäre ich ihm wahrscheinlich vor die Füße gefallen. Versteift breitet er die Arme aus und verharrt in dieser Position. Wie als würde er nicht wissen was er tun soll, legt er die Hände langsam auf meine beiden Schulterblätter und klopft leicht drauf. Ich löse mich von ihm und kann nur ein leises "Danke.", hervorbringen. Ohne eine Reaktion von ihm zu ergattern, hebt er seine Beine weiter zum laufen an. Ich gehe stumm neben ihm her, den Kopf gesunken, und blicke währenddessen zu ihm rüber.
Er ist mir des öfteren in der Cafeteria aufgefallen. Auch in meinem Sportkurs zog er meine Aufmerksamkeit, da er stets ein Einserkandidat ist. Er ist sogar der beste im Kurs und beeindruckt sowohl Herr Kenneth, als auch die gesamten Schüler mit seinem Können.
Seine schwarzen Chucks haben völlig an Ausdruck verloren, als würde er sich keine Mühe machen, sie zu pflegen. Meine Schuhe hingegen werden mit sehr viel Liebe und Achtung behandelt, damit sie auch bloß nicht dreckig werden. Ich frage mich währenddessen, warum er allgemein keine Achtung schenkt. Nicht einmal hat er mich angesprochen oder gar angeschaut. Nichteinmal seine anderen Kameraden, nichts. Ich sehe ihn lediglich mit den selben Typen und einem Mädchen, die hin und wieder in den Pausen gemeinsam zu entdecken sind. Ich will nicht zu drastisch klingen, aber er hätte wenigstens meine Umarmung erwidern können. Das hätte ich grade wirklich mehr, als nötig. Stattdessen hat er die Hände in den Hosentaschen vergraben und sieht stur nach vorn. Seine schwarze Kaputze über dem Kopf drückt leicht seine braunen Haare über die Stirn und versperrt mir die Sicht auf sein Gesicht. Ich würde gerne wissen, was grade in seinem Kopf vorgeht. Auch wenn mich die Schuldgefühle plagen sollten, dass ich nicht genügend auf mich aufgepasst habe, weckt er meine Neugierde. Die Strecke wirkt nun so langsam geläufig und das Internat naht. Nervös lecke ich mir über die Lippen. Ich würde mich immerwieder bei ihm bedanken, nur habe ich das Gefühl, dass er es nicht akzeptiert. Ganz egal, ob er es will oder nicht; er wird bei mir immer etwas gut haben...

Untouched | GestopptWo Geschichten leben. Entdecke jetzt