Kapitel 17

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Jeongin Pov:

Ich hielt Hyunas Schwert mit einer Hand fest umschlossen und hielt meinen Blick stets am Boden. Neben mir lief Hyunjin, welcher mich hin und wieder mal von der Seite betrachtete, abr weiter nichts sagte oder tat. Wir war bewusst, dass er scheinbar viele Fragen hatte, sich aber nicht traute, die Stille zu brechen.

Gestern hatte er mich getröstet, so lange, bis ich eingeschlafen war, was mich persönlich überraschte. Seine Mission sollte es sein, mich zu töten. Sein Verhalten passte nicht in das Muster eines Mörders. Statt meine Schwäche und Verletzlichkeit auszunutzen, hatte er sich um mich gekümmert und auf mich aufgepasst. Sogar jetzt lief er noch neben mir her, statt mir mit Yejis Bogen einen Pfeil ins Herz zu rammen oder mir sein Schwert durch die Kehle zu ziehen.

Selbst heute morgen hatten wir nicht viel geredet. Lediglich die Toten von gestern hatte er mir gesagt. Edawn war unter ihnen. Und das machte meine Laune nicht grade besser.

Auch hatten wir gleich nach dem Aufstehen einen weiteren Schuss gehört, welcher meine leichte Angststörung nicht besser gemacht hatte.

Ich hatte Hyunas Schwert an meinen Gürtel geklemmt, aber hatte meine Hand unaufhörlich um den Knauf des kleinen Schwertes gelegt. Nicht, weil ich Hyunjin nicht vertraute, sondern eher, als eine kleine emotionale Stütze meinem Verlust gegenüber.

Hyunjin blieb stehen und legte stirnrunzeld den Kopf schief. Fragend sah ich ihn an und folgte seinem Blick. Etwas weiter in der Ferne lag eine Gesatalt auf dem Boden. Anfangs war es noch unerkennlich, aber je näher wir traten, desto deutlicher wurde es, dass es sich um eine Person halten mussten.

Als wir zwischen den Bäumen hervor traten und somit Blick auf die Gestalt vor uns hatten, hielt Hyunjin mir blitzschnell seine Hand vor die Augen.

Kurz stockte ich überrascht, ehe mir tatsächlich wegen seiner Aktion ein leichtes Lächeln über die Lippen huschte. Jedoch nahm ich seine Hand aus meinem Blickfeld und erkannte, warum Hyunjin nicht wollte, dass ich das sehe.

Auf dem Boden lag Edawn. Tot.

In seiner Brust klaffte eine rote Wunde und sein eigenes Schwert war blutverschmiert an seinem Gürtel befestigt wurden. An sich machte das gesamte Bild keinen Sinn, aber sowieso lenkte mich Edawns lebloses Gesicht mehr ab. Ein wenig wunderte es mich schon, dass das Kapitol ihn noch nicht abgeholt hatten. Normalerweise taten sie das nur nicht, wenn jemand in der Nähe war.

Mit trauriger Miene starrte ich auf den Körper vor mir und erinnerte mich daran, als er mir mit Hyuna Schwertkampf beigebracht hatte, oder wir manchmal in den Trainingspausen etwas rumgeblödelt hatten, während wir Jisung und Hyunjin beim Streiten zugesehen hatten.

,,Er hatte sich freiwillig gemeldet." Durchbrach ich die Stille zwischen mir und Hyunjin. Überrascht schaute er auf. ,,Wusstest du das?" Fragte ich ihn leise. Hyunjin biss sich auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf. ,,Nein, dass wusste ich nicht."

,,Es wäre Hyunas und Edawns letztes Jahr gewesen." Fuhr ich fort. ,,Sie hatten sich sogar schon ein kleines Haus gebaut. Sie wollten einen Jungen adoptieren." Erzählte ich ihm leise. Ich wusste nicht warum ich das tat, aber ich hatte das Gefühl, dass loswerden zu müssen. Und irgendwie wusste ich, dass Hyunjin zuhören würde.

,,Hyuna wurde gezogen, Edawn nicht. Daraufhin hatte er sich freiwillig für einen Jungen aus seinem Distrikt gemeldet. Damit sie nicht alleine da durch musste." Ich schluckte kurz. ,,Sie wussten beide, dass sie es nicht schaffen werden."

Hyunjin betrachtete mich mitleidig von der Seite. ,,Ich hasse das Kapitol." Murmelte ich leise. Ich sah, wie Hyunjin kurz stockte, da er sicher an die Kameras gedacht hatte, die vermutlich grade alle auf uns gerichtet waren. Aber das Kapitol würde sich eh die Mühe machen, dass schnell rauszuschneiden oder ähnliches. Als ob sie es zulassen würden, dass ein Tribute etwas gemeines über ihr ach so geliebtes Kapitol sagte.

,,Sie hatten wirklich Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft." Hyunjin wandte seinen Blick wieder zu Edawn. Ich schluckte erneut schwer und versuchte für die beiden stark zu sein und nicht schon wieder so schwach in mich zusammenzufallen, wie ich es vor Hyunjin schon einmal war.

Ich spürte, wie warme Fingerspitzen langsam in meine Handfläche glitten und sich vorsichtig mit meinen verschränkten. Langsam, damit ich noch zurück ziehen konnte, falls es mir zu viel wurde. Jedoch war dass genau das, was ich grade zu brauchen schien.

Egal wie kalt und mörderisch Distrikt 1 mich wollte, Chan hatte mich weich erzogen. Und dafür war ich ihm auch dankbar, wenn ich jetzt nicht in solch einer Situation stecken würde. Dennoch war ich dankbar für den Halt, den Hyunjin mir grade gab.

Wir kannten uns erst seit einigen Wochen und hatten ansonsten auch nicht großartig miteinander zu tun gehabt, doch war ich nun vollkommen beruhigt, als ich mit Hyunjin vor Edawn stand, verschränkte Hände und schweigend, ohne ein weiteres Wort auszutauschen.

Wie eine letzte Schweigeminute für Edawn.

,,Lass uns weiter." Sagte ich leise, wobei meine Stimme leicht brach. Ich zog Hyunjin an Edawn vorbei und ging wortlos mit ihm weiter. Unsere Hände waren immernoch miteinander verschränkt und zu meinem Glück schien Hyunjin das auch nicht großartig etwas auszumachen. Ich brauchte das einfach jetzt.

Unser Weg führte und weiter östlich und ging auch einige Minuten gut, bis wir ein Knacken neben uns hörten. Fast sofort schob Hyunjin mich hinter sich und zückte sein Schwert, was mich unbewusst etwas schmollen ließ. Ich konnte auch kämpfen!

Jedoch legte ich meine Hände auf Hyunjins Schultern und stellte mich leicht auf Zehenspitzen, um über seine Schulter sehen zu können. Vor uns stand Woojin, welcher ebenfalls Pfeil und Bogen hatte und diese auf uns gerichtet hielt.

,,Ich lasse euch in Ruhe, wenn ihr mich in Ruhe lasst." Sagte Woojin daraufhin mit einem Schmunzeln. Hyunjin schenkte mir einen kurzen Seitenblick, den ich mit einem Nicken erwiderte. Mit vorsicht ließ Hyunjin das Schwert sinken und so tat Woojin es ihm mit dem Bogen gleich.

,,Wo hast du Jimin gelassen?" Fragte Hyunjin Woojin. Ich erinnerte mich, dass ich die beiden drei Tage zuvor zusammen vom Horn habe wegrennen sehen. Aber nun war Woojin alleine.

Dieser schenkte uns ein schiefes Lächeln, welches fast schon ein wenig traurig aussah. ,,Tot." Überrascht zogen wir die Augenbrauen hoch. ,,Sie wollte mir ein Messer in den Rücken stechen. Darauf hin musste ich...naja...ihr Genick brechen." Gab er zu uns kratzte sich schuldbewusst am Nacken.

Hyunjin und ich tauschten einen Blick aus. Wir wussten beide nicht, was in solch einer Situation zu sagen war. Wir hatten noch nie solche Umstände, in welchen wir jemanden trösten mussten, der jemanden getötet hatte.

,,Ich weiß, ich weiß." Unterbach Woojin unsere Gedankengänge. ,,Spielregeln." Seufzte er schulterzuckend.

Daraufhin fiel sein Blick auf Hyunas Schwert an meinem Gürtel. ,,Das tut mir Leid." Sagte er und besah mich mit einem traurigen Blick. Er schien zu wissen, dass ich mit Hyuna und Edawn befreundet gewesen war.

Ich nickte leicht. ,,Ich war gestern Abend in Edawns Nähe, als er sich...naja...ihr wisst schon." Sagte er. ,,Ich hatte ihn danach noch etwas hergerichtet. Es hätte sonst zu brutal ausgesehen. Das wollte ich nicht, hier schauen Kinder zu!" Seufzte Woojin.

,,Danke." Brachte ich heraus. ,,Danke, dass du dich noch etwas um ihn gekümmert hast." Woojin lächelte mich traurig an, ehe er sich leicht verbeugte. ,,Es wäre besser, wenn unsere Wege sich hier trennen. Das Kapitol sieht es bestimmt nicht gerne, wenn die Tribute sich unterhalten, statt sich abzuschlachten."

Hyunjin und ich nickten verstehend, ehe wir es ihm mit der Verbeugung gleich taten und Woojin gleich darauf schon wieder verschwunden war. Hyunjin betrachtete mich von der Seite, ehe er erneut meine Hand nahm.

,,Na komm, lass uns ein Gewässer suchen gehen."


Hunger Games~Stray KidsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt