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„Niall, was soll das?", fragte ich und gegen meinen eigenen Willen schob ich ihn weg. „Du hast jemand anderen, und das ist okay. Spiel nicht mit mir."

Niall öffnete den Mund zum Protest, doch ich schüttelte den Kopf und ließ mich in mein Kissen sinken.

Niall saß noch eine Weile da und rührte sich nicht.

„Wer hat gesagt, dass es jemand anderes ist?", fragte er, doch ich schlief halb und wusste nicht, was Realität und was Traum war.

Ich hatte einen seltsamen Traum.

Der Tau tropfte von den Bäumen und May stand vor mir.

„May!", rief ich freudig überrascht und die Bäume nahmen das Echo auf, gaben es wieder.

Erst jetzt merkte ich, dass sie weinte.

„May, was ist los? May, warte!" Sie schüttelte den Kopf und ging weg, und ich rannte, doch ich erreichte sie nicht.

Auf einmal stand jemand vor mir, den ich nicht kannte. Genau genommen waren es zwei Personen. Ein Mann und eine Frau. Der Mann lächelte mich an, doch dort, wo das Gesicht der Frau hätte sein müssen, war ein klaffendes Loch.

Erschrocken trat ich zurück, stolperte über eine Baumwurzel und schlug mir die Hand vor den Mund, um nicht zu schreien.

Es machte mich wütend. Wer hatte ihr das angetan?

Der Mann hob die Hand, um mir aufzuhelfen. Doch sie war voller Blut.

Ich kroch rückwärts, weiter rückwärts, doch der Mann kam hinter mir her. Und auf einmal war May wieder da, hielt den Mann an der Hand, auch ihre Hände waren plötzlich voller Blut. Wo kam das ganze Blut her?

„Hilfe!", röchelte ich, mehr kam nicht raus. Meine Kehle war staubtrocken und um zu schreien fehlte mir die Luft.

„Hilfe!", versuchte ich es erneut, diesmal lauter.

„Alina, Alina! Alles gut..." Niall trat aus den Schatten zwischen den Bäumen und hielt mir seine Hand hin, wollte mir aufhelfen. An seiner Hand klebte kein Blut, aber was hieß das schon? Bis eben hatte May auch noch kein Blut getragen. Oder doch?

„Alina!", sagte Niall, diesmal lauter.

Er zog mich an meiner Hand hoch.

Und plötzlich war ich wieder in der Realität, wo es keine Frauen ohne Gesichter gab, keine Männer mit blutigen Händen, kein Blut an Mays Händen.

Nur Niall, der mich in den Arm nahm. Ich war zu perplex, die Umarmung zu erwidern, zu perplex, irgendetwas zu tun als da zu sitzen und zu Atem zu kommen.

„Niall, da war May, und ein Mann mit Blut, eine Frau ohne Gesicht..." Ich redete wirres Zeug und bemerkte erst, dass ich weinte, als sich auf Nialls Shirt ein dunkler Fleck ausbreitete.

„Ich weiß, ich weiß... es war bloß ein Traum, Ally, bloß ein Traum..."

Ja, mehr war es nicht gewesen. Bloß ein Albtraum. Ein harmloser, nichtssagender Albtram.

Ich sollte erst viel später erfahren, dass er sehr viel mehr als das war.

the never minded ☯ Horan [ABGEBROCHEN]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt