Kapitel 5

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"Da wären wir.", drückt er monoton aus. Er hat mich bis zu meiner Behausung begleitet, ohne eine Einwende. Er erhofft sich grade sicherlich, dass ich wortlos durch die Tür laufe, aber ich verweile noch einen kurzen Moment und gelte meine Aufmerksamkeit ganz ihm. Entgeistert nimmt er die Hände aus der Tasche, um die Kaputze abzusetzen und geht einmal durch seine langen Haare.
"Danke.", erbringe ich schweren Herzens. Er beäugt mich eindringlich, bevor er mir ein knappes Nicken schenkt. Seine braunen Haare wehen leicht im Wind, was mir einen übersichtlichen Anblick auf seine Visage verschafft. Auch wenn sein Antlitz nicht jedermanns Geschmack entspricht, wirkt er so weich und gewogen. Harte Schale, weicher Kern. Glaube ich zumindest.
"Pass besser auf dich auf. Und jetzt geh rein, es ist kalt.", fordert er auf und deutet auf die Haustür neben mir. Ich atme laut durch und nicke verständlich. Langsam gehe ich die drei Treppenstufen hoch und klopfe an der Tür. Als ich das Licht aufgehen sehe, stehe ich ihr schon Sekunden später entgegen. Verdutzt schaut sie erst mich und dann den Typen hinter mir an und stellt sich zur Seite, sodass ich eintreten kann.
"Haben wir Besuch?", runzelt sie die Stirn und hält weiterhin die Tür offen.
"Ich hab sie nur nach Hause gebracht.", höre ich seine tiefe und zugleich gelangweilte Stimme. Ich ziehe meine Schuhe am Eingang aus und stelle mich neben Raya, die von nichts zu ahnen scheint.
"Okay, na dann.", zögert sie und schließt letzendlich die Tür, als der Junge schon weg ist. Ich gehe ins Schlafzimmer und öffne mir angestrengt den Zopf. Erschöpft massiere ich mir die Kopfhaut, da bei mir die Folgen eines hohen Zopfes immer leichte Schmerzen sind. Warum muss ein Pferdeschwanz auch immer so wehtun? Während meiner Prozedur tritt Raya ins Zimmer und sieht mich mit einem vielsagenden Blick an.
"Hab ich was verpasst und warum bist du so spät?"...

Ty's Sicht:
Ohne den anderen einen Blick zu würdigen, schmeiße ich mich auf das Sofa und mache es mir gemütlich. Chaya, der seine Kippe halb zuende geraucht hat, hält mir die Schachtel hin, die ich sofort annehme. Die könnte ich jetzt gut gebrauchen. Wie immer herrscht hier eine angenehm lässige Stimmung. Bis auf die leise Musik im Hintergrund und das ruhige Gerede meiner Gesinnten, ist nichts weiter zu hören. So läuft das bei uns jeden Abend ab. Wir sind eine Gruppe von fünf Leuten und verbringen die meiste Zeit gemeinsam, in dem wir durch die Gegend fahren oder kiffen. Klar ist der Konsum jeglicher Betäubungsmittel strengstens untersagt, aber was in unserem Häuschen passiert, bleibt auch dort. Lexus, die gute Seele in unserem Kreis, setzt sich zu mir und nascht von den Salzstangen auf dem Tisch.
"Ist was?", stubst sie mich an und beißt weiter von dem Gebäck ab.
"Alles bestens.", schnaufe ich und puste den beruhigenden Rauch aus. Skeptisch betrachtet sie mich von der Seite und greift dann zu meiner Hand.
"Deine Knöchel sagen mir aber was ganz anderes." Ach ja, da war ja was. Sie legt den Kopf leicht schief und sieht mich erwartungsvoll an. "Kloppe?", fragt sie argwöhnisch. Ich ziehe noch ein letztes mal genussvoll an meiner Zigarette, bis ich es im Aschenbecher zerdrücke.
"Kann man so sagen.", gebe ich zurück und lege einen Arm um ihre Schulter. Sie schüttelt entsetzt den Kopf und lehnt sich anschließend grinsend auf meine Schulter. Dieser Bund, den ich mit den ganzen Leuten hier drin habe, ist unersetzbar. Wir sind praktisch wie adoptierte Geschwister aus anderen Nationen, die nun eine multikulturelle Familie bildet. So sind Kade und ich Australier, Lexus Grieche, Chaya Thailänder und Nas Afrikaner. Ich weiß nicht, was ich ohne die Truppe hier tun würde. Mit allen anderen kann man hier zwar auch gut reden, aber sie sind nicht mein Fall. Ich habe das Gefühl, dass sich alle wie Porzelanpuppen benehmen und nichts wagen. Langweiler eben...

Untouched | GestopptWo Geschichten leben. Entdecke jetzt