13. Kapitel

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Peter schafft es tatsächlich nicht, sie einzuholen.
Nach einer Weile wundert Lucinda sich doch und guckt über ihre Schulter, wo er bleibt. Doch er ist nicht mehr da.
Ist er abgestürzt?!
„Peter!?", ruft sie, doch keiner antwortet ihr.
„PETER!"

Wo ist er? Sie hätte ihn nicht herausfordern sollen, wo er doch zum ersten mal geflogen ist.
Planlos und krank vor Sorge fliegt sie dieselbe Strecke zurück, aus der die gekommen sind.
Aber von Peter ist weit und breit keine Spur.
Sie landet auf einer breiten Straßenlaterne, um kurz durchzuschnaufen.

Plötzlich wird sie von hinten gepackt.
Erschrocken kreischt sie auf. Dann verlieren beide das Gleichgewicht und sie fliegt sie mitsamt der Person, die sie gerade überrascht hat, herunter.

Sie spürt einen Arm, der sich um ihre Hüfte legt und kurz darauf baumeln beide in der Luft, knapp einen Meter über dem Boden.
„Dachtest' wohl, ich kann dich nicht einholen, was?"
Als Lucinda sich wieder traut die Augen zu öffnen, sieht sie Peter, der sich mit einer Hand an seinem Netz festhält, während er sie mit dem anderen Arm umklammert.
Bei dem Anblick dieses vertrauen Gesichts atmet Lucinda erleichtert auf.
Langsam seilt er sie beide ab, bis sie wieder festen Boden unter den Füßen haben.

„Tut mir leid, ich hätte wissen müssen, dass das passiert", gibt er verlegen zu.
„Schon gut", schnauft Lucinda, die sich noch nicht ganz von dem Schock erholt hat.
„Wir sollten den Rest der Strecke lieber laufen", schlägt sie vor.
Vom Fliegen hat sie nun erstmal wirklich genug.
„Ja, wär vielleicht besser."

Nach wenigen Minuten erreichen sie Lucindas Haus.
„Wohnst du hier?", fragt Peter, als sie stehen bleibt.
„Ja, dort oben ist mein Zimmer", antwortet sie und zeigt auf das offene Fenster im Obergeschoss.
„Musst du dich auch immer heimlich rausschleichen?", sagt er und kichert leise vor sich hin.

„Allerdings." Sie seufzt und läuft auf ihren Baum zu.
„Was wird das denn jetzt?", fragt Peter verwirrt und folgt ihr nach.
Lucinda schwingt sich mühsam auf einen Ast und bleibt dann darauf sitzen.
„Anders komme ich nicht in mein Zimmer. Außerdem will nicht, dass der Baum meinetwegen Feuer fängt", antwortet sie und zieht sich auf den nächsten dicken Zweig der genau über ihrem Kopf emporragt.
Peter muss sich ein Lachen verkneifen.
Dann nimmt er Anlauf und springt in einem Satz neben Lucinda auf den Ast und zieht sie zu sich hoch.

„Ich mach es dir leichter", sagt er und drückt sie eng an seine Brust. Er feuert sein Netz direkt auf den Rahmen von Lucindas Fenster
und katapultiert beide nach oben.
Peter hält Lucinda fest, während sie durch ihr Fenster klettert, bis sie in ihrem Zimmer ist.

Als sie sich umdreht, um ihm zu danken, sieht er sie eindringlich an. Es wirkt, als wolle er ihr etwas wichtiges mitteilen, weiß aber nicht wie.
Neugierig wartet Lucinda darauf, dass Peter anfängt zu reden.
„Hör zu", sagt er und setzt sich auf ihre äußere Fensterbank. Nervös fummelt er an seinem Web-Shooter herum.
„Ich wollte dir das eigentlich schon vorhin sagen, bevor Mr. Stark hereingeplatzt ist", murmelt er und lässt sie keinen Augenblick aus den Augen.
„Ich glaube, ich.."

In diesem Moment klingelt sein Handy.
„Verdammte Scheiße!", flucht er und entschuldigt sich gleich darauf dafür. Dann zieht er es zornig hervor.
Es ist seine Tante May.
„Oh Mann, auch das noch", stöhnt er und geht ran.
„May, ich hab dir doch gesagt ich bin auf dieser Party... ja ich komme nach Hause, beruhig dich."
Er legt auf.
Er räuspert sich kurz und fährt dann angespannt fort.

„Also, ich.."
Plötzlich geht die Tür von Lucindas Zimmer auf.
Erschrocken dreht sie sich um. Es ist ihre Mutter.
„Warum ist denn dein Zimmer so kalt?", fragt sie, als sie den Raum betritt und reibt sich die Hände an den Oberarmen.
Lucinda bringt kein Wort heraus.
Jetzt ist alles vorbei. Sie weiß es, sie weiß alles, denkt sie sich.
„Mach das jetzt zu", sagt ihre Mutter und stapft an Lucinda vorbei, um das Fenster zu schließen.
Zu Lucindas Verwunderung ist Peter verschwunden.
„Schätzchen, können wir reden?"

Lucinda bereitet sich mental darauf vor, erneut einen Vortrag darüber zu bekommen, dass sie nicht einfach ohne sich zu melden aus der Schule verschwinden kann. Erwartet sie jetzt das Nachspiel mit dem ihr Vater ihr heute Nachmittag gedroht hat?
Doch ihre Mutter sieht nicht wütend aus, im Gegenteil, es wirkt, als hätte sie wegen irgendetwas ein schlechtes Gewissen.

Sie setzt sich aufs Bett und deutet Lucinda an, das Gleiche zu tun, indem sie neben sich auf die Matratze klopft.
Lucinda hockt sich zu ihr und sieht ihre Mutter fragend an.
„Dein Vater und ich waren vorhin vielleicht etwas zu streng zu dir, das tut uns leid. Aber würdest du in Zukunft bitte..."
„Ja, Mama, ich weiß. Es kommt nicht mehr vor versprochen", unterbricht Lucinda sie.
Obwohl sie gerührt ist, dass ihre Mutter extra gekommen ist, um sich zu entschuldigen, ist ihr gerade viel wichtiger, was mit Peter ist.

Lucindas Mutter seufzt und erhebt sich. Dann wünscht sie ihrer Tochter Gute Nacht und schließt die Türe hinter sich.

Hastig springt Lucinda vom Bett und reißt das Fenster auf. Sie lehnt sich so weit heraus, dass sie beinahe das Gleichgewicht verliert und hinunterstürzt, aber Peter ist nicht mehr da.
Wütend knallt sie ihr Fenster zu und kohlt dabei den hölzernen Rahmen ein.
Sie ist nicht sauer auf Peter, der sich aus dem Staub gemacht hat oder ihre Mutter, die unangekündigt reingeplatzt ist, sondern auf sich selbst.

Niedergeschlagen lässt sie sich auf ihr Bett fallen, als es plötzlich an der Scheibe klopft.
Lucinda richtet sich auf und sofort wird ihr warm ums Herz. Es ist Peter, der kopfüber an seinem Netz baumelt und sie durch das Fensterglas anlächelt; er ist noch da.

Catching Lightning ( Avengers Story)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt