Kapitel 12

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Wir begeben uns in den Sanitätsraum, wo mir Giulia ein Kühlpad überreicht. Ich platziere das eiskalte Pad auf meinen Knöchel und lehne mich auf das Krankenbett zurück. Der Schmerz sticht immernoch und ich ergattere ständig einen qualvollen Blick von ihr, als hätte sie die Schmerzen. Ich muss lachen.
Gefühlte zehn Minuten bleibe ich noch liegen und starre gedankenverloren an die Decke.
"Ich glaube es geht wieder.", hebe ich meinen Kopf an und sehe zu meinem Bein runter.
"Ruh dich lieber noch ein wenig aus, so ganz verheilt sieht das nämlich nicht aus.", erhebt sie sich vom Hocker und betrachtet den Knöchel. Ein kurzes knarzen ertönt und die Türspalte erweitert sich, was einen kühlen Luftzug hereinlässt.
"Mach ein Abgang, der Lehrer ruft dich.", brummt Ty und hält ihr 'höfflich' die Tür offen.
Sie schießt ihm einen giftigen Blick zu. " Das geht auch freundlicher."
"Nicht bei mir. Und jetzt zisch schon ab.", murrt er. Ich fluche innerlich und starre weiter stur die Decke an. Die Tür schließt sich wieder und als ich erhofft habe, endlich alleine zu sein, habe ich mich mal wieder gewaltig getäuscht.
Seine prächtige Größe stellt sich vor das Bett und sieht auf mich blasiert hinab. Ich bereite mich schon auf einen dämlichen Spruch vor und gehe sämtliche verletzende Aussagen in meinem Kopf durch. Ohne ihm eines Blickes zu würdigen sehe ich weiterhin nach oben, als würde mir das irgendwie weiterhelfen.
"So dramatisch ist dein Knöchel jetzt auch wieder nicht, also steh schon auf.", krittelt er fade. Ich schließe kurz die Augen und presse meine Backenzähne aufeinander.
Ich ermutige mich dennoch damit, dass er ausnahmsweise mal keinen Spruch abgelassen hat, jedenfalls nicht direkt.
Mit einem Schwung erhebe ich mich und sitze noch kurz auf dem Bett, bis ich mich auf die Beine schwinge und vorsichtig zu Tür laufe. Immer schön langsam und das eine Bein vor das andere, lenke ich mich ab.
Er joggt leicht vor und öffnet die Tür und lässt mich durch sie hindurchlaufen. Heute ist er wohl unüblicherweise mit dem richtigen Fuß aufgestanden, was ihm seine unerwarteten Manieren erklären würde.
Je weiter ich laufe, umso weniger Schmerz spüre ich und bin wieder glücklich, laufen zu können. War wohl doch ein harmloses Knacken.
"Kannst du wieder mitmachen?", deutet Mister Brooks auf meinen Fuß. Ich nicke lächelnd und kehre zu meiner Gruppe zurück, die bereits an der Kletterwand steht.
"Alles fit?", fragt David besorgt nach.
"Alles bestens. Ich kann wieder problemlos mitmachen.", respondiere ich munter und sehe zu der massiven Wand hoch.
Na gut, dann wollen wir mal sehen, wie schnell wir es hoch schaffen. Ty war schon in wenigen Sekunden oben angelangt und springt einfach runter, als wäre die Höhe kein Problem. Ich halte mich an den Griffen fest und angle mich hoch. Auch ich schaffe es bereits in kürzester Zeit nach oben zu gelangen und sehe zufrieden zu David runter, der ebenfalls hochgeklettert kommt.
Die Aussicht hier oben ist unglaublich schön, auch wenn lediglich das Campus zu sehen ist. Ich kann sogar ein wenig das Fußballfeld sehen, was mich überrascht. Während ich runter zu unserem Sportkurs sehe, bleiben meine Augenpaare ungewollt bei diesem dämlichen Teufel hängen.
Er sitzt an einem Baum, den Kopf nach hinten gelehnt und die Augen geschlossen.
Wie als hätte er seinen Namen im meinen Gedanken hören können, öffnet er die Augen und schaut sich um.
Er fühlt sich wohl als etwas besseres, nur weil er hier unterfordert ist. Tzz.
Er schaut nun zu mir nach oben, was mich sehr überfordert. Ich wollte grade so tun, als hätte ich ihn nicht im Auge gehabt und hätte fast mein Leben riskiert, wenn mich David nicht festgehalten hätte.
Ich halte mir erschrocken ans Herz und sehe schockiert zu David.
"Was war denn das?", lacht er los.
"Mir wurde schwindelig.", improvisiere ich und versuche langsam wieder runter zu klettern.
"Schaffst du das auch wieder sicher zurück?"
Ich sehe ausdruckslos nach oben und verdeutliche ihm damit, dass ich das auch ohne Hilfe wieder schaffe. Heute ist wohl nicht mein Tag.

Mister Brooks hebt seinen Arm und ruft die gesamte Gruppe beisammen.
"So, Sportsfreunde. Ich muss sagen, mir haben die Leistungen heute sehr gut gefallen." Ich trinke aus meiner Flasche und streife mit der Hand über die Stirn.
Über mein Beitrag lässt sich streiten. Ich hätte es viel besser absolvieren können, wäre dieser Teufel von Junge nicht anwesend. Wie auf's Stichwort wandern meine Augen und landen auf seinem arroganten Gesicht. Spöttisch zwinkert er mir zu, weshalb ich verstört wegsehe.

Die Menge löst sich auf, als der Lehrer sich von uns verabschiedet. Auch ich nehme nun Abschied von David, Savana und Alex und schultiere meine Sporttasche. Als ich den üblichen Weg erneut anschlage, treten eilende Schritte hinter meinen Ohren auf. Ich denke mir nichts dabei und laufe konzentriert weiter. Endlich kann ich mir eine warme Dusche nehmen, Ich muss nur noch zwei Minuten laufen.
"Warum so eilig?", erkenne ich diese bissige Stimme wieder. Kurz versetzt es mir einen stechenden Schmerz, den ich sofort wieder überdecke. Ich schaue genervt über meine Schulter und erkenne ihn sofort neben mir herlaufen.
"Mit antworten ist heute wohl nicht so.", schmunzelt er und betrachtet mich währenddessen amüsiert.
"Ich kann mich nicht daran erinnern, dich gerufen zu haben.", gebe ich desinteressiert von mir und wende meinen Blick keine Sekunde von dem Pfad ab.
"Mir war garnicht bewusst, dass Zwerge auch so bissig sein können." Er hält sich wohl für sehr witzig. Na los, Jocelyn, lass dir ein besseres Comeback einfallen! Funkstille.
"Fragt sich nur warum?", gebe ich sarkastisch von mir. Da ist es wieder, dieses kurze, melodische Lachen aus seinem Mund. "Da ist wohl jemand schlecht gelaunt. Na dann, ich wünsch dir noch einen schönen Abend, Shorty.", zwinkert er mir zu und zündet seine Fluppe an.
Was ist nur los mit dem? Seine Stimmungsschwankungen können mich mal!
Ich finde meine Hausschlüssel und öffne leise murmelnd die Tür.
"So ein Idiot.", flüstere ich vor mich her und trete ein. Der wundervolle Zimt Duft der Kerze steigt mir in die Nase und führt mich direkt ins Wohnzimmer.
"Joce?", ruft Raya nach mir und stößt mir im Flur entgegen.
"Ja?", zucke ich überrascht auf. Sie sieht mich fragend an.
"War da grade jemand oder warst du am telefonieren?", fragt sie stutzig nach. Nun bin ich diejenige, die die Augenbrauen fragend zusammenzieht.
"Du hast irgendwas von Idiot gebrabbelt.", hilft sie mir auf die Sprünge und erwartet weiterhin eine Antwort.
"Achso, das. Ja Nein, ich hab nur Selbstgespräche geführt.", erkläre ich und lasse mich auf die Couch niederfallen.
"Dürfte ich denn wissen, über wen meine beste Freundin so redet?", platziert sie sich mir gegenüber und schaltet den Fernseher leiser.
"Dare-Devil.", drücke ich augenrollend aus. "Ich glaub mehr muss ich dazu nicht sagen."
Sie schüttelt mit dem Kopf und bläst die Duftkerze aus, der wir den wundervollen Geruch zu verdanken haben.
"Mehr muss ich dazu nicht sagen.", wiederhole ich gedankenverloren und schließe die Augen.

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Scheint wohl so, als würde jemand das Provozieren lieben.

Meint ihr Jocelyn lässt sich diese Kontroverse gefallen oder passiert da noch was?
Jedenfalls ist hier noch gaanz viel Luft nach oben.

*•°Eure Blissergy°•*

Untouched | GestopptWo Geschichten leben. Entdecke jetzt