Kapitel 13 - Schicksal

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Gedankenverloren blicke ich zur weissen Wand hinauf. Meine Mutter und mein älterer Bruder, der zu dem Geschehnis nichts zu sagen vermag, sind wortlos gegangen. Wie sonst auch? Es wurde bereits alles gesagt.

Erleichtert atme ich aus. Eine grosse Last ist mir von den Schultern gefallen. Endlich kann ich wieder alleine sein und mich in meiner Dimension zurückziehen, die ich nach meinen Träumen geschmückt habe. Einer Welt, die nach meinen Regeln aufgebaut ist.

Das plötzliche laute Knarren der Tür, lässt mich unwillkürlich zusammenzucken. Entgeistert schaue ich zur Tür hin. Ein mir allzu bekanntes Gesicht rückt aus dem Türspalt. Geschockt halte ich die Luft an.

Das darf nicht wahr sein.

Es läuft mir eiskalt den Rücken hinunter. Eine Gänsehaut lässt sich auf meine Haut nieder. Und für einen Moment halte ich inne.

Mein Körper ist in Trance versetzt. Die Zeit scheint für einen Bruchteil stehen geblieben zu sein.

"Und? So überrascht, Donjeta?", seine tiefe Stimme dröhnt in meinen Ohren und hinterlässt eine Angst in mir. Eine Angst, die ich zu unterdrücken verübte.

Verzweifelt blicke ich in seinen dunklen Augen. Diese dunklen Augen waren immer voller Lebensfreude, doch die wurde ihm zum gleichen Zeitpunkt wie mir genommen.

"Was willst du hier, Faton?", krächze ich.

"Dich besuchen kommen, was sonst. Denkst du ich lasse meine Schwägerin rechts liegen, wenn es ihr nicht gut geht. Ach, komm schon, Donjeta. So ein herzloser Mensch bin ich auch wieder nicht.", lächelt er verschmitzt.

Mir kommt das Bedürfnis zu Würgen hoch. Ich verabscheue ihn in jeglicher Hinsicht und mein Verstand ist nicht bereit, seinen Worten weiter Aufmerksamkeit zu schenken.

Ich nehme tief Luft. Ich merke, wie mein Körper immer weniger mit Energie geladen ist. Mir ist schwindlig, doch ich versuche einen klaren Verstand zu behalten.

"Mach, dass du von der Stelle weg kommst.", gebe ich ruhig von mir, was grosse Überwindung kostet.

"Nein.", lacht er mir dreist ins Gesicht, als habe er das lustigste auf dieser Welt gesagt.

Verwirrt ziehe ich meine Augenbrauen zusammen. Ich weiss, dass Faton für andere dumm erscheinen mag, doch er ist alles andere als das. Er ist ein Gespenst, der jeder deiner Schritte verfolgt und dann zuschlägt, wenn man es am wenigsten erwartet.

"Faton, was war an meiner Bedingung nicht klar? Wie weit muss ich gehen, bis du es in deinem sturen Schädel hineinbekommst?!"
Wut staut sich in mir und mir wird allmählich schwindliger.

"Die Frage ist, wie weit muss ich gehen, Donjeta. Wie weit muss ich gehen, bis du der Wahrheit ins Gesicht blickst?"

Ich bleibe still. Ich habe keine gerechte Antwort auf seine Frage. Ich kann Wahrheit zwischen Lüge nicht mehr unterscheiden. Ich weiss nicht, wem ich auf dieser Welt noch Glauben schenken kann.

"Warum sollte ich dir noch zuhören, Faton? Nach all dem, was du uns angetan hast!"

"Weil die Wahrheit niemand gerne hört, Donjeta. Du verdienst es, die Wahrheit zu wissen, einfach alles." Ich glaube ihm, keine Frage. Doch trotzdem hält mich etwas davon ab, dies zu tun.

"Warum sollte ich dir vertrauen? Nenn mir einen guten Grund!"

Er ringt schwer nach Luft und sein Blick gleitet nach unten. Er sucht nach Antworten, doch er hat keine bereit. Seufzend verdrehe ich meine Augen.

"Gut. Wenn das alles war, kannst du ja gehen.", gebe ich gekränkt von mir. Ich komme einfach nicht weiter und langsam aber sicher wird mir alles zu viel.

Ich drehe mich von Faton mit diesen Worten weg und lege meinen Kopf auf das Kissen hin. Ich versuche mich zu sammeln und schliesse meine Augen. Ein und ausatmen Donjeta, versuche ich mir Mut zuzusprechen.

"Donjeta?", höre ich die tiefe Stimme von Faton, hinter mir.

Ich antworte nicht, trotzdem weiss er, dass ich ihm zuhöre.

"Wir waren zusammen in der gleichen Klasse, weisst du noch?", leise fängt er an bei dem Gedanken zu lachen.

"Diese Zeiten waren am besten. Alles war so sorglos und man hatte keine Probleme, mit denen man sich rumschlagen musste. Alles war gar schon perfekt."

Er macht eine kurze Pause.

"Dann sah ich dich. Schon damals fand ich dich doof. »Doofjeta« habe ich dich immer genannt. Dir hatte das natürlich gar nicht gepasst. Irgendwann mal, nach unseren Streitigkeiten und nach dem die Lehrpersonen es mit uns auch aufgegeben hatten, hatten wir uns wie aus heiterem Himmel mögen gelernt. Wir waren die besten Freunde. Wir sind wortwörtlich durch dick und dünn gegangen. Wer hätte gedacht, dass aus langjähriger Freundschaft pure Feindschaft entstehen kann. Ich denke niemand. Und doch geschah es. So schnell wie ich dich kennengelernt hatte, habe ich dich verloren." Er hält inne.

Jeder seine Worte verpasste mir einen Stich im Herzen. Mir wird die Luft zum Atmen zugeschnürt und ich möchte im Erdboden versinken. Tränen sammeln sich in meinen Augen.

"Ich wusste, dass ich dich irgendwann mal verlieren werde. Jedoch wusste ich nicht, dass der Grund ein anderer sein würde."

Verwirrt runzle ich die Stirn. Ich will mich zu ihm umdrehen, doch ich traue mich nicht.

"Ich habe nicht nur eine gute Freundin in dir gesehen, Donjeta, sondern auch eine Seelenverwandte. Jemand, den ich mit jeder Faser meines Körpers respektiere. Jemand, den ich liebe."

Stille.

"Ich liebe dich mit vollem Herzen, Donjeta. Jedes Stück meines Herzens schreit danach, dich zu ehren und zu lieben. Und das nicht als dein guter Freund, sondern als dein Seelenverwandter.", und mit diesen Worten, lässt mich Faton alleine im Zimmer stehen.

Ich rege mich nicht. Ich sage nichts. Ich liege versteinert im Bett und ich lausche meiner Atmung nach. Die Tränen ringen meinen Wangen hinunter. Ein Schluchzer entweicht meinen Lippen. Ich halte meine Hände vor dem Mund und lasse einen weiteren Schmerz vergehen.

Ich habe meinen besten Freund verloren - meinen Seelenverwandten. Doch ich musste ihn gehen lassen, da ich nicht die gleichen Gefühle wie er pflege. Ich habe Gefühle für einen bestimmten Mann und daran wird sich nie etwas ändern.

Das war mein Schicksal. Mich verlieben, den geliebten Menschen verlieren und anschliessend alleine sterben. So hat es Gott für mich vorgesehen.

Ich lebe nur noch als Körper auf dieser Welt. Meine Seele hat Frieden im Himmel voller Sternen gefunden.

Denn aus Leonard und mir wurde eins.

•••

Hallo, Tulpen. Wer kann sich noch an Faton erinnern (Kapitel 5)? Wie hat euch das Kapitel gefallen und was sagt ihr zur folgenden Situation? Lasst es mich gerne wissen.
  Habt eine sorglose Woche. 🌸

Eure teduangel

Nah und FernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt