Das Schulfest

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Christinas Gesicht wurde kreideweiß, als sie erfuhr, was mit ihrer Torte geschehen war. Jetzt standen alle Mamis im Lehrerraum und schauten den blauen Matsch an. Mareike fing an zu weinen.
- Warum hat jemand das getan? - schluchzte sie. Alle andere schwiegen.
„Die Frage ist nicht warum, sondern wer konnte das tun. Christina ist letzte paar Wochen allen Gesammelten richtig auf den Sack gegangen. Es gab genug warum in diesem Raum" dachte Monika.
- Es ist grade nicht wichtig. In zehn Minuten fängt das Fest an. Wir müssen noch schauen, ob wir alles drinnen haben. - sagte Christina ruhig.
Christina blieb ganze Zeit still und ruhig. Das erste Mal arbeiteten alle wie zusammen verbunden, ohne unnötige Worte und Bewegungen. Sie waren vor 10 Uhr fertig. Kurz danach kamen erste Schüler mit deren Eltern und Monika konnte sich endlich was zum Essen holen. Sie war grade mit einer großen Portion Salat beschäftigt, als sie Christinas Stimme hörte:
- Monika, könnte ich mit dir kurz sprechen?
Monika zuckte und verschluckte sich fast.
- Oh Christina, du hast mich aber erschrocken. Worum geht's?
- Um die Torte.
- Das mit deiner Torte tut mir sehr leid.
- Das weiß ich doch. - antwortete Christina - Ich will wissen, wer das getan hat.
- Aha. Denkst du, ich habe es gemacht? - fragte Monika vorsichtig, letztendlich hatte sie die zermatschte Torte entdeckt.
- Du bist die Einzige, die ich nicht verdächtige. Für dich spielt das Alles keine Rolle, ich wundere mich das du überhaupt beim Fest mitmachst.
- Naja. Hanadi hat mich überredet. Aber wie soll ich dir helfen?
- Ich weiß, dass du mal mit Hanadi Mareike geholfen habt, als ihre Uhr verschwunden ist. Vielleicht kannst du dann entdecken, wer die Torte zermatscht hat?
- Oh, ich weiß es nicht, ich kann es mit Hanadi versuchen.
- Mir wäre es lieber, wenn du es alleine machst.
- Warum? - fragte Monika verwundert.
- Hanadi verdächtige ich auch, ich glaube, dass sie auf meine Torten neidisch ist. - sagte Christina mit der messerscharfen Stimme.
Monika unterdrückte das Lachen:
- Erstens könnte Hanadi nie so was fieses tun und zweitens sind wir ein Team, wenn wir den Leuten bei ihren Problemen helfen. Ohne sie kann ich dir leider nicht helfen.
- Na gut. - antwortete Christina nach einem Augenblick nicht besonders überzeugt.
- Bist du dir aber sicher, dass du es wissen willst? Es ist nämlich manchmal besser, einfach so zu tun, als ob es nix wäre.
- Doch, ich muss es wissen. - sie atmete tief durch - Ich wäre euch sehr dankbar, wenn ihr das für mich aufdeckt.
Inzwischen war der Saal voll mit den Kindern und Eltern und alle Mitmachenden waren beschäftigt. Hanadi schenkte ununterbrochen Getränke ein.
- Ok, wir brauchen aber etwas Freiraum.
Christina nickte:
- Ich kann die Getränke verteilen und ihr könnt euch in den Matheraum zuerst zurückziehen.
Christina löste Hanadi ab, Monika nahm noch ein paar Stück Kuchen und zweit Becher Kaffee mit.
- Was ist los? - fragte Hanadi.
Monika weihte sie ein.
- Dann gehen wir in den Matheraum. - sagte Hanadi - Sag bitte, dass der zweite Kaffee für mich ist.
- Ja, für wen sonst.
- Sehr schön. Dann brauchen wir nur noch was zum Schreiben. Wir haben zu viele Verdächtigen, es ist einfach sich zu verwirren.
- Ich habe fünf Kinder, ich habe immer was zum Schreiben mit.
Sie setzten sich auf einer Bank hin.
- Dann fangen wir an. - sagte Hanadi und nahm einen Schluck Kaffee.
Monika durchsuchte ihre Jacke und holte einen Stift und einen zerknitterten Zettel raus.
- Wir müssen alle Namen aufschreiben, unsere auch.
- Verdächtigst du dich selbst? - lachte Hanadi.
- Wer weiß, vielleicht war ich so hungrig, dass ich mich von der Torte nicht weghalten konnte. Und du?
- Naja, du weißt, dass ich mit Christina nicht zurecht komme, vielleicht habe ich es an der Torte ausgelassen? - Hanadi zwinkerte Monika zu - Und was sagt Christina? Ich vermute, sie verdächtigt mich.
- Na ja, sie meint, du bist auf ihre Torten neidisch.
- Das könnte auch ein gutes Motiv sein. So wollen wir alle aufschreiben?
- Es geht los. Wir schreiben Vor- und Nachname auf. Manche siezten sich immer noch. Mareike Fischer als erste. Christina betrachtet sie, als ob sie ihre persönliche Dienerin wäre.
- Denkst du? - Hanadi schrieb Mareikes Namen auf - Meiner Meinung nach hat sie zu viel Angst vor Christina.
- Viele greifen aus Angst an.
- Ok, aber wir bleiben offen, es könnte jede von uns sein. Christina ging uns allen letzte paar Wochen auf den Sack. Dann Gülcan Demir.
- Ist sie deine Verdächtige? - fragte Monika verwundert.
- Nein, ich habe sie einfach heute zuerst gesehen, in dieser Reihe wollte ich die Liste erstellen, so kann ich mir alles besser merken, aber weißt du nicht mehr, wie Christina gesagt hat, dass Gülcan nur türkisch und eintönig kochen kann und es wäre besser, etwas „mehr allgemeines anzubieten"?
- Ooooh. Hat sie das echt gesagt? Ich kann mich daran nicht mehr erinnern.
- Ah, stimmt. Du musstest früher gehen, um Marek bei Matheaufgaben zu helfen. Das musstest du ganz oft. - Hanadi sah Monika misstrauisch an.
- Hanadi, wir wissen beide, wie es war. Bleiben wir lieber bei der Sache. Ich würde sagen, Gülcan hatte gutes Motiv, die Torte zu zermatschen.
- Das finde ich auch, ich schreibe es bei ihr auf. Die nächste ist Carina Djokic.
- Und was mit Hülya, wenn wir beim türkisch Kochen sind.
- Ich habe Hülya als letzte gesehen und sie hat das nicht betroffen, alle wissen, sie kann gut kochen.
- Na gut, ich sehe, dass ich viel verpasst habe. - sagte Monika nachdenkend.
- Und wie. Ok, dann zurück zu Carina. Ich habe nix, was sie verdächtiger machen könnte, als die anderen.
- Ich auch nicht. - fügte Monika hinzu - Ok, ich weiß, ich habe vieles verpasst, aber Carina ist so lieb, dass sie Christina sogar mag.
- Ich würde sagen, Carina bemitleidet Christina eher, aber du hast recht. Dann kommen wir zu Sabine Böhm. - Hanadi schrieb Sabines Namen auf.
- Sie hat auf jeden Fall ein gutes Motiv. Ich habe die Beiden ein Mal streiten hören. Sabine wollte, dass ihre Torte diesmal die Hauptrolle spielt und meinte, dass Christina über alle entscheiden will und die Ideen von anderen nicht zulässt.
- Und was sagte Christina?
- Naja, sie war wie immer, eiskalt sagte sie, dass alle lieber ihre Torte bewundern wollen und für die guten Ideen bleibt sie immer offen, dann ist Sabine richtig wütend weggegangen.
- Und sie hat ihre Torte auch schön geschmückt, jetzt kann die glänzen.
- Das habe ich nicht mitgekriegt.
- Ich wundere mich, dass du das Gespräch mitgekriegt hast.
- Naja, ich war grade dabei mich früher wegzuschleichen und ich wollte nicht, dass die Beiden mich sehen, deswegen habe ich mich vor denen versteckt und musste warten, bis sie weg waren.
- Ich hätte nicht vermutet, dass deine Schwänzeleien uns mal so nützlich werden. - die Beiden mussten kurz lachen, als sie sich erinnerten, wie Christina Monika immer verächtlich angeschaut hatte, als sie sich mit einer feigen Ausrede früher nach Hause bringen wollen hatte.
Hanadi schnappte sich dann ein Stück Kuchen und nannte Anastasia Michailow als nächste Verdächtige.
- Kein Plan - erwiderte Monika - Die beiden sind keine besten Freundinnen, aber das macht Anastasia grade nicht verdächtiger oder?
- Ich bin deiner Meinung. Dazu gibt Christina ihr die Ratschläge zur Scheidung und hat einen Termin bei ihrer Anwältin ausgemacht, obwohl die schwer beschäftigt ist.
- Das habe ich natürlich auch verpasst. - meinte Monika entspannt - dann hat Anastasia eher kein Motiv. Und was ist mit Hülya Öztürk? - sie tippte die Liste an.
- Wie gesagt, die Beleidigung des Gülcans Kochens hat sie nicht betroffen, aber sie ist empfindlich, wenn es um Rassismus geht, nun ob sie deswegen die Torte zermatschen könnte... - hielt Hanadi kurz inne - das weiß ich echt nicht, ich glaube eher nicht.
- Dann stellen wir ein Fragezeichen bei ihr. - erwiderte Monika. - Jetzt bist du dran.
- Ich, naja. Ich kann nicht objektiv sein. Was meinst du, aber ehrlich, wir führen eine Ermittlung.
- Hanadi, ich kenne dich so lange und ich kann mir unter keinen Umständen vorstellen, dass du so was gemacht hast. Du bist so ein lieber Mensch und gläubig noch dazu, das geht bei dir nicht.
- Monika, du hast mir gleich ein Denkmal gesetzt. Ich schreibe aber ein Motiv bei mir ein. Sie sticht so oft und disst mich ohne Ende, ich habe echt die Nase voll von ihr, dass ich manchmal alle Regeln vergessen und ihre eine klatschen könnte. - kniff sie zusammen.
- Klar, das brauchst du mir gar nicht zu sagen. Hast du es aber gemacht?
- Nein. Die Torte ist ein Kunstwerk. Wie konnte ich so was machen. Die ist... war für mich sogar zu schön, um sie zu essen. - seufzte sie.
- Dann kein Motiv und jetzt bin ich dran. Christina meinte, ich wäre Einzige, die sie nicht verdächtigt und ich habe es auch nicht getan. Ich wollte mir nur einen Schokoriegel vom Automaten holen, aber als ich die Torte gesehen habe, habe ich das vergessen.
Hanadi nickte.
- Wir sind hier gleich fertig. Noch die Kinder und Christina selbst, beides eher unwahrscheinlich. Was sagst du?
- Naja, die Kidis haben fast die ganze Zeit draußen gespielt. Wer weiß, was und wo sie gemacht haben, jedoch hätten sie die Torte zufällig kaputt gekriegt, wären sie doch voll bekleckert.
- Gut, dass du es erwähnst. Keiner ist bekleckert, alle sind sauber. Jemand hat wahrscheinlich schon früher das Vergehen geplant.
- Oh nein. Du hast Recht, das macht die ganze Sache noch schwieriger. Bevor wir aber dazu kommen, haben wir noch Christina auf der Liste. Ich sage, die war's nicht. Sie hat an der Torte von Anfang an sehr hart gearbeitet, wie sie alles aufgezeichnet und die verschiedenen Glasuren ausprobiert hat.
- Oh, du hast doch was mitgekriegt. - lächelte Hanadi sie an - Da bin ich aber deiner Meinung, ich habe sie nur eingetragen, um die Ordnung zu behalten. Bei den Kidis schreibe ich aber zufällig beim Spielen mit Fragezeichen. Ich will auch zuerst mit denen reden. Sie haben draußen gespielt, deswegen haben sie vielleicht sogar mitgekriegt, wer rausgekommen und in welche Richtung gegangen ist.
Hanadi und Monika sammelten die Becher und Pappteller ein und verließen den Matheraum.
Im Flur vor dem Sportsaal trafen sie Amal, Leila und Mia. Die Zwillinge begrüßten sie voller Freude.
- Wo warst du, Mama? Ich habe nach dir gesucht. - fragte Leila.
- Ich musste mit Tante Monika etwas besprechen. - erwiderte Hanadi - Habt ihr schon was gegessen?
- Ja-ha. - Amal drehte die Augen um: „immer diese Fragen nach dem Essen".
- Na gut. Mia, könnten wir mit dir kurz reden? - Ja, ist etwas passiert? - fragte sie neugierig.
- Naja, es geht um die Torte deiner Mama. Die wurde leider kaputt gemacht. Du hast draußen mit Anastasias Kinder gespielt. Vielleicht habt ihr gesehen, wer vom Sportsaal rausgekommen ist? - fragte Hanadi sanft.
- Mama, wollt ihr rausfinden, wer die Torte kaputt gemacht hat? Können wir mithelfen?
Amal war sehr aufgeregt und schaute Hanadi bittend an. Hanadi sah zu Monika hinzu. Diese nickte mit dem ernsthaften Gesichtsausdruck.
- Ihr müsst aber sehr vorsichtig sein und keinen einweihen. Verstanden? - Monikas Stimme war ernst und scharf, was den Mädchen sehr gut gefallen hat. Sofort bestätigten sie Monikas bitte.
- Was sollen wir machen? - Amal's Stimme zitterte von der Aufregung.
- Erstens kannst du dich dran erinnern, wer rausgekommen ist? - Hanadi wiederholte ihre Frage an Mia.
- Ich habe nicht so gut drauf geachtet... - meinte Mia unsicher - Wir haben Fangen gespielt. Mama war kurz raus, aber sie wollte nur kurz schauen, ob wir nix brauchen. Frau Michailow auch, dann ist sie zum Auto gegangen. Sie hat etwas vergessen. Frau Demir hatte ganz eilig, sie hat die Tür voll dolle aufgemacht, sie hat Sergej fast umgehauen und das gar nicht bemerkt... - sie hielt kurz inne und faltete ihre Nase - Es ist schwer, wenn ich jetzt dran denke, dann ist fast jeder mal rausgegangen. Vielleicht haben Sergej, Elena und Nadja sich mehr bemerkt.
- Und was sollen wir jetzt machen? - Leila wollte bereits loslegen.
Hanadi und Monika schauten sich an. Vielleicht könnten die Mädchen tatsächlich ihnen helfen.
- Ihr sollt hier bleiben und gucken, ob welche von den Frauen, die das Fest vorbereiten haben, sich ausschleicht und verdächtig aussieht.
- Dann verfolgen wir sie. - Amal war mit dem ganzen Herzen dabei.
- Nein, dann tut ihr, als ob ihr spielt und eine von euch gibt uns Bescheid.
- Aber wir haben keine Handys - meinte Leila klagevoll.
- Ich habe ein Handy. - fügte Mia hinzu. - Ich habe sogar Ihre Nummer, Frau El Nasser.
- Perfekt, dann schreibst du mir. - erwiderte Hanadi und versuchte die vorwurfsvollen Blicke ihrer beiden Töchtern zu ignorieren, sie spürte aber, dass spätestens im Auto das Gespräch „Mama, wir wollen auch Handys und alle haben schon welche" auf sie wieder zukam.
Sie verabschiedeten sich von den Mädchen und machten sich auf die Suche nach Anastasias Kindern.
Der Sportsaal war voll. Monika wollte zuerst wieder rausgehen, sie faste sich aber zusammen. In einer Ecke spielten ganz viele Kinder zusammen. Monika bemerkte Jan, ihren beiden Jungs und Hammudi. Sie klopfte Hanadi auf die Schulter und zeigte in die Richtung.
- Vielleicht sind Anastasias Kidis auch dabei. - fügte sie hinzu.
Hanadi nickte und sie gingen dorthin. Sie stellten sich zuerst zu Jan und winkten den Kindern, die so im Spiel vertieft waren, dass sie sie kaum bemerkten.
Jan begrüßte sie und fragte überrascht:
- Müsst ihr nicht mithelfen?
- Wir helfen grade, nur ein bisschen anders. - erwiderte Monika unaufmerksam. Sie versuchte sich daran zu erinnern, wie Anastasias Kinder aussehen und schaute nach denen.
- In Ordnung. - sagte Jan entspannt, er hatte sich schon längst daran gewöhnt, dass er nicht unbedingt alles davon, was Monika macht, wissen und verstehen muss.
- Hast du Samir gesehen? - fragte Hanadi etwas besorgt.
- Er holt was zu trinken. Es ist unnormal stickig hier. Ich passe auch auf Hammudi auf, keine Sorge und die Mädels spielen vor dem Saal mit Mia.
Hanadi lächelte ihn dankend an.
- Ja, die haben wir auch getroffen. Es ist besser so, Amal ist sehr empfindlich und fühlt sich schnell überfordert bei der Menschenmenge. Monika guck, da ist Sergej! Komm, es sieht so aus, dass er grade eine kurze Pause braucht, da können wir mit ihm reden.
Hanadi nahm Monikas Hand und ging entschlossen in Sergejs Richtung. Er wollte grade weiterspielen, als sie ihn angesprochen hatten. Er sah sie überrascht an, antwortete aber brav:
- Hallo Frau El Nassar, hallo Frau Kowalski. Natürlich kann ich mit Ihnen reden.
- Möchtest du vielleicht was trinken? - fragte Hanadi freundlich. Sein Gesicht war rot und er sah sehr verschwitzt aus.
- Sprudelwasser! - erwiderte er sofort.
Sie holten Getränke und setzten sich in einer „ruhigeren" Ecke. Sergej trank schnell sein Wasser aus und schaute die beiden Frauen neugierig an. Die Frage „was ist da los?" strahlte aus seinen Augen.
- Wir möchten dich fragen, ob du dich noch dran erinnerst, welche Frauen während der Vorbereitungen aus dem Saal rausgegangen sind?
- Das wollen Sie wissen? - vergewisserte er sich etwas enttäuscht - Naja. Wir waren nicht die ganze Zeit vorm Saal. Wir mussten mal auf die Toilette, aber ganz kurz nur. - fügte er schnell hinzu. So schnell, dass Hanadi und Monika sich fast hundertprozentig sicher waren, dass die etwas länger weg gewesen waren, keine von den beiden sagte aber etwas dazu. Stattdessen nickten sie und lächelten Sergej freundlich an. - Aber ansonsten kann ich mich gut erinnern, wer raus war. Am besten erinnere ich mich an Frau Demir. Sie hat mich mit der Tür fast umgehauen, ich werde bestimmt einen blauen Fleck haben. Sie hat uns auch gar nicht bemerkt und ist weggegangen.
Dabei zeigte er stolz seine linke Schulter, die schon langsam dunkellila wurde. Hanadi zischte beim Atmen:
- Das hatte bestimmt sehr wehgetan. Hat Frau Demir dazu nix gesagt? Es ist ihr nicht ähnlich.
- Und in welche Richtung ist sie gegangen? - unterbrach Monika. Sie blieb gelassen, letztendlich hatte sie als fünffache Mama ganze Vielfalt an Verletzungen erlebt. Sergej dachte kurz nach.
- Nach rechts und dann die Treppe hoch. Weiter weiß ich nicht, wir sind ihr nicht hinterher gelaufen.
- Das ist doch selbstverständlich. Ihr wart bestimmt mit deiner Verletzung beschäftigt.
Sergej nickte.
- Meine Mama ist auch rausgegangen, sie ist durch den Hinterausgang zum Auto gegangen. Frau Böhm ist sogar zwei Mal rausgekommen. Ein Mal hat sie sich so komisch umgeguckt, als ob sie nicht wollte, dass jemand sie sieht, aber wir haben sie doch gesehen. Sie hat aber so getan, als ob wir nicht da gewesen wären.
- Ja, manche Erwachsenen tun manchmal so. - erwiderte Hanadi nachdenklich.
- Es ist nicht nett. - seufzte Sergej.
- Auf jeden Fall! - Hanadi war ganz seiner Meinung - Aber vielleicht hatte Frau Böhm einfach ganz eilig.
Sergej schaute sie misstrauisch an, er sagte jedoch dazu nichts mehr.
- Frau Öztürk hat ganze Zeit ihre Tasche durchwühlt, als sie rausgegangen ist. Sie sah auch genervt aus.
- Es ist gut möglich, dass die genervt war. Wir waren alle etwas gestresst. - fügte Monika hinzu und gleich danach fragte mit der gleichgültigen Stimme - Und Frau Fischer? Hast du sie auch gesehen?
- Frau Fischer? - erwiderte Sergej unsicher - Wie sieht sie aus?
- Sie ist groß und dünn und hat mittellange braue Haare.
Sergej sah Monika immer noch fragend an, er hatte keine Ahnung, vom wem sie sprach.
- Sie hat heute ein Oberteil mit den Herbstblättern an uns sieht sehr müde aus. - ergänzte Hanadi.
Sergej dachte noch kurz nach.
- Jetzt weiß ich. Sie hat uns Kakao angeboten, sie ist ganz nett. Ich habe nicht gesehen, wie sie rausgegangen ist.
Monika fühlte sich ganz enttäuscht. Sie spürte, das Mareike es gemacht hat.
- Aber ich habe gesehen, wie sie zurückgekommen ist. Wir haben Fangen gespielt und waren kurz weg.
- Wahrscheinlich ist sie dann rausgegangen. - murmelte Monika.
- Bestimmt. - antworte der Junge unbesorgt - Kann ich schon gehen? Ich habe keinen mehr gesehen und will gerne weiterspielen.
- Klar. Danke schön. Du hast uns sehr geholfen. - erwiderte Hanadi höflich.
- Nicht dafür. Dann tschüss. - sagte er und lief schnell rein.
Als er verschwand, ergänzte Monika schnell die Liste und seufzte dabei laut. Weil Hanadi ihr über die Schulter guckte, wusste sie sofort, worum es geht. Alle Verdächtigten mit Motiv waren auch rausgegangen, sie konnten keine von denen von der Liste streichen.
- Wir fangen mit Mareike an. Sie war es, ich kann es spüren. - sagte Monika entschieden.
Hanadi war sich nicht so sicher, aber sie mussten irgendwie anfangen und Mareike war die erste auf der Liste, daher wollte sie die so wie so zuerst befragen.
Bevor sie wieder in den Saal rein konnten, ging Gülcan raus. Sie machte die Tür heftig aus, so dass Hanadi und Monika zur Seite springen mussten, um eine Verletzung zu vermeiden. Gülcans Wangen waren knallrot und ihre Augen funkelten bedrohlich. Sie ging entschlossen Richtung Ausgang. Hanadi und Monika verständigten sich mit den Blicken und folgten ihr. Als sie draußen waren, fragte Hanadi sie sanft und mitfühlend.
- Gülcan, was ist passiert. Könnten wir dir irgendwie helfen?
Gülcan starrte sie zuerst ganz lange und verwundert an, als ob sie erst jetzt Hanadis und Monikas Gegenwart wahrnahm.
- Verschwindet!!! Ich will jetzt keinen sehen!!! - schrie sie mit der brechenden Stimme.
- Ja... es tut uns sehr leid. - erwiderte Monika ungeschickt.
Sie gingen zögernd zurück. Es sah so aus, dass das deren einzige Chance war, mit Gülcan heute zu sprechen und die verschwand grade.
- Wenn du nach Hause willst, kann ich dich fahren. Nicht dass dir was passiert. - sagte Hanadi echt besorgt.
Gülcan schwieg einen langen Augenblick.
- Ich will nicht nach Hause. Ich musste einfach von da weg. - schaute sie die Schule an.
Hanadi nickte.
- Danke Hanadi, es war lieb von dir. Es tut mir leid, dass ich euch angeschrien habe. Ich will trotzdem jetzt alleine bleiben.
- In Ordnung. Wenn du etwas brauchst, wir sind da.
Ihre Augen folgten Gülcan bis sie endlich hinter die Ecke verschwand.
- Das war's. Wahrscheinlich kriegen wir von ihr jetzt nicht mehr mit und ich würde echt gerne wissen, warum sie so aufgeregt ist. Vielleicht hat sie doch die Torte zermatscht? - sagte Monika nachdenklich.
- Schwer zu sagen, sie benimmt sich auf jeden sehr verdächtig. - erwiderte Hanadi - Ich hoffe nur, dass sie tatsächlich nicht fährt. Sie ist zu aufgebracht. Komm wir gucken nach ihr!
Gülcan stand draußen direkt an der Glastür und bemerkte sie sofort. Sie versuchte schnell und unbemerkbar ihr Gesicht von Tränen abzuwischen, was alles nur noch schlimmer gemacht hatte, weil ihr Make-Up dazu jetzt noch verschwommen war. Offensichtlich fror sie dazu ohne Jacke. Ihr Blick war aber jetzt eher deprimiert. Sie gingen zu ihr raus und fingen an, gleich zu zittern. „Es ist aber kalt" dachte Monika und schaute sehnsüchtig die Tür an.
- Gülcan, du erkältest dich noch. Komm bitte rein. - sagte Hanadi besorgt.
- Ich kann echt jetzt nicht zurück. - erwiderte Gülcan mit der zitternden Stimme.
- Dann komm, wir setzten uns bei mir im Auto.
Schon im Auto, getrennt von der bitteren Kälte, fragte Gülcan sie, warum sie ihr gefolgt waren.
Hanadi machte die Heizung an und erwiderte.
- Wir haben uns Sorgen gemacht, dass du doch Auto fährst und dir was passiert.
Monika nickte nur zustimmend.
- Ich habe es mir echt überlegt, doch weg zu fahren. - seufzte sie und atmete tief durch.
- Was ist eigentlich passiert? - fragte Hanadi sanft.
- Warum wollt ihr das wissen, aber echt? - erwiderte Gülcan scharf.
- Wir suchen nach der Person, die die Torte zermatscht hat und du scheinst ein gutes Motiv und die Gelegenheit zu haben. - antwortete Monika ehrlich.
Sie schien ihre Ehrlichkeit zu schätzen.
- Das stimmt. So wie Christina sich benommen hat, geschah ihr Recht. Das war ehrlich gesagt mein erster Gedanke, als ich die Torte gesehen habe.
Hanadi und Monika hörten ihr aufmerksam zu und dazu beobachteten unauffällig ihr Gesicht und ihre Hände, um das Unausgesprochene rauszuholen.
- Es sieht so aus, ich hatte echt ein Motiv. - fügte sie mit dem bitteren Lächeln hinzu und bleib schweigen, als ob sie nichts mehr zu sagen hätte.
Hanadi und Monika fiel nichts ein, wie sie nächste Frage stellen sollten und so schwiegen alle drei einen Augenblick. Endlich hustete Monika ganz vorsichtig, was Gülcan nur dazu brachte, sie ganz kurz anzuschauen.
- Hanadi, könntest du mich bitte zu meiner Schwester fahren? Es geht mir nicht gut und ich will auf jeden Fall nicht mehr zurückkommen.
- Klar. Wohnt sie immer noch in Heinrich-Heine-Straße?
- Ja. - antwortete Güclan und schaute durch das Fenster. - Übrigens, ich habe die Torte nicht kaputt gemacht. Ich habe grade andere Sorgen... Mein Mann... Es hat sich herausgestellt, dass er... ihr wisst schon, was ich meine.
- Bist du dir sicher? Manchmal erzählen Leute einen solchen Unfug...
Monika schaffte nicht den Satz zu beenden, denn Gülcan unterbrach ihr schnell.
- Ich habe Beweise. Viel zu viele, leider. Ich habe einen Detektiven angestellt und er hat mir heute ein Haufen Bilder zugeschickt. Erstens wollte ich euch danach fragen, ob ihr ihn ausspionieren könnt, aber es war mir zu peinlich und letztendlich habt ihr es doch wegen dieser Scheiß Torte erfahren. - lachte sie ganz kurz und dann fing an zu weinen.
Eigentlich war Hanadi die einfühlsame in diesem Duo, weil sie jedoch fuhr, gab Monika Gülcan ein Taschentuch und sagte ganz leise.
- Wir sagen es keinem und falls du Hilfe brauchst, sind wir für dich da.
Hanadi parkte an einem roten Mehrfamilienhaus mit schönem, gepflegten Garten.
- Wir sind da, aber du kannst im Auto bleiben, so lange du willst.
- Danke Hanadi, aber ich gehe lieber. - Gülcan unterdrückte ein Schluchzen und putzte sich laut die Nase. - Ich will mich einfach nur hinlegen. Könnt ihr meinen Kindern sagen, dass ich heute hier schlafe und die können bei meinen Eltern pennen, wenn sie Lust haben? Ich habe es nicht geplant, wegzufahren. Nicht, dass sie sich Sorgen machen.
- Ja, du kannst dich auf uns verlassen. Ist deine Schwester zu Hause?
- Ja, sie putzt am Samstag  immer die Wohnung und guckt dabei Shopping Quinn.

Hausfrauen - Detektive Undercover Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt