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Wo sollte ich jetzt hin? Ich hatte nichts dabei. Garnichts. Kein Handy, kein Geld, kein garnichts.

Als ich einen Schritt laufen wollte, versagten meine Beine. Die Kälte traf auf die immer noch heißen Beine und ließ sie taub werden.

Ich biss die Zähne zusammen und stand auf. Ich würde nicht weit kommen. Und wohin sollte ich überhaupt gehen? May gab es nicht mehr hier, mein Job bei Judie's war auch Geschichte... Da kam mir eine rettende Idee. Wenn ich es bis zu dem leerstehenden Adams-Haus schaffen würde... Wenn.

Ich humpelte und fiel jeden zweiten Schritt in den Schnee. Nicht nur weil meine Beine wahrscheinlich komplett verkohlt waren, sondern auch wegen der Kälte und weil alles mich zu Boden drückte. Gut, dass die Horans nicht meine Eltern waren hatte ich mir schon irgendwie gedacht, aber ich hätte nie erwartet, dass sie mich einfach so rausschmeißen würden.

Ich kam nur sehr, sehr schleppend voran. Wenigstens hatte ich noch meine dünne Herbstjacke und die Vans, die waren sehr hilfreich. Nicht.

Nur noch vier Straßen hatte ich zu schaffen, als ich nach drei Metern endgültig zusammenbrach.

Ich zog die Jacke um mich, doch es war, als wäre sie nicht da. Die eisige Kälte traf jede Pore meines Körpers.

So lag ich – ich weiß nicht wie lange. Es kam mir endlos vor.

Als ich näher kommende Schritte hörte, bekam ich eine Panikattacke und wollte aufstehen, doch meine Beine gehorchten mir nicht und klappten zusammen als wären sie aus Backpapier. Backpapier. Ein Luxus, den ich nie wieder haben würde. So etwas einfaches bedeutete so viel.

Meine Panik half mir auch nicht gerade, aufzustehen, und ich drohte zu hyperventilieren, als schließlich eine große, dunkle Gestalt neben mir stehen blieb.

„Alina?“, sagte eine Stimme, die ich wiedererkannte, und doch auch nicht. So sanft hatte ich Nialls Stimme noch nie erlebt.

Doch ich war wütend. Er hatte es gewusst. Vielleicht die ganze Zeit. Immerzu. Jedes Wort aus seinem Mund war eine Lüge gewesen.

„Geh zurück zu deinen wundervollen Eltern, Niall.“ Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern und sie zitterte brüchig.

Niall bückte sich und legte mir etwas um die Schulter, doch ich schüttelte es ab und rückte von ihm weg. Wieder bemühte ich mich vergebens, aufzustehen.

Niall versuchte, mir zu helfen, doch ich zischte: „Fass mich nicht an!“

„Alina, du kannst so nicht bleiben! Du kannst nichtmal laufen. Du kannst nicht mal stehen!“

„Ich schaff das schon irgendwie! Warum interessiert dich das überhaupt? Bist du nicht froh, mich los zu sein?“

Immer mehr Tränen flossen. Mit Sicherheit sah ich gerade aus wie eine besoffene Obdachlose, die zu viel Koks genommen hatte.

„Denkst du das wirklich?“, fragte er nach einigen Schweigeminuten leise, „denkst du wirklich, ich kann dich absolut nicht leiden?“

„Darauf brauch ich nicht zu antworten, oder?“

Wieder schwieg er. „Nein, du hast Recht.“

Ich versuchte wieder aufzustehen, und dieses Mal wurde mir schwarz vor Augen. Für ein paar Sekunden war ich weg, dann ging es wieder.

Niall kam wieder näher und fragte – besorgt?! : „Alles okay?“

„Ja, alles ist wunderbar. Großartig. Fantastisch.“

„Okay, das war eine dumme Frage. Aber..“

„Aber?“

„Aber du sollst wissen, dass ich dich nicht hasse. Ich meine, ich kann dich nicht hassen. Du hast mir ja nie irgendwie was getan.“

the never minded ☯ Horan [ABGEBROCHEN]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt